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Eine Reorganisation im Schnellzugstempo

Martin Dahinden stellt seine diplomatische und humanitäre Erfahrung in den Dienst der Entwicklungszusammenarbeit. Keystone

Martin Dahinden, der neue Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), hat bereits eine tiefgreifende Reorganisation eingeleitet und die Medien darüber informiert. Die neue Struktur soll Anfang Oktober stehen.

Der neue Deza-Direktor hat vor den Medien im Bundeshaus in Bern keine sensationellen Neuigkeiten präsentiert. Die grossen Linien der Reorganisation waren bereits im Juni dieses Jahres bekanntgegeben worden.

Nach seinen ersten hundert Tagen im Amt informierte Martin Dahinden über den Stand seiner Arbeit. Die erste Etappe der Reorganisation betrifft die Zentrale der Deza in Bern. Die Direktion wird von neun auf sieben Köpfe verkleinert. 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sich neu für ihre Stelle bewerben.

swissinfo: Wie sieht dieser interne Deza-Umbau genau aus?

Martin Dahinden: Zuerst erinnere ich daran, dass vor dem Schweizer Parlament Anträge für zwei neue Vierjahreskredite liegen, deren Höhe umstritten ist. In den Botschaften für die neuen Rahmenkredite ans Parlament hat die Landesregierung eine neue Strategie definiert, die in der neuen Organisation verankert werden soll.

Meine Aufgabe bei diesem Umbau ist es, die neue Strategie zu verwirklichen, die erstmals die Gesamtheit der Entwicklungszusammenarbeit des Bundes umfasst. Konkret heisst das, dass die Deza und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) künftig die gleiche Strategie verfolgen.

swissinfo: Wo stehen Sie mit der Reorganisation?

M. D.: Am Anfang ging es ziemlich zügig vorwärts. Schon während meinen ersten Arbeitstagen verlangte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey einen Entwurf für eine neue Deza, und dies innerhalb eines Monats.

Wir haben mit einer Task Force hart gearbeitet und konnten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das neue Konzept Anfang Juni eröffnen. Wir haben sie anschliessend in Arbeitsgruppen aufgenommen.

Im Moment entwickelt sich alles gemäss Programm. Aber die konkreten Veränderungen in der neuen Struktur werden erst im Oktober erfolgen.

swissinfo: Eine zweite Etappe ist aber schon vorgesehen.

M. D.: In einer zweiten Phase geht es dann um die Beziehungen zwischen der Zentrale in Bern und den Mitarbeitern an Ort. Zu diesem Thema hat diese Woche ein Seminar in Delsberg stattgefunden, als Anfang dieser Reflexion.

swissinfo: Einige Leute finden das Reformtempo zu rasasnt.

M. D.: Diese Art von Umbau muss rasch erfolgen, um Verunsicherung beim Personal zu verhindern. Denn verlängerte Verunsicherung ist das Schlimmste, was es gibt. Wir haben deshalb versucht, so schnell wie möglich vorwärts zu gehen.

swissinfo: Wie erleben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Veränderungen? Man sagt, es gebe eine gewisse Unruhe.

M. D.: Ich bin überrascht, wie gut dieser Prozess abläuft. Als ich meine Arbeit begann, spürte ich, dass die grosse Mehrheit des Personals Veränderungen erwartet.

Natürlich gibt es immer Leute, die unzufriden sind. Wenn Sie suchen, finden Sie bestimmt jemanden, der mir widerspricht.

swissinfo: Die Finanzierung der Entwicklungshilfe bleibt ein Dauerproblem. Wie sehen Sie die Situation?

M. D.: Im Moment hat mich die Debatte im Parlament sehr ermutigt. Der Ständerat, die kleine Parlamentskammer, hat den Rahmenkredit oppositionslos gutgeheissen. Die verschiedenen Vorstösse betrafen lediglich Erhöhungen des Kredites.

Übrigens hat die zuständige Kommission des Nationalrats, der grossen Kammer, einer Motion zugestimmt, welche die staatliche Entwicklungshilfe auf 0,5% des Brutto-Inlandprodukts (BIP) erhöhen will. Jetzt sind wir gespannt, wie der Ständerat darauf reagiert.

Aber es ist klar, die Frage der Finanzen wird eine meiner Hauptsorgen in den kommenden Jahren sein. Nur habe ich darüber weniger Kontrolle als über die Reorganisation der Deza.

swissinfo: Es ist ganz klar die Regierung, die einen Umbau verlangt hat. Was werden Sie persönlich Neues in die Deza einbringen?

M. D.: Für mich ist es ein glücklicher Zufall, dass gleichzeitig ein neuer politischer Rahmen und diese Reorganisation mit dem Beginn meiner Arbeit als Deza-Chef zusammenfällt. Andererseits ist es aber sehr hart, weil ich noch nicht alle Dossiers kenne; ich komme nicht aus der Welt der Entwicklungszusammenarbeit.

swissinfo: Was hat sie genau für diesen Job motiviert?

M. D.: Einerseits ist es eine Arbeit, in der man sich hundertprozentig engagieren kann, weil Entwicklungszusammenarbeit sowohl den Armen dient wie auch im Interesse der Schweiz liegt.

Andererseits ist es ein Job, in den ich meine früheren Erfahrungen einbringen kann.

swissinfo-Interview: Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Martin Dahinden, geboren 1955, studierte Wirtschaftswissenschaften (Betriebswirtschaft) an der Universität Zürich. Er arbeitete als Assistent an der Uni sowie für eine Bank und ein Verlagshaus.

Nach seinem Eintritt in den diplomatischen Dienst 1987 war Dahinden in Genf (Schweizer Delegation beim GATT), an der Botschaft in Paris, als Stellvertreter des Schweizer Botschafters in Nigeria und temporär an der Schweizer Mission bei der UNO in New York im Einsatz.

In der Zentrale arbeitete Dahinden im Dienst für Abrüstungspolitik und Nuklearfragen, als Chef der OSZE-Sektion und stellvertretender Leiter des OSZE-Koordinationsstabes während der Schweizer OSZE-Präsidentschaft (1996), anschliessend als stellvertretender Leiter der Schweizer Mission bei der Nato in Brüssel.

Seit 2004 war Dahinden Direktor für Ressourcen und Aussennetz im Aussenministerium sowie Direktor des Genfer Zentrums für humanitäre Minenräumung (2000-2004).

Seit 1. Mai 2008 ist Botschafter Martin Dahinden Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).

Die Reorganisation ist eine Antwort auf die Kritik der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission (GPK) 2006 an der Deza. Die GPK hatte bei der Deza mangelnde Führungsstrategie festgestellt und forderte eine geografissche und thematische Konzentration der humanitären Hilfe sowie eine Modifikation der Deza-Führungsinstrumente, im Klartext mehr Effizienz.

Im Zusammenhang mit der geografischen Konzentration will die Landesregierung die Schweizer Entwicklungshilfe künftig auf zwölf Länder und Regionen begrenzen: Benin, Mali, Niger, Tschad, Burkina Faso, Moçambique, Tansania, Bangladesch, Nepal, Mekong-Region, Bolivien und Zentralamerika.

Diese Konzentration auf 12 Länder soll zwischen 2008 und 2012 verwirklicht werden; 2002 waren es noch deren 24 gewesen.

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