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Kriegsprofite: Schweiz sperrt Liberia-Konten

Charles Taylor, vom UNO-Tribunal angeklagt, soll Konten in der Schweiz haben. Keystone

Die Schweiz hat Konten eingefroren, die dem liberianischen Präsidenten Charles Taylor und seiner Entourage gehören könnten.

Damit hat sie einem Gesuch des UNO-Tribunals statt gegeben, das Taylor der Kriegsverbrechen bezichtigt.

Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat am Montag verschiedene Banken in Genf und Zürich angewiesen, Konten des liberianischen Regierungschefs Charles Taylor vorsorglich zu sperren.

Rechtshilfegesuch von der UNO

Am Donnerstag letzter Woche war das UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal für Sierra Leone mit einem entsprechenden Rechtshilfegesuch an die Schweiz gelangt, teilte das BJ mit.

David Crane, Ankläger des Kriegsverbrecher-Gerichts für Sierra Leone, begrüsste den Schritt der Schweiz. “Die Schweizer Kooperation wird mithelfen, Taylors Finanzströme zu entschlüsseln und die Profite aus seinen kriminellen Aktivitäten aufzulisten.”

Das Gesuch betrifft auch die Angehörigen Taylors, Vertreter seines Regimes sowie verschiedene Geschäftsleute und Firmen.

Blutdiamanten für Schweizer Konten

Das Tribunal klagte Taylor Anfang Monat wegen Kriegsverbrechen an. Der UNO-Sicherheitsrat hat kürzlich die bestehenden Sanktionen gegen Liberia um ein Jahr verlängert. Auch die Schweiz befolgt die Sanktionen.

Präsident Taylor soll laut dem Tribunal während des Bürgerkriegs im liberianischen Nachbarland Sierra Leone von 1996 bis 2001 zwei Rebellengruppen finanziell und militärisch unterstützt haben.

Als Gegenleistung soll er Rohdiamanten erhalten haben, deren Erlös unter anderem in die Schweiz geflossen sein soll.

2,3 liberianische Milliarden in der Schweiz

Gemäss jüngsten Angaben der Schweizerischen Nationalbank lagen Ende letzten Jahres liberianische Guthaben in der Höhe von 2,372 Mrd. Franken auf Schweizer Banken.

“Diese Zahlen sind nicht neu”, sagt Tanya Kocher, Sprecherin der Schweizerischen Bankenkommission (EBK), gegenüber swissinfo. “Es gibt kein Finanz-Embargo gegen Liberia, also ist es kein Problem, in der Schweiz ein Konto zu eröffnen.” Die EBK überwacht im Auftrag des Bundesrates weite Bereiche des Schweizer Finanzsektors.

“Natürlich muss jede Bank, die liberianisches Geld annimmt, überprüfen, woher es kommt und wer der Begünstigte ist”, gibt Kocher zu bedenken. “Die Anschuldigungen werden ernst genommen und überprüft.”

Londoner NGO erhebt schwere Vorwürfe

Schwere Vorwürfe erhebt in diesem Zusammenhang die britische Nichtregierungs-Organisation Global Witness und spricht von einer “Schweizer Vernebelung”.

“Präsident Taylor hat vor einigen Monaten zugegeben, Gewinne aus Holzlizenzen für Waffenkäufe zu verwenden. Viel von diesem Lizenzen-Geld geht auf verschiedene Konten. Eines davon in der Schweiz”, sagt Alice Blondel, Sprecherin von Global Witness gegenüber swissinfo.

Die Gelder aus den Lizenzen sollen via Schweizer Konten nach Burkina Faso verschoben worden sein. Die liberianische Senatorin und Präsidenten-Beraterin Grace Minor soll 1993 in Zürich ein Konto für Taylor eröffnet haben, schreibt die NGO.

Global Witness hat gemäss einem Bericht des “Tages Anzeigers” die Schweizer Bankenkommission aufgefordert, alle Bankkonten mit Verbindungen zu Liberia zu untersuchen. Vor allem sollen Konten von Personen untersucht werden, die von den UNO-Sanktionen mit Reiseverboten belegt wurden. Dazu gehört auch Präsidenten-Beraterin Minor.

swissinfo

Gelder afrikanischer Staatschefs auf Schweizer Bankkonten sorgen nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen.

Nach einem Rechtshilfegesuch Nigerias im Herbst 1999 wurden auf Bankkonten in der Schweiz zeitweise rund 670 Mio. Dollar gesperrt. Sie sollen dem verstorbenen Ex-Diktator Sani Abacha gehört haben.

Nach einer umfassenden Untersuchung der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) gegen 19 Banken waren 6 Institute, darunter 3 der Credit Suisse Group, scharf gerügt worden. Im Juli 2002 rügte die EBK auch die Grossbank UBS wegen mangelnder Sorgfaltspflicht bei der Annahme von rund 60 Mio. Dollar aus dem Abacha-Umfeld.

Das Geld konnte bisher noch nicht an Nigeria zurück gegeben werden.

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