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Schweiz für formelle Unabhängigkeit Kosovos

Micheline Calmy-Rey und Kosovo-Präsident Ibrahim Rugova in Pristina. Keystone

Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat nach einer Reise in den Kosovo ihre Unabhängigkeits-Forderung wiederholt.

Die Situation im UNO-Protektorat sei unbefriedigend. Sie warnte auch vor zu hohen Erwartungen.

Bundesrätin Micheline Calmy-Rey beendet heute Dienstag ihre offizielle Reise in den Kosovo. Die Aussenministerin hat ihre Forderung nach einer formellen Unabhängigkeit der abtrünnigen serbischen Provinz wiederholt.

Rund 200’000 Personen aus Kosovo – ein Zehntel aller Kosovaren – leben in der Schweiz, was die Region laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wichtig für die Schweiz macht.

Calmy-Rey: “Formelle Unabhängigkeit”

Nach einem Treffen mit Präsident Ibrahim Rugova am Montag in Pristina bezeichnete die Aussenministerin die Situation in der serbischen Provinz als unbefriedigend. Calmy-Rey zeigte sich überzeugt, dass eine Rückkehr Kosovos unter serbische Kontrolle weder wünschenswert noch realistisch sei.

Calmy-Rey sprach sich dafür aus, Kosovo in enger Begleitung durch die internationale Staatenwelt in eine “formelle Unabhängigkeit” zurückzuführen. Welche Staatsform damit gemeint ist, liess die Aussenministerin offen. Die Statusfrage müsse mit allen involvierten Parteien ausgehandelt werden, namentlich Serbien-Montenegro, der UNO und der EU. Es dürfe keiner Seite eine Lösung aufgezwungen werden.

Die in der Region lebenden Minderheiten müssten auch im Fall einer endgültigen Loslösung von Serbien den gleichen Zugang zu öffentlichen Infrastrukturen und sozialen Angeboten erhalten wie die Mehrheit der Bevölkerung.

Pristina wittert Unabhängigkeit

Der Vorstoss Berns wurde in der Hauptstadt der Provinz sehr positiv aufgenommen. Die Schweiz habe einen Schritt gemacht, dem andere Staaten folgen würden, sagte Kosovo-Regierungschef Bajram Kosumi am Montag nach dem Treffen mit der Bundesrätin. Kosovo werde 2006 ein demokratischer europäischer Staat sein.

Beim Besuch im Juni in Belgrad hatte die serbische Führung gegenüber Calmy-Rey dezidiert erklärt, gegen eine Loslösung des Kosovo zu sein. Belgrad reagiert sehr empfindlich auf Forderungen nach Unabhängigkeit.

In der serbischen Mythologie – die unter Ex-Präsident Slobodan Milosevic ein nationalistisches Comeback feierte – liegt die Wiege der serbischen Nation in Kosovo.

In Serbien habe die Schweiz beruhigen und in Kosovo die hohen Erwartungen dämpfen müssen, umriss Calmy-Reys diplomatischer Berater Roberto Balzaretti die heikle Mission. Diese wurde von den lokalen Medien aufmerksam verfolgt.

Serbische Minderheit auf dem Rückzug

Kosovo – auf Albanisch Kosova – steht seit der NATO-Intervention im Sommer 1999 unter UNO-Verwaltung. Formell gehört die Provinz immer noch zu Serbien. Seit sich Belgrad unter militärischem Druck zurückziehen musste, hat Serbien faktisch aber nichts mehr zu sagen.

Die serbische Minderheit lebt weitgehend in Enklaven und muss durch internationale Truppen vor Übergriffen albanischer Nationalisten geschützt werden. Die Status-Verhandlungen wurden immer wieder verschoben. Stattdessen wurde die Umsetzung demokratischer Standards gefordert.

Aussenministerin besucht Roma

Während ihres viertägigen Besuchs in Kosovo verschaffte sich die Aussenministerin auch einen Überblick über die humanitäre Lage. Sie besuchte dazu ein Lager von vertriebenen Roma und sprach in Pristina mit Familien, die einst als Flüchtlinge in der Schweiz gelebt hatten.

Zudem fanden weitere Diskussionen mit Vertretern der in Kosovo tätigen internationalen Organisationen statt. Den Schweizer Nationalfeiertag feierte die Aussenministerin mit Soldaten der in Suva Reka stationierten Swisscoy.

Dieser Schweizer Beitrag zur NATO-Truppe in Kosovo (KFOR) war das erste bewaffnete Ausland-Kontingent der Schweiz. Die rund 220 Freiwilligen sind den österreichischen Truppen angegliedert und tun im Süden der Provinz Dienst. Insgesamt sind Truppen aus 36 Nationen in Kosovo.

swissinfo und Agenturen

Das NATO-Bombardement beendete im Sommer 1999 die Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus der südserbischen Provinz Kosovo.

Seither steht die Provinz unter UNO-Verwaltung, demokratische Standards sind im Entstehen.

Die Statusfrage wurde bisher ausgeklammert: Pristina fordert die Unabhängigkeit, laut Belgrad soll die Provinz Teil Serbiens bleiben.

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