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Siegen, im Team mit Wirtschaft und Politik

Jörg Schild, früher Handball-Internationaler, heute oberster Sportler. Keystone

Die Schweiz braucht sportliche Grossanlässe: Dies sagt Jörg Schild, neuer Präsident von Swiss Olympic. Er will deshalb mehr bei Politik und Wirtschaft lobbyieren.

Innerhalb seines Dachverbandes, der 82 Mitglieder zählt, strebt Schild eine Konzentration der Mittel an, wie er im swissinfo-Interview sagt.

swissinfo: Sie waren früher Spitzenhandballer. Welchen Bezug zum Sport haben Sie heute?

Jörg Schild: Ich bin leidenschaftlicher Anhänger des FC Basel und der Fussball-Nationalmannschaft, fahre gerne Ski und spiele Golf. Joggen liegt momentan nicht drin, weil ich als Spätfolgen des Handballs, das damals teils auf Betonböden gespielt wurde, drei künstliche Gelenke habe.

swissinfo: Olympische Winterspiele stehen vor der Tür, in Turin statt Sitten. Zwei weitere Schweizer Kandidaturen, von Bern und Zürich, sind beide kläglich gescheitert. Ist das Thema für die Schweiz gelaufen?

J.S.: Nein, darf es nicht. Aber die Versuche nach Sion waren teilweise stümperhaft. Wenn wir solche Grossanlässe wieder in die Schweiz holen wollen, darf die Akzeptanz nicht nur bei einem regionalen Komitee liegen, sondern muss schweizweit vorhanden sein, und gerade auch bei Politik und Wirtschaft.

swissinfo: Die Bedeutung von sportlichen Grossanlässen wird bisweilen unterschätzt. Wie wollen Sie dies beheben?

J.S.: Man jubelt mit, wenn die Fussball-Nationalmannschaft Erfolg hat. Man ist auch stolz auf einzelne Grossanlässe wie Lauberhornrennen, Swiss Indoors oder das Letzigrund-Meeting.

Doch wollen wir solche Anlässe in der Schweiz behalten, braucht es den Rückhalt des Sportes in der Gesellschaft und der Politik. Der ist mir aber noch zu wenig vorhanden. Als koordinierender Leader des Schweizer Sports ist es meine Aufgabe, einerseits den Sport noch besser zu verkaufen, andererseits ein vermehrtes Lobbying zu betreiben.

swissinfo: Die vier Ausrichter-Städte und -Kantone der Euro 2008 wollen die gestiegenen Kosten für die Sicherheit nicht mittragen. Wie wollen Sie Überzeugungs-Arbeit leisten?

J.S.: Klar war ungeschickt, wie Budgetposten quasi über Nacht in die Höhe geschnellt sind. Aber die Probleme kann man intern ausdiskutieren, wie in Österreich. Bei uns gibt jeder seinen Senf dazu, und das wirft ein betrübliches Licht auf die Sportlandschaft Schweiz.

swissinfo: Der Spott der Nachbarländer über dieses Gezänke ist einer guten Atmosphäre, in der professionell gearbeitet wird, auch nicht unbedingt förderlich.

J.S.: Nein, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Manchmal habe ich das Gefühl, es gehe uns zu gut, wir jammern auf einem recht hohen Niveau. Bei uns ist das Glas sehr oft halb leer statt halb voll.

swissinfo: Swiss Olympic und das Bundesamt für Sport sind die Top-Player im Schweizer Sport. Wie muss das Verhältnis aussehen, damit ein schlagkräftiges Duo entsteht?

J.S.: Nicht jeder soll alles machen. Die Aufgaben müssen klar getrennt, Doppelspurigkeiten vermieden werden.

Ich sehe aber nicht nur ein Duo. Der Schweizer Sport der Zukunft steht auf vier Beinen: Bund, Swiss Olympic, Politik und Wirtschaft. Ohne die beiden haben wir keine Chance.

swissinfo: In der Politik sind Sie sehr gut vernetzt. Wie sehen Ihre Kontakte zur Wirtschaft aus?

J.S.: Ich habe knapp 14 Jahre lang in der Exekutive der Wirtschaftsregion Basel gearbeitet. Und als Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren bin ich nicht nur im Justizdepartement, sondern auch im Parlament praktisch ein- und ausgegangen. Da sind auch gute Beziehungen zur Wirtschaft entstanden.

swissinfo: Es gibt Exponenten, die das Fördermodell im Schweizer Sport umkrempeln wollen, weg vom Giesskannenprinzip zur Konzentration auf wenige, dafür medaillenträchtige Sportarten. Ist das der Weg zum Erfolg?

J.S.: Ich bin total gegen das Giesskannenprinzip. Wie das neue Modell aussehen soll, werde ich im Gespräch mit den Verbänden ausloten. Dort gehen die Vorstellungen zum Teil diametral auseinander. Wir haben den Fussball-Verband, den Eishockey-, den Skiverband bis hin zu den Wanderwegen und den Pfadfindern. Da bestehen verschiedene Ansprüche.

swissinfo: Ist angesichts dieser Bandbreite überhaupt eine Konzentration der Kräfte und Mittel möglich?

J.S.: Ich habe in der Politik gelernt, dass es ein Fehler ist, wenn man es allen recht machen will. Ich bin optimistisch, dass wir einen Weg finden. Aber das geht nur zusammen, nicht auf dem Verordnungsweg von oben.

swissinfo: Zum Problem des Hooliganismus. Sollen die soeben verabschiedeten Anti-Hooligan-Gesetze über die Euro 2008 hinaus gelten?

J.S.: Ich bedauere sehr, dass wegen einer kleinen Minderheit solche Gesetze nötig sind. Aber sie sind es, auch um die Glaubwürdigkeit des Sportes zu wahren. Es wäre mir am liebsten, wenn man die Gültigkeit festsetzen würde bis nach der Euro 2008. Danach gilt es, Bilanz zu ziehen. Falls nötig, kann man dann das Gesetz mit Verbesserungen immer noch definitiv in Kraft setzen.

swissinfo: Die Fussball-Europameisterschaft ist der drittgrösste Sportanlass der Welt. Was kann die Euro 2008 in der Schweiz auslösen?

J.S.: Einerseits die Begeisterung für den Sport, hervorgerufen durch gute Resultate der eigenen Mannschaft. Aber auch ein gesteigertes Selbstwertgefühl.

Es zeigt sich auch immer wieder, dass Grossanlässe den Gastgeberländern einen Mehrwert bringen: Für die Kleinen und mittleren Unternehmen, den Tourismus, die Gaststätten, die Einkaufsläden. Dadurch wird die Wirtschaft angekurbelt.

Wir müssen überlegen, wer vom Sport profitiert statt immer zu Jammern, was es kostet. Dann darf man auch eine Gegenleistung erwarten.

swissinfo-Interview, Renat Künzi

Jörg Schild ist seit dem 1. Januar 2006 neuer Präsident von Swiss Olympic (SO).
Der freisinnig-liberale Politiker amtiert noch bis Ende März 2006 als Polizeidirektor des Kantons Basel-Stadt.
Als Aktiver hatte Schild zu den besten Handballspielern des Landes gezählt; von von 1967 bis 1973 war er Mitglied der Nationalmannschaft.
SO ist der Dachverband des Schweizer Sports.
Ihm sind 82 Verbände mit 27’000 Vereine angeschlossen.
Diese repräsentieren 3,2 Mio. Menschen in der Schweiz.

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