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UNO bittet erneut um Hilfe für die Flutopfer

Walter Kälin, Berner Menschenrechts-Spezialist im Dienst der Schutzlosen in aller Welt. Keystone Archive

Der Schweizer UNO-Sonderbeauftragte Walter Kälin appelliert an die Regierungen der Welt, die Hilfe für die Flutopfer zu erhöhen.

Kälin befürchtet im swissinfo-Interview, dass die Hilfe in der indonesischen Provinz Aceh durch den Bürgerkrieg behindert wird.

swissinfo: Es hat zahlreiche Aufrufe der UNO gegeben, den Betroffenen der Flugkatastrophe zu helfen. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?

Walter Kälin: Wenn ich die Reaktionen anschaue, dann zeigt sich, dass es Länder gibt, die gut auf Katastrophen wie diese vorbereitet sind, andere sind es weniger. In Indien hatten die Behörden sofort einen Notplan bereit, damit Armee- und Sicherheitskräfte Hilfe leisten.

In andern Ländern, wie den Malediven, scheint die Regierung an ihre Grenzen zu stossen, so dass es Schwierigkeiten gibt, wirklich systematisch zu helfen.

Und wenn ich die Geberländer anschaue, dann ist viel Hilfe angekündigt worden, die auch kommen wird. Bei der UNO ist Hilfskoordinator Jan Egeland diesbezüglich sehr aktiv.

Die Vereinten Nationen haben Teams in die Katastrophengebiete entsandt, welche über die Lage berichten werden.

swissinfo: Die UNO sagt, es seien “beispiellose Bemühungen” im Gang, um den Betroffenen zu helfen. Wo liegt denn diesmal der Unterschied, verglichen mit den Hilfeleistungen bei andern Katastrophen?

W.K.: Ich bin an den Beschlüssen für die Hilfe bei Naturkatastrophen nicht beteiligt. Doch denke ich, dass sonst von einem, zwei oder drei Ländern gesprochen wird. Nun haben wir es mit einem ganzen Gebiet zu tun.

Die grosse Herausforderung für die UNO wird sein, die Hilfe effizient zu leisten.

Zum andern gilt es, die Lehren zu ziehen, damit solche Katastrophen in Zukunft noch besser bewältigt werden können. Ich sehe keinen Anlass, den Finger auf diesen Punkt zu legen. Aber es ist Sache der Regierungen, im Rahmen der fundamentalen Menschenrechte für die Sicherheit der eigenen Bevölkerung zu sorgen. Die internationale Gemeinschaft hat die Aufgabe, dabei behilflich zu sein.

swissinfo: Sie sind besorgt über die Lage in der indonesischen Provinz Aceh, eines der am meisten betroffenen Gebiete. Der Bürgerkrieg dort könnte die Hilfsanstrengungen behindern. Die Lage in Sri Lanka ist ähnlich.

W.K.: In Aceh stehen wir vor dem Problem, dass die indonesische Regierung bislang den Zugang zu den im Lande durch den Bürgerkrieg Vertriebenen stark erschwerte.

Zu hoffen ist, dass die politischen Probleme diesmal die humanitäre Hilfe nicht verhindern.

Sri Lanka ist diesbezüglich viel offener für Unterstützung. Bereits am Montag hat Colombo um internationale Hilfe ersucht.

Hunderttausende von Leuten waren schon vor der Flutwelle durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg vertrieben worden. Viele von ihnen sind nun noch zusätzlich durch die Flut in Mitleidenschaft gezogen worden.

swissinfo: Besteht nicht die Gefahr, sollten die Medien nicht mehr aus diesen Gebieten berichten, dass die Politiker und auch die Öffentlichkeit im Westen das Interesse an der Lage der betroffenen Menschen verlieren?

W.K.: Es ist eben wichtig, nicht zu vergessen und zu schauen, dass das Interesse nicht verloren geht. Meine Erfahrungen zeigen, dass bei Naturkatastrophen immer eine grosse Anzahl Leute ihr Zuhause verlieren. Etliche können sofort nach Hause zurückkehren, andere wiederum können das nicht. Sei es, weil die Infrastruktur fehlt oder weil es keine Wiederaufbauhilfe gibt.

Ich befürchte, dass Leute, welche nicht relativ schnell zurückkehren können, nicht nur für eine lange Zeit vertrieben sein werden, sondern gar vergessen gehen.

Hier kann die UNO aktiv sein. Über die Situation informieren, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aufrecht erhalten, dass Betroffene Hilfe und Unterstützung benötigen. Ich werde versuchen, genau das zu tun.

swissinfo-Interview: Jonas Hughes

Der 51-jährige Walter Kälin, Rechtsprofessor an der Universität Bern, wurde 2000 in den Menschenrechts-Ausschuss der UNO gewählt.

2004 wurde Kälin zum Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs für die Rechte von intern Vertriebenen.

Seit 2003 ist Kälin auch Mitglied des UNO-Menschenrechtskomitees.

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