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Malaria: Die Plage Afrikas

Ein Fischer schützt sich im Kilombero-Tal mit einem Moskitonetz gegen Mückenstiche. (Bild: STI) Ein Fischer schützt sich im Kilombero-Tal mit einem Moskitonetz gegen Mückenstiche. (Bild: STI)

In der Zeit, die Sie zum Lesen dieses Artikel brauchen, sterben sechs Kinder in Afrika südlich der Sahara an Malaria.

swissinfo besuchte ein Spital in Ifakara, Tansania.

Die vierjährige Chelsea liegt bewusstlos in der Intensivstation des St. Francis Hospital in Ifakara, Tansania.

Vor einer Woche wurde sie in ihrem 90 km entfernten Dorf krank, bekam Fieber, und bald folgten die für die Zerebralmalaria typischen Krämpfe.

Nach den Phasen des Schüttelfrostes, des Erbrechens und der Schweissausbrüche holte ihre Mutter im Dispensarium des Dorfes Medikamente und kam dann mit dem Mädchen zur Diagnose in die lokale Klinik.

Auf Anraten der Ärzte brachte sie das Kind ins Bezirksspital, wo der Chefarzt, Pascience Kibatala, es untersuchte.

“Ihre Reaktionen waren sehr schwach, aber es gibt Hoffnung”, erklärt er. “Sie kann den rechten Arm bewegen, und wie die Mutter sagt, geht es ihr etwas besser als bei der Einlieferung. Die Temperatur zeigt 38,7 Grad. Würde sie bei 40 liegen, wäre dies ein schlechtes Zeichen.”

Nicht alle haben so viel Glück. Im Nebenbett liegt die vierjährige Lucrezia aus dem Nachbarbezirk Ulanga seit fast einem Monat im Koma, ebenfalls ausgelöst von Zerebralmalaria.

“Sehen Sie sich dieses Kind an, seine Hände und Finger haben sich bereits klauenartig zusammengezogen”, sagt Kibatala. “Das bedeutet, dass das Gehirn bereits geschädigt ist. Ihre Beine bewegen sich nicht richtig. Ihre Prognose ist nicht gut.”

Regelmässige Anfälle

Es hat 30 Betten in der Kinderabteilung. Wenn die Anzahl Fälle explodiert, teilen sich die Kinder zu zweit und zu dritt ein Bett. Bei meinem Besuch liegen 52 Kinder hier.

In der Abteilung für gravierende Malaria pflegen Mütter ihre weinenden, vom Fieber erhitzten und schwachen Kleinkinder, die an der Chinininfusion hängen.

Viele der kleinen Patientinnen und Patienten in dieser Abteilung werden sterben, da ihr Zustand oft von Lungenentzündung, Infektionen der Atemwege oder Mangelernährung erschwert wird.

Mehr als eine Million Menschen sterben pro Jahr

Laut der Weltgesundheits-Organisation (WHO) gibt es weltweit über 300 Millionen Malariafälle und jährlich mindestens eine Million Todesfälle, die auf Malaria zurückgehen.

Mit 90 Prozent trägt das Afrika südlich der Sahara die Hauptlast davon, und in Ländern wie Tansania ist Malaria hauptsächlich verantwortlich für Krankheit und Tod.

Sie ist für 40 Prozent der öffentlichen Gesundheitsausgaben, 30 – 50 Prozent der stationären Aufnahmen und bis gegen 50 Prozent der ambulanten Behandlungen in endemischen Gebieten verantwortlich.

Kleine Kinder und schwangere Frauen leiden besonders unter der Krankheit oder sterben daran.Malaria führt auch bei anderen Kinderkrankheiten oft zum Tod, weil sie den allgemeinen Immunitätsschutz angreift. Allerdings haben auch sonst infizierte Menschen jeden Alters ihr Leben lang regelmässige Anfälle.

Geissel der Menschen

“In allen Statistiken nimmt Malaria im Gesundheitswesen eine beherrschende Stellung ein”, erklärt der kanadische Epidemiologe Don de Savigny, der gegenwärtig am Schweizerischen Tropeninstitut (STI) in Basel arbeitet.

“Ob bei den ambulanten und stationären Patientinnen und Patienten, beim Medikamentenkonsum oder bei den Folgen von Krankheit und Tod, immer ist Malaria die Nummer eins.”

Nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung ist beeinträchtigt, sondern auch die Volkswirtschaft des Landes.

Malaria beeinträchtigt auch den Alltag der Familien in schwerwiegender Weise, da sie Geld für Prävention und Behandlung brauchen, Arbeitstage verloren gehen und die Kinder die Schule nicht besuchen können.

“Sie ist als Krankheit eine Last. Sie ist eine wirtschaftliche Last. Wegen ihr sinkt die Produktivität des Landes”, erklärt Dr. Ali Mzige, der Direktor der Präventivdienste im tansanischen Gesundheitsministerium.

Man schätzt, dass die Krankheit Afrika jedes Jahr 12 Milliarden Dollar kostet, und dass sie das Wirtschaftswachstum in den afrikanischen Ländern um 1,3 Prozent jährlich verlangsamt.

Die schlimmste Krankheit

Es gibt mehrere Gründe, warum Malaria vor allem in Afrika so häufig vorkommt.

Es gibt vier Hauptarten von Malaria, und alle werden durch Mücken übertragen. Und die tödlichste Form des Parasiten, das Plasmodium falciparum, sowie die Mücken, welche sie am stärksten übertragen, die Anopheles gambiae, überwiegen hier.

Und dank der hohen Temperatur und Luftfeuchtigkeit lebt jede einzelne Mücke lange genug, damit sich der Parasit in ihr zu einer ansteckenden Form entwickeln und damit auf ein anderes Opfer übertragen werden kann.

“Deshalb ist Malaria ein solch übermächtiges Problem in Afrika”, erläutert STI-Direktor Marcel Tanner. “Afrika bietet nicht nur die besten klimatischen Bedingungen, sondern hat auch die besten Krankheitsträger.”

“Mückenfabrik”

Ifakara liegt in der Ebene des Kilomberoflusses, 320 Kilometer südlich von Dar es Salaam. In der Regenzeit, die im März beginnt, bietet die Ebene ideale Brutbedingungen für die Anopheles gambiae.

In vielen Dörfern sind die Leute jedes Jahr Hunderten von Mücken ausgesetzt, die mit Malaria infiziert sind. “Es ist die reinste Mückenfabrik”, meint STI-Forscher Gerry Killeen. “Das Kilomberotal weist eine der höchsten Übertragungsraten der Welt auf.”

“Bis ein Kind fünfjährig ist, ist es der Malaria so stark ausgesetzt und hat so viele Malariaanfälle, dass es entweder einen lebenslangen Immunitätsschutz entwickelt hat oder aber daran stirbt.”

swissinfo, Vincent Landon, zurück aus Tansania

Ifakara im Südosten Tansanias ist seit über 80 Jahren mit der Schweiz verbunden.
Der Schweizer Kapuzinerorden eröffnete 1922 eine Missionsstation.
Mitglieder des Schweizerischen Tropeninstituts besuchten die Stadt erstmals 1949.
1957 wurde das erste Feldlabor des Instituts eröffnet.
1991 wurde es zu einer tansanischen Einrichtung, dem Ifakara Centre.
Die Stiftung für nachhaltige Entwicklung von Novartis ist hier noch immer aktiv.

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