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Massnahmen-Palette gegen gefährliche Hunde

Pitbulls sollen verboten werden, verlangt eine Parlaments-Kommission. Keystone

Mit einem Verfassungsartikel und dem Verbot von gefährlichen Hunden will eine Nationalratskommission schwere Unfälle mit Hunden künftig verhindern.

Damit der Bund beim Schutz des Menschen vor gefährlichen Hunden überhaupt aktiv werden kann, braucht es eine Verfassungsänderung, denn heute ist dies Sache der Kantone.

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats möchte dafür sorgen, dass Spaziergängerinnen und Spaziergänger Hunden ohne Angst begegnen können.

Der WBK-Entwurf geht nun für drei Monate in die Vernehmlassung. Volk und Stände müssen zu den Massnahmen gegen gefährliche Hunde Stellung nehmen. Denn Voraussetzung für ein Eingreifen des Bundes ist eine Verfassungsänderung.

Der Bund soll die Kompetenz erhalten, Vorschriften zum Schutz des Menschen vor Verletzungen durch von Menschen gehaltene Tiere zu erlassen, sagte die christlichdemokratische Präsidentin Kathy Riklin am Freitag.

Keine Rassenliste

Die WBK erwarte vom Bundesrat keine Liste verbotener Rassen, sondern einen Kriterienkatalog, wie Hunde als harmlos, allenfalls gefährlich oder ganz gefährlich klassifiziert werden können.

Dabei soll der Bundesrat den Rassetyp, die Körpergrösse und das Gewicht des Hundes in erwachsenem Zustand berücksichtigen.

Auf jeden Fall verboten würden Pitbull-Kampfhunde und Pitbullartige, hiess es. Bei Rottweilern oder Deutschen Schäfern müsse der Tierarzt die Unbedenklichkeit bescheinigen.

Die Kommission hält fest, dass Angriffe von Kampfhunden auf Menschen nur einen geringen Prozentsatz der registrierten Hundebisse ausmachen. Der grösste Teil der Beissunfälle sei Hunden anderer Rasse zuzuschreiben. Ein ausschliessliches Verbot bestimmter Kampfhunderassen würde deshalb zu kurz greifen.

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Vernehmlassung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Vernehmlassung oder das Vernehmlassungsverfahren ist die Konsultation von betroffenen und interessierten Kreisen (auch Mitwirkungsverfahren). Sie ist eine wichtige Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren. Bei der Vorbereitung wichtiger Gesetze und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen werden die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen.

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Leinenzwang und Freiräume

Das Halten möglicherweise gefährlicher Hunde braucht eine kantonale Bewilligung. Die Gesuch stellende Person muss einen Auszug aus dem Strafregister einreichen. Leuten, die zur Annahme Anlass geben, dass sie mit ihrem Hund Personen gefährden, wird die Hundehaltung untersagt.

Bei der Prävention von Beissunfällen kommt laut WBK der Hundeerziehung sowie der Verantwortung der Hundehalterinnen und -halter eine wichtige Rolle zu. Diese sollen neu gesetzlich verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass ihre Tiere nicht gefährlich werden.

Grundsätzlich gilt für alle Hunde in überbautem Gebiet sowie an öffentlich zugänglichen und stark frequentierten Orten wie Schulanlagen, Spiel- und Sportplätzen, Parkanlagen und Badeanstalten eine Leinenpflicht. Die Kantone können die Pflicht ausdehnen, aber auch Freiräume für Hundespaziergänge ausscheiden.

Amtlich abgesegnet

Zusätzlich zu den im Tierschutzgesetz bereits bestehenden Ausbildungsvorschriften werden Kurse zur Sozialisierung von Hunden (beispielsweise “Welpenkurse”) vorgeschrieben. Die bereits bestehende Meldepflicht von Bissverletzungen soll im Gesetz verankert werden.

Der neue Verfassungsartikel zum Schutz des Menschen vor Tieren beziehe sich nicht auf frei lebende Tiere wie Wölfe, Luchse oder Bären. Der Gesetzesentwurf der WBK sei von den Bundesämtern für Veterinärwesen (BVET) und Justiz (BJ) abgesegnet.

Geharnischte Reaktionen

Erste Reaktionen zeigen aber, dass der Weg dahin noch lang ist. “Ich bin enttäuscht”, sagte Peter Rub, Präsident der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG).

Zwar würde die SKG grundsätzlich eine nationale Lösung begrüssen. Dass bei der Kategorisierung der Hunde bereits jetzt einzelne Rassen genannt würden, sei aber der falsche Weg. Einen zu strengen Leinenzwang lehne die SKG ebenfalls ab.

Auch die Stiftung für das Tier im Recht spricht von einer verunglückten Vorlage. Die vorgeschlagenen Massnahmen gingen weitgehend auf Kosten aller 500’000 in der Schweiz lebenden Hunde.

Beim Schweizer Tierschutz gibt man zu bedenken, mit einem solchen Gesetz würden zahlreiche Hunde in ein Tierheim abgeschoben. Auch das Problem des Hundehandels würde nicht gelöst.

swissinfo und Agenturen

Die tödliche Pitbull-Attacke auf einen Buben im zürcherischen Oberglatt im Dezember 2005 hat in der Schweiz die Debatte um gefährliche Hunde neu lanciert.

Nach diesem tragischen Unfall hat das Parlament die Problematik diskutiert und eine Motion verabschiedet, die nationale Massnahmen forderte.

Im Moment hat die Schweiz kein nationales Reglement betreffend gefährliche Hunde. Jeder Kanton ist für sein Gebiet selber zuständig.

Der Bundesrat wird sich ebenfalls dazu äussern können, wenn die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats in rund 7 bis 8 Monaten das definitive Projekt vorstellen wird.

Bevor die Massnahmen aber in Kraft treten, werden sich Volk und Stände dazu äussern müssen. Eine Verfassungsänderung, wie es sie in diesem Fall braucht, kommt immer zur Abstimmung.

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