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Mehr denn je im Dienste der Fünften Schweiz

Jacques-Simon Eggly: Seit bald 30 Jahren in der Politik. Keystone Archive

Jacques-Simon Eggly, dienstältester Nationalrat, wird zu den Parlamentswahlen im Herbst 2007 nicht mehr antreten.

Der Genfer ist neben seiner parlamentarischen Tätigkeit auch Vizepräsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Gegenüber swissinfo bestätigt er, er werde von diesem Posten nicht zurücktreten, ganz im Gegenteil.

2007 ist der Genfer Liberale seit 24 Jahren im Parlament. Es wird sein letztes Jahr unter der Bundeshauskuppel sein. Bisher hat er 30 Jahre seines Lebens der Politik gewidmet.

Der Europabefürworter ist auch Vizepräsident der ASO und will sein Engagement für die Fünfte Schweiz noch verstärken.

swissinfo: Mit welchem Gefühl werden Sie das Parlament verlassen?

Jacques-Simon Eggly: Vielleicht denken Sie, ich hätte meinen Rücktritt etwas früh angekündigt, ein Jahr im voraus. Aber da die Vorbereitung der Kampagne für die Wahlen im Herbst 2007 bereits begonnen hat, habe ich beschlossen, meine Partei zu informieren, um klare Verhältnisse zu schaffen.

Diese 30 Jahre in der Politik haben mir ausserordentlich viel Freude gemacht. Ich hatte auch das Glück, dass ich meine Wünsche mit meinem Gewissen vereinbaren und eine Aktivität verfolgen konnte, die von allgemeinem Interesse war. Ich habe das Gefühl, eine sinnvolle Aufgabe erfüllt zu haben.

swissinfo: Welche Bilanz ziehen Sie?

J.-S. E.: Im Gegensatz zu anderen habe ich keine Gesetzesvorschläge oder Vorlagen eingebracht. Mir liegen Worte näher als Dossiers. So habe ich mich an sehr heissen Debatten beteiligt, zum Beispiel, als es um die Beziehungen der Schweiz zur EU ging (Erfolge und Misserfolge der Bilateralen), oder auch im zunächst verlorenen, später aber gewonnenen Kampf um den UNO-Beitritt.

Ich war mehrmals Berichterstatter, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Armeereform 21 und verschiedenen Sicherheitsangelegenheiten.

Ich habe mich für die Änderung des Strafrechts bei der Verwahrung von Sexualstraftätern engagiert, ebenso bei der – endlich erfolgreichen – Revision des Abtreibungsgesetzes.

swissinfo: Woher kommt Ihr Interesse für die Fünfte Schweiz?

J.-S. E.: Es ist eine Art Tradition: Bereits mehrere Mitglieder der Liberalen Partei haben die ASO präsidiert, zum Beispiel Olivier Reverdin und Louis Guisan. Andererseits scheint mir, dass eine gute Präsenz der Romandie in der ASO unabdingbar ist.

So wurde ich Vizepräsident. Ich kann Ihnen versichern, dass ich zwar von meinem Parlamentsamt zurücktrete, mich aber in Zukunft stärker für die ASO einsetzen werde.

Es scheint mir wichtig, etwas für die Anerkennung der Rolle der Auslandschweizerinnen und -schweizer und für deren politischen Rechte zu tun. Umso mehr, als heute über 100’000 von ihnen in den Stimmregistern eingetragen sind, womit sie nun auch die Möglichkeit haben, eine Volksinitiative zu lancieren.

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Fünfte Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Fünfte Schweiz bezeichnet die Gesamtheit der Schweizer Gemeinden im Ausland. Der Begriff Fünfte Schweiz nimmt Bezug auf die vier sprachregionalen Gemeinden der Schweiz (deutschsprachige, französischsprachige, italienischsprachige und romanischsprachige Schweiz). Etwa 700’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, der grösste Teil in Ländern der Europäischen Union. Ihre Interessen werden durch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.

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swissinfo: Welche starken Momente gab es 2006 für die Auslandschweizer?

J.-S. E.: 2006 wurden die bilateralen Abkommen verankert, die 2005 mit der Europäischen Union geschlossen wurden. Ich kann mir vorstellen, dass die neuen Beziehungen mit der EU für unsere Landsleute im Ausland sehr wichtig sind.

Im Sommer dachten wir mit Sorge an die Schweizer und Schweizerinnen im Libanon. Wir waren sehr froh, dass die Schweiz sie evakuieren konnte. Das war nicht einfach, denn es musste auf dem Seeweg geschehen, Land- und Luftwege waren geschlossen.

swissinfo: Haben sich unsere Landsleute im Ausland verändert?

J.-S. E.: Nicht besonders. Wir stellen allerdings mit einigem Erstaunen fest, dass sie sehr an unseren Traditionen hängen. Doch es wird immer mehr ein Kommen und Gehen, vermutlich wegen der wirtschaftlichen Entwicklung.

Viele sind in ihrem neuen Wohnsitzland weniger integriert, so dass man sie nicht so oft in den Schweizer Vereinen im Ausland oder in unserer Organisation sehen wird.

Ausserdem gehören die meisten, mit denen wir an unseren Anlässen zusammenkommen, der älteren Generation an. Alle wissen jedoch, dass wir uns für sie einsetzen. So setzen wir uns im Parlament für unsere Landsleute in Argentinien ein, die Opfer der wirtschaftlichen Krise wurden, für die Bürgerrechte usw.

swissinfo: …und auch für swissinfo…

J.-S. E.: Ja, es freut mich, dass wir swissinfo vor dem Untergang, wie ihn die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft geplant hatte, retten konnten, und vor allem, dass das Weiterbestehen definitiv ist.

swissinfo: Ist es vorstellbar, dass Schweizerinnen und Schweizer in Zukunft einmal in grossem Masse auswandern werden wie zum Beispiel vor hundert Jahren?

J.-S. E.: Zum Glück geht es der Schweizer Wirtschaft gut. Ich glaube deshalb, dass unsere Landsleute eher Stellen in Filialen im Ausland antreten werden. Da ist zum Beispiel die frühere Bundesrätin Ruth Metzler, die für Novartis nach Paris ging. Sie ist jetzt am Basler Hauptsitz des Pharmakonzerns, aber es ist vorstellbar, dass sie auch wieder ins Ausland ziehen wird.

Ich glaube deshalb nicht, dass Schweizer Arbeitslose auswandern, sondern vielmehr Leute, die zum Wachstum in ihrem Wohnsitzland und damit auch in der Schweiz beitragen.

Interview swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Ende 2005 lebten 634’216 Schweizer Staatsangehörige im Ausland. 71,2% von ihnen sind Doppelbürger.
105’212 sind im Stimmregister eingetragen und können somit ihre Bürgerrechte wahrnehmen.

Geboren: 1942 in Genf

Er hat einen Hochschulabschluss in Rechtswissenschaften, war Redaktor beim “Journal de Genève” und ist politischer Berichterstatter für die Tageszeitung “Le Temps”.

Von 1997 bis 2002 war er Präsident der Liberalen Partei der Schweiz (LPS).

1983 wurde er in den Nationalrat gewählt, zuvor war er von 1977 – 1983 im Genfer Grossen Rat.

Er ist Vizepräsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO) und Präsident der Schweizerischen Kampagne gegen Personenminen.

Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) wurde 1916 gegründet. Ihr gehören 750 Vereinigungen und Institutionen an.

Ihr oberstes Organ ist der Auslandschweizerrat (ASR), ein “Parlament” mit gut 160 Vertreterinnen und Vertretern von Institutionen (mindestens drei Fünftel aus dem Ausland), sowie Abgeordneten des öffentlichen Lebens der Schweiz.

Dem Vorstand der ASO gehören neben dem Präsidenten 8 Mitglieder an, die für 4 Jahre gewählt werden. Der Vorstand bereitet die Geschäfte der ASO vor und vertritt sie gegen aussen.

Das Auslandschweizersekretariat ist die Exekutive. Es beschäftigt 21 Mitarbeitende in Bern und gibt die “Schweizer Revue” heraus.

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