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Nazi-Raubkunst in Zürcher Banksafe beschlagnahmt

Der Impressionist Camille Pissarro, hier mit "Boulevard Monmartre, Printemps". Keystone

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat in einem Safe der Zürcher Kantonalbank mehr als 14 wertvolle Gemälde konfisziert, welche die Nazis gestohlen hatten.

Die Beschlagnahmung erfolgte auf Antrag von Ermittlern in Deutschland und Liechtenstein. Ausgelöst hatte die Untersuchungen ein erpresserischer Kunsthändler.

Den Fall ins Rollen gebracht hatte eine Enkelin des jüdischen Verlegers Samuel Fischer, dem Gründer des S. Fischer Verlages. Ein Kunsthändler hatte der Frau gegen “Finderlohn” die Rückgabe des Gemäldes “Le Quai Malaquais, Printemps” des französischen Impressionisten Camille Pissarro angeboten.

Das Werk war der Familie 1938 geraubt worden. Sein Marktwert soll heute rund fünf Mio. Euro betragen (8,3 Mio. Franken).

Das “Angebot” war wenige Monate vor dem Tod des Kunsträubers Bruno Lohse erfolgt, der im vergangenen März in München gestorben war. Lohse “beschaffte” zur Nazizeit in persönlicher Mission von Hermann Göring in ganz Europa Kunstwerke.

Stolzer “Finderlohn” verlangt

Doch die Enkelin Samuel Fischers griff nicht zu, vielmehr zeigte sie den Kunsthändler wegen Erpressung an, worauf die Münchner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleitete. Gegenüber den Münchner Behörden konnte der Kunsthändler nicht angeben, woher er das Bild habe.

Er habe 18% Finderlohn verlangt und erklärt, ein Finderlohn sei in solchen Fällen üblich. Den Vorwurf der Erpressung habe er bestritten, so die Münchner Staatsanwaltschaft.

Kleines Museum

Da eine Spur nach Zürich führte, baten die Münchner Ermittler die Zürcher Justiz um Rechtshilfe. Im gleichen Fall gingen in Zürich auch zwei Rechtshilfe-Ersuchen aus Liechtenstein ein, wie der Zürcher Staatsanwalt Ivo Hoppler Artikel im Schweizer Wirtschaftsmagazin Cash und in der Süddeutschen Zeitung bestätigte.

Hoppler überprüfte daraufhin Safe Nummer 5 in der Filiale Bahnhofstrasse der Zürcher Kantonalbank. Der Safe soll etwa die Grösse eines begehbaren Kleiderschranks aufweisen.

Gemäss der Süddeutschen Zeitung beschlagnahmte Hoppler mehr als vierzehn Gemälde, darunter Werke von Dürer, Monet, Renoir, Sisley, Corot, Kokoschka und van Kessel. Jedes einzelne habe einen Millionen-Wert.

Der Zürcher Staatsanwaltschaft hat diese Angaben bisher nicht bestätigt. Dagegen sagte Hoppler, es müsse jetzt abgeklärt werden, ob das gesuchte Bild “Le Quai Malaquais, Printemps” von Pissarro im Safe sei.

Gute Kooperation

Der Safe war von einer liechtensteinischen Anstalt bei der Zürcher Kantonalbank gemietet worden. Zutrittberechtigt war Bruno Lohse und der Kunsthändler, gegen den die Münchner Ermittlungen laufen.

Der Zürcher Staatsanwalt fügte an, da die Kooperation aller Beteiligten vorliege, könne er die Unterlagen vermutlich bereits Anfang nächster Woche nach München und Liechtenstein übermitteln. Es ist offen, ob die Ermittlungen danach ausgeweitet werden.

Schwierige Rückgaben

Nun muss zunächst überprüft werden, ob die Werke echt sind. Das ist bei Raubkunst so selbstverständlich nicht: Kunsträuber hatten Nazigrössen, unter anderem auch Hitler, damals diverse Fälschungen untergejubelt.

Sind die Zürcher Gemälde echt, beginnt die schwierige Arbeit der Rekonstruktion und Restitution: Wenn jemand meint, eines der Werke gehöre ihm, dann muss er sich an die Staatsanwaltschaft seines Heimatlandes wenden und dort seine Ansprüche beweisen. Danach kann ein Rechtshilfe-Ersuchen an die Schweiz gerichtet werden.

swissinfo und Agenturen

In Deutschland löste die Rückgabe eines geraubten Gemäldes vor einem Jahr grosse Diskussionen aus. Das Werk “Berliner Straßenszene” von Ernst Ludwig Kirchner wurde den Erben des rechtmässigen Eigentümers zurück gegeben. Dieser hatte es 1938 unter Druck der Nazis verkaufen müssen.

Nach 1933 brachten viele Juden ihre Kunstwerke in die Schweiz, um sie vor der Konfiszierung durch die Nazis zu retten. Zahlreiche Werke wurden auch verkauft. Die Frage, ob die Verkäufe freiwillig oder unter direktem Druck oder aus Not heraus erfolgt waren, ist heute nur sehr schwer zu beantworten.

Bisher haben sich 44 Staaten verpflichtet, geraubte Kulturgüter zu identifizieren. Dabei fasst Deutschland den Begriff der Raubkunst eher weit. Damit fallen auch Werke darunter, welche Juden in der Nazizeit verkaufen mussten, weil sie um das wirtschaftliche Überleben kämpften.

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