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Never ending Bob

Bob Dylan in einer Aufnahme vom 27. Februar 2002 in Los Angeles. Keystone Archive

Bob Dylan war in Zürich. Nuschelnd-näselnd sang und spielte er sich durch sein immenses Repertoire. Nach zweieinhalb Stunden verbeugte er sich und ging.

Mit Cowboy-Hut und schwarzem Mantel betrat der bald 61-Jährige die Bühne im bestuhlten Zürcher Hallenstadion. Begleitet wurde er von seiner souveränen Band – den Gitarristen Charlie Sexton und Larry Campbell, Bassist Tony Garnier und Drummer David Kemper.

Nuschelnd, näselnd, krächzend

Am Konzert am Sonntagabend präsentierte er einen Querschnitt durch sein Schaffen, das Country, Rock’n’Roll, Swing, Folk und Blues umfasst. Stupend ist Dylans Gitarrenspiel. Aber er nuschelte, näselte und krächzte, dass einem Angst und Bange wurde – wie eine “Nebelkrähe”, merkte ein Fan an.

Dylan erstaunt immer wieder, im Guten wie im Schlechten. Dylan-Kenner wissen: Das Wippen der Knie zeigte, dass er gut gelaunt war an diesem Abend. Die Country-Stücke zu Konzertbeginn erinnerten an den Wilden Westen – unter ihnen der süsslich mit Mandoline vorgetragene Klassiker “The Times They Are A-Changin'”.

Die 8000 Fans nahmen die ersten Songs mit zwar warmem, aber doch verhaltenem Applaus zur Kenntnis. Mit dem fünften Song “Solid Rock” gewann das Konzert an Tempo und Kraft: Das Publikum zeigte sich begeistert darüber, dass der Sound rockiger und bluesiger wurde.

Atmosphäre von grosser Intensität

Die Musiker kamen zunehmend zur Geltung, insbesondere das Gitarrenspiel beeindruckte durch Improvisation und Präzision. Dylan und Band gelang es vor allem bei akustischen Stücken, eine Atmosphäre von grosser Intensität zu schaffen. Längere Instrumental-Passagen erzeugten psychedelische Stimmungen, die entfernt an die einstige Kultgruppe Grateful Dead erinnerten.

Aus dem jüngsten, hochgelobten Album “Love And Theft” spielte Dylan lediglich drei Stücke, darunter das rockabilly-artige Stück “Summer Days”. Ansonsten lieferte das Quintett weitgehend Lieder aus den 60er Jahren ab.

Nach dem bluesigen Stück “Rainy Day Women” verabschiedete sich Dylan von der Bühne. Nach minutenlangem Klatschen und heftigem Stampfen im Publikum kehrte der grosse Meister für fünf Zugaben zurück. Darunter waren auch Klassiker, die bei einem richtigen Dylan-Konzert einfach nicht fehlen dürfen.

Neues aus altem Material

Dabei zeigte Dylan ein weiteres Mal, wie er aus altem Material Neues erschaffen kann. Die akustische Version von “Blowin’ In The Wind” kam derart schrill daher, dass das Lied kaum wiederzuerkennen war. Solche Versionen können irritieren, für echte Dylanologen sind diese aber erst recht ein Beweis für die unerschöpfliche Kunst des grossen Singers und Songwriters.

Dylan gilt zwar als Geschichtenerzähler, ein Mann der grossen Worte ist er aber nicht. Nicht ein “Hello” bekamen die Fans zu hören. Nach jedem Lied wurde es dunkel auf der Bühne, bis die ersten Takte des nächsten Songs ertönten. Ebenso verabschiedeten sich die fünf Männer: mit einem stummen Verbeugen. Bob Dylan war in Zürich.

swissinfo und Vincenzo Capodici und Petra Stöhr (sda)

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