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Niederlage für Ruth Metzler an der Asyl-Front

Gescheitertes Transitabkommen mit Senegal: Bedauern hier, Zufriedenheit dort. Keystone

Die Schweiz bedauert den Rückzug Senegals aus dem Transitabkommen. Mit der Vereinbarung hatte Bern die Rückführung abgewiesener Asylbewerber aus Westafrika erleichtern wollen.

Für Bern erfolgte der Rückzug Senegals aus innenpolitischen Gründen.

Das Abkommen hätte ein probates Mittel gegen den Menschenhandel und die damit verbundene organisierte Kriminalität dargestellt, erklärte Justizministerin Ruth Metzler-Arnold am Dienstag in Bern. Es hätte auch geholfen, die Menschenrechte zu respektieren.

Der Rückzug Senegals sei aus innenpolitischen Gründen erfolgt. Nach Unterzeichnung des Abkommens sei die nationale und internationale öffentliche Meinung durch falsche und negative Informationen beeinflusst worden, sagte Metzler. Darauf weise die Regierung Senegals in einem Brief vom 3. März 2003 an die Schweiz hin.

Internationale Zusammenarbeit und neue Instrumente gefragt

Die Schweiz sei überzeugt, dass die Fragen illegaler Migration nur durch internationale Zusammenarbeit und neue Instrumente gelöst werden könnten, erklärte die Justizministerin.

Auch andere europäische Staaten hätten grosses Interesse an diesem ersten Abkommen seiner Art gezeigt. Die Schweiz hoffe, einen Weg zu finden, um das Anliegen des Abkommens dennoch umsetzen zu können.

Weitere Abkommen

Sie lasse sich nicht entmutigen, neue Wege für Rückschaffungen abgewiesener Asylbewerber zu suchen, sagte Metzler-Arnold. Sie strebe den Abschluss weiterer Abkommen mit westafrikanischen Staaten an. Namen wolle sie keine nennen. Eine Neuauflage des Vertrags mit Senegal stehe nicht im Vordergrund.

Das demokratische System Senegals werde jedoch respektiert, erklärte die Justizministerin. Sie sprach der senegalesischen Regierung für die Bereitschaft, mit der Schweiz “einen Migrations-Dialog” fortzuführen, ihren Dank aus.

Flüchtlingshilfe fordert Neuverhandlungen mit Korrekturen

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat nach dem Scheitern des Transitabkommens mit Senegal Neuverhandlungen mit Korrekturen gefordert. Konkret geht es dabei um die Wahrung der Menschenrechte und den Einsatz von Menschenrechts-Beobachtern, wie Jürg Schertenleib, Leiter des SFH-Rechtsdienstes, sagte.

Die Menschenrechts-Beobachter müssten von der Schweiz abgewiesene Asylbewerber in ihre Heimat zurück begleiten. Sie könnten für Transparenz sorgen und das Vertrauen schaffen, dass Betroffene korrekt behandelt würden. “Mit diesen Instrumenten wäre es vielleicht einfacher, ein neues Abkommen mit einem afrikanischen Land unter Dach zu bringen”, sagte Schertenleib gegenüber swissinfo.

Ausschaffungsmethode massgebend

Schertenleib geht davon aus, dass nicht zuletzt die Art und Weise, wie abgewiesene Asylbewerber bei der Ausschaffung von den Behörden behandelt werden, zum Scheitern des Abkommens geführt hätten.

Das Scheitern des ist für Schertenleib “kein grosses Problem”, denn gemäss Abkommen hätte nur eine gewisse Anzahl Personen rückgeführt werden können, erklärte der SFH-Vertreter weiter. Auf der anderen Seite gebe es aber eine viel grössere Anzahl von nichtidentifizierten Asylbewerbern aus westafrikanischen Ländern, für die eine Rückführung schwierig wäre.

“Aber jedes andere europäische Land hat dieselben Probleme, so dass wir versuchen sollten, mit diesen zusammenzuarbeiten”, sagte er.

Rege Diskussion im Parlament

Das Scheitern des Transitabkommens mit Senegal sorgte auch für rege Diskussionen im Parlament. Die gegen den Vertrag eingestellten SVP und SP verlangen eine neue Migrationspolitik. CVP und FDP setzen weiter auf solche Abkommen.

Senegalesische Opposition zufrieden

Die senegalesische Opposition hat die Regierungsentscheidung zum Rückzug aus dem im Januar vereinbarten Transitabkommen begrüsst. Der Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei, Pape Babaca Mbaye, einer der vehementesten Opponenten des Abkommens, gratulierte der Regierung nun öffentlich zu ihrem Rückzug.

Die Entscheidung der senegalesischen Exekutive kam nicht überraschend. Bereits am 20. Februar war in den lokalen Medien über einen Rückzug aus dem Abkommen spekuliert worden. Die Beziehungen zur Schweiz sieht die senegalesische Regierung durch ihre Entscheidung aber nicht gefährdet.

Auch der Generalsekretär der Afrikanischen Menschenrechts-Organisaiton (RADDHO), Alioune Tine, zeigte sich befriedigt über den Regierungsentschluss. Senegal sei sich bewusst geworden, dass die Folgen eines solchen Abkommens eine “Verletzung der Menschenrechte und eine Verletzung des Asylrechts” bedeuten würde.

swissinfo und Agenturen

Das am 8. Januar in Dakar unterzeichnete Abkommen sollte die Rückführung von aus der Schweiz ausgewiesenen westafrikanischen Asylbewerbern über das Transitland Senegal in ihre Heimatstaaten ermöglichen. In Senegal wären für die Identifikation der Personen drei Tage zur Verfügung gestanden, nach Ablauf dieser Frist hätte sie die Schweiz wieder zurücknehmen müssen.

Für den Direktor des Bundesamts für Flüchtlinge, Jean-Daniel Gerber, wäre das Abkommen insbesondere als Präzedenzfall und zum Sammeln von Erfahrungen wichtig gewesen. Von der unmittelbar praktischen Bedeutung her habe das Rückübernahme-Abkommen mit Nigeria, das Bundesrätin Ruth Metzler ebenfalls Anfang Januar unterzeichnet hatte, den grösseren Stellenwert.

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