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Poker um den 10. Juli

Ab dem 10. Juli wird es für den Flughafen Zürich Kloten eng. Keystone

Am 10. Juli tritt die zweite Phase des verschärften Anflugregimes in Kraft. Die Politik versucht den Schaden aus der Ablehnung des Staatsvertrags zu begrenzen.

Derweil laufen die Vorbereitungen für einen vorgezogenen Südanflug auf Hochtouren.

Seit Mitte letzter Woche sind die Einwohner von Schwamendingen, dem flughafennahen Züricher Nordquartier, in Panik. Dachdecker haben in aller Eile begonnen, die Dachziegel im Einzugsbereich des kommenden Südanflugs zu klammern.

“Überfallartig hat sich das halbe Quartier in eine Baustelle verwandelt”, erklärt die Anwohnerin Daniela Schicker. Sicherheitsvorschriften würden nicht eingehalten, Ziegel einfach von den Dächern geworfen oder ungesichert auf den Dächern gestapelt.

Schutz vor Wirbeltornados



Grund für das überstürzte Vorgehen ist der Zeitdruck. Die Dachziegel-Klammerung müsse in 10 Tagen abgeschlossen sein, heisst es.

Erst wenn alle Dächer geklammert sind, darf von Süden her gelandet werden, so will es das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). Denn wegen der geringen Flughöhe der anfliegenden Flugzeuge können ungeklammerte Dachziegel durch die entstehenden Wirbeltornados von den Dächern gefegt werden.

Offiziell heisst es, Südanflüge seien aus technischen Gründen nicht vor Oktober zu erwarten. Wieso jetzt diese Eile?

Unique-Sprecher Andreas Siegenthaler kann sich die plötzliche Hektik nicht erklären. Der Zeitplan stehe schon länger fest. “Wir haben den Dachdeckern keinen neuen Termin gesetzt. Wessen Dach aber bis zum 14. Juli noch nicht geklammert ist, trägt die Haftung für herabfallenden Ziegel selber.”

Tatbeweis für Südanflüge



Die Anwohner im Süden des Flughafens befürchten, dass mit der vorzeitigen Einführung der Südanflüge die Bereitschaft Deutschlands erhöht werden soll, das auf den 10. Juli angekündigte verschärfte Anflugsregime zu verschieben.

Ab diesem Datum müssen je nach Wetterlage täglich bis zu 30 Flugzeuge umgeleitet werden, weil sie den Flughafen Kloten nicht mehr über Süddeutschland anfliegen dürfen.

Da am 10. Juli Nordanflüge nicht mehr und Südanflüge noch nicht möglich sind, droht in den Randstunden bei schlechtem Wetter ein Betriebsstillstand.

Politik der Schadensbegrenzung



Für die Schweizer Regierung geht es nun primär um Schadensbegrenzung. Eine Wiederbelebung des gescheiterten Staatsvertrages scheint jedoch ausgeschlossen, da die Zürcher Kantonsregierung, die Flughafenbetreiberin Unique sowie die Swiss weiterhin an ihrer ablehnenden Haltung festhalten. Daran konnte auch ein Gespräch mit Bundespräsident Pascal Couchepin nichts ändern

Laut Bundesrat Moritz Leuenberger kann sich die Schweiz auch nicht auf die bei der EU deponierte Klage verlassen. Die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung der Klage wäre eine “höchst aussergewöhnliche Massnahme”, erklärte er gegenüber der “SonntagsZeitung”.

Es mache deshalb Sinn, mit den Deutschen in den nächsten Wochen direkt zu verhandeln, mit dem Ziel, eine Verschiebung der Verschärfung zu erreichen.

Entkrampfung durch Südanflüge



Eine wichtige Rolle bei diesen Verhandlungen spielen die Südanflüge. Die entsprechenden Vorbereitungen des Flughafens hätten, so Leuenberger, zur Entkrampfung zwischen der Schweiz und Deutschland beigetragen.

Doch mit den Südanflügen dürften auch die Abflüge nach Norden häufiger werden. Dagegen haben die süddeutschen Gemeinden am Hochrein indes bereits ihren Widerstand angekündigt.

Einziger Trumpf, der nach Einführung der Südanflüge der Schweiz für die weiteren Verhandlungen noch bleibt, ist der Rückzug der Klagen gegen die verschärfte Verordnung bei der EU-Kommission in Brüssel und vor dem Verwaltungsgericht Mannheim.

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Einseitige Verordnung:
Seit 14. April gilt über Süd-Deutschland:
Keine Anflüge mehr von 6 bis 7 Uhr und von 21 bis 22 Uhr.
Alle minimalen Flughöhen werden um 600 Meter erhöht.
Das Nachtflugverbot an Wochenenden zwischen 9 und 20 Uhr bleibt bestehen.
Ab 10. Juli sollen auch die Ausnahmeregelung während den Sperrzeiten eingeschränkt werden.

Beim Südanflug werden in den Randstunden dicht besiedelte Wohnquartiere überflogen. Die Lärmbelastung dürfte im Durchschnitt 83 Dezibel betragen mit Spitzenwerten bis zu 91 Dezibel.

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