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Neuer Anlauf für das Bausparen

Ob mit oder ohne Bausparen – in der Schweiz wurde in den letzten Jahren viel gebaut. Keystone

Am 17. Juni wird sich das Schweizer Stimmvolk zum Bausparen äussern können. Ein ähnliches Begehren war im März gescheitert. Die Argumente bleiben gleich: Die einen sehen Bausparen als Weg zum Immobilienbesitz, die anderen als Geschenk an Reiche.

Die Volksinitiative, über die das Stimmvolk Mitte Juni an der Urne entscheiden kann, kommt diesmal aus den Reihen des Hauseigentümerverbandes (HEV).

Unter dem Namen “Eigene vier Wände dank Bausparen” verlangt das Volksbegehren, dass Geld, welches für den Erwerb einer selber genutzten Liegenschaft gespart wird, von Steuervergünstigungen profitieren soll.

Konkret sollen zukünftige Haus- oder Wohnungsbesitzer während 10 Jahren pro Person und Jahr maximal 10’000 Franken (für ein Paar: 20’000 Franken) steuerfrei anlegen können.

Zudem sollen das Sparkapital und die daraus resultierenden Zinserträge während der Bauspardauer von der Vermögens- und der Einkommenssteuer befreit werden.

Wird das Geld für den Kauf einer Liegenschaft eingesetzt, soll die Besteuerung für den effektiv eingesetzten Betrag aufgeschoben werden. Wird das Geld nicht für seinen bestimmten Zweck genutzt, müssen die erhaltenen Steuererleichterungen zurückvergütet werden.

Zwei Initiativen – eine Idee

Die Grundidee ist die gleiche, wie jene der Volksinitiative der Schweizerischen Gesellschaft zur Förderung des Bausparens (SGFB). Diese hat das Schweizer Stimmvolk am 11. März mit 55,8% abgelehnt. Auch eine Mehrheit der Kantone schickte das Begehren bachab.

Doch auch wenn die Idee ähnlich ist, gibt es einige Differenzen zwischen den beiden Volksinitiativen. Zuallererst sind die Beträge unterschiedlich: Während die aktuelle Initiative einen Sparbetrag von 10’000 Franken vorschlägt, waren es bei der SGFB-Initiative 15’000 Franken.

Auch die Ziele scheinen unterschiedlich: Die im März abgelehnte Initiative sah einerseits die Förderung des Kaufs einer Liegenschaft vor, andererseits aber auch ökologische Nachbesserungen an bereits erworbenem Wohnraum. Dieser Punkt ist in der vorliegenden Initiative nicht vorgesehen.

Schliesslich hätten die Kantone bei der abgelehnten Initiative die Steuererleichterungen freiwillig erteilen können, während die Abzüge bei der HEV-Initiative für Kantone und Bund obligatorisch sein sollen.

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Zugang zu Wohnraum fördern

An politischer Front setzt sich die Rechte für die Initiative ein. Die Befürworter sehen sie als gutes Mittel, um in einem Land der Mieter den Zugang zum Immobilienbesitz zu erleichtern. Mit rund 40% Eigentümerinnen und Eigentümern ist der Anteil in der Schweiz relativ niedrig.

“Die Förderung des Zugangs zu Immobilienbesitz und Wohnen ist eine verfassungsmässige Verpflichtung. Und man weiss, dass die Schweiz während langer Zeit einen viel tieferen Anteil an Besitzern hatte, als andere europäische Länder”, sagt Jean-François Rime, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Die Bildung eines Bauspar-Systems könnte daher ein zusätzliches Element sein, um dieses in der Verfassung festgehaltene Ziel zu erreichen. Schliesslich habe der Kanton Basel-Landschaft, der Bausparen bereits auf kantonaler Ebene zulasse, gute Erfahrungen mit diesen System gemacht, so Rime.

Ein Geschenk an Reiche

“Dieses Argument ist absolut trügerisch”, antwortet Carlo Sommaruga, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP) und Generalsekretär des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes (MV). “Wenn man den Anstieg des Eigenbesitzes in den verschiedenen Kantonen ohne Bauspar-System vergleicht, stellt man fest, dass er höher ist als in Basel-Landschaft. Zudem gab es in jenem Kanton zusätzliche Instrumente, um den Zugang zu Immobilienbesitz zu erleichtern.”

Für die politische Linke wie auch für die Landesregierung sind die Steuererleichterungen allem voran ein Geschenk an die Reichen. “Dieses Instrument wird nur von den reichsten Schichten der Gesellschaft genutzt werden, die bereits über die Mittel verfügen, eine Immobilie zu kaufen”, so Sommaruga.

“Als Mitnahmeeffekt wird ihnen so die Möglichkeit gegeben, in zehn Jahren tausende oder zehntausende Franken an Steuern zu sparen.”

Genügen 2. und 3. Säule?

Bereits heute würden die 2. und die 3. Säule der Sozialversicherungen den Zugang zu Wohneigentum erleichtern, sagt er. Und in der 3. Säule sei bereits ein Steuervorteil vorgesehen, für jene, die sich die Beiträge leisten könnten.

Rime überzeugen diese Argumente nicht: “Heute besitzen die reichsten Schichten vermutlich bereits Wohneigentum. Und die Zahlen aus Basel-Landschaft beweisen, dass besonders die Schicht mit 60’000 bis 80’000 Franken Einkommen pro Jahr von dieser Möglichkeit profitiert.”

Was die Nutzung des Rentensparens betreffe, so sei diese nicht in Granit gemeisselt und langfristig nicht gesichert. “Jene, die mit diesem Argument hausieren sind die gleichen, welche die Möglichkeiten zum Einsatz der Gelder aus der 2. Säule minimieren wollen. Sie geben vor – vielleicht sogar zu einem Teil zu Recht –, dass jene Leute, die Wohneigentum mit Pensionskassengeldern der 2. Säule finanzieren, im Pensionsalter nicht über genügend Mittel verfügen würden, wenn sie ihre Hypothek nicht amortisiert hätten.”

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Steuereinbussen

Die Gegner der Initiative schliesslich befürchten, dass die Steuererleichterungen die öffentlichen Finanzen zu stark belasten würden. Ausgehend vom Kanton Basel-Landschaft hat der Bundesrat auf die ganze Schweiz hochgerechnet: Bei einer Annahme der Initiative würden “für den Bund Mindereinnahmen in Höhe von rund 70 Mio. Franken (inklusive Kantonsanteil) und für die Kantone und Gemeinden Mindereinnahmen von rund 275 Mio. Franken resultieren”, schreibt die Landesregierung.

Und Carlo Sommaruga insistiert: “Wir befinden uns in einer Phase, in der die öffentlichen Finanzen in grossen Schwierigkeiten sind. Besonders die Wirtschafts- und Finanzkrise hat zu erheblichen Steuereinbussen geführt. Kantone und Gemeinden präsentieren ihre Budgets 2012 und 2013 mit grossen Defiziten. Es gibt keinen Grund, die Situation noch zu verschärfen.”

Man habe immer die Tendenz, die Zahlen aufzublasen, gibt jedoch Befürworter Jean-François Rime zu bedenken. “Nicht alle werden von dieser Möglichkeit profitieren, und nicht jeder wird oder kann sie bis zum Maximum ausnützen.”

1950: etwa 37%

1960: 33,7%

1970: 28,5%

1980: 30,1%

1990: 31,3%

2000: 34,6%

2010: 40% (Schätzung)

Auf Grund der Kleinräumigkeit des Landes und des Anstiegs der Bevölkerung sind Immobilien in der Schweiz sehr teuer.

In den letzten Jahren jedoch hat die Anzahl Wohneigentümer stark zugenommen, besonders wegen der historisch tiefen Hypothekarzinsen.

Um Wohneigentum zu erwerben, muss eine Person über mindestens 20% des Kaufpreises verfügen. Den Rest kann sie von einer Bank als Hypothekarkredit beziehen.

Vor einem Kauf versichert sich die Bank in der Regel, dass dieser das Budget des Käufers nicht zu stark belastet. Die laufenden Ausgaben für Immobilienbesitz sollten einen Drittel des Lohnes nicht übersteigen.

Mittel zum Immobilienkauf können aus der beruflichen (2. Säule) oder persönlichen Vorsorge (3. Säule) vorbezogen werden.

Diese Möglichkeit ist im Gesetz für Wohneigentumsförderung (WEF) festgeschrieben. Der Nachteil ist, dass man damit seine künftigen Renten beschneidet. Daher verlangen gewisse Kreise Beschränkungen. Das Thema wird demnächst im Parlament beraten.

Wohneigentümer können in der Steuererklärung eine ganze Reihe von Abzügen geltend machen (Renovationskosten, Schuldzinsen, Immobiliensteuern, Versicherungen usw.).

Um das Gleichgewicht gegenüber den Mietenden zu erhalten, müssen Wohneigentümer jedoch einen so genannten fiktiven Eigenmietwert versteuern, der aber im Normalfall weit unter den effektiven Abzügen liegt.

Dieses System begünstigt die Aufrechterhaltung einer Hypothekarschuld auf einem künstlich hochgehaltenen Niveau – eine Situation, die bei einem hohen Anstieg der Schuldzinsen gefährlich werden kann. Die Politik versucht bereits seit Jahren, die Möglichkeit von Abzügen und den Eigenmietwert abzuschaffen.

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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