Die parlamentarische Versammlung des Europarates fühlt sich bei der Erarbeitung der Erklärung von Interlaken übergangen. Die Parlamentarier kritisierten in Strassburg das Vorgehen bei der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
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Die Erklärung, die Mitte Februar im Rahmen einer Ministerkonferenz der 47 Mitgliedstaaten des Europarats in Interlaken verabschiedet wurde, hat die Sicherung der langfristigen Zukunft des EMGR zum Ziel. Die chronische Überlastung des Gerichtshofs soll bekämpft werden.
Die Schweiz hatte die Erklärung als Höhepunkt ihres sechsmonatigen Europarat-Vorsitzes präsentiert. Die Parlamentarier des Rates wiesen am Donnerstag im Beisein von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf dagegen auf Mängel hin.
«Die Versammlung bedauert, dass sie sich nicht am Prozess, der in Interlaken stattfand, beteiligen konnte», sagte die niederländische Parlamentarierin Marie-Louise Bemelans-Videc, Autorin eines Berichts über das Vorgehen in Interlaken. Die nationalen Parlamente spielen eine wichtige Rolle bei der Anwendung der Rechtssprechung des EMGR in ihren Ländern, wie verschiedene Parlamentarier betonten.
Widmer-Schlumpf ihrerseits verteidigte das Vorgehen: Dass der Prozess auf dem Niveau der Exekutive lanciert werde, sei nach Gesprächen mit dem Präsidenten des EMGR, Jean-Paul Costa, beschlossen worden. «Und angesichts des Erfolgs der Konferenz von Interlaken war diese Wahl nicht so schlecht», sagte die Justizministerin.
Die parlamentarische Versammlung beklagte sich zudem darüber, dass die Finanzierung des EMGR in der Erklärung von Interlaken nicht geregelt ist. Derzeit ist im Budget des Europarates keine Ausgabensteigerung vorgesehen.
Eine Reform des Gerichtshofs wurde nötig, weil dieser von Beschwerden überschwemmt wird. Monatlich gehen 2000 Beschwerden mehr ein als das Gericht erledigen kann. Ende 2009 waren knapp 120’000 Fälle hängig.
swissinfo.ch und Agenturen
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