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Presseschau vom 11.11.2003

Die FDP als grosse Verliererin der Wahlen: Das beschäftigt die Zeitungen auch am Dienstag noch. Ebenso der Abgang des umstrittenen Chefs der Exportförderungs-Organisation Osec.

Und dann ist da noch ein Kalender mit Models der besonderen Art: Ein Jungbauernkalender.

“Partei ohne Profil.” Das ist die Schlagzeile in der BERNER ZEITUNG. Die FDP, die Freisinnig-demokratische Partei, habe nach der Wahlschlappe vom Wochenende ihren zweiten Bundesratssitz nicht mehr auf sicher, schreibt das Blatt.

“In der FDP gärt es auf allen Ebenen, von der nationalen bis hinunter auf die lokale”, kommentiert die BZ weiter und weist auf die Situation bei den Stadtberner Freisinnigen hin, deren Präsidentin Annemarie Lehmann deutlich gemacht habe, dass sie nicht an der Spitze einer Partei sein wolle, die dem “Slang des Populismus” verfalle.

“SVP lässt FDP zappeln”, titelt der BLICK – und dies “trotz Schmusekurs”. Für die NEUE LUZERNER ZEITUNG werden jetzt “die Messer gewetzt”. Nach der Wahlniederlage sei in der FDP der Richtungskampf erneut aufgeflammt. Damit steige auch der Druck auf FDP-Chefin Christiane Langenberger, schreibt die NLZ.

Der Zürcher TAGES ANZEIGER fragt sich, ob nun der welsche und linksliberale Flügel der FDP, die sieben Nationalratssitze und vier Ständeratssitze verloren hat, verstummen müsse. Die Antwort: “Welschfreisinn will Krise aussitzen.”

Für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sind nun Standortbestimmungen gefragt. Es gehe für die FDP um nichts weniger als um “Chancen und Potenziale nach einer verlorenen Wahl”.

“Als staatstragende, stets kompromissbereite und gegenüber der Regierung immerzu loyale Partei habe die FDP an Profil verloren, sagen viele – die Politik sei liberal und richtig gewesen, doch zu wenig sichtbar, sagen andere”, schreibt die NZZ.

Für die Genfer Zeitung LE TEMPS geht es jetzt darum, die FDP zu retten: “Sauver la maison radicale.” Die FDP sei gespalten, am Boden und ebenso geschwächt wie die CVP. Nun müssten die Radicaux, wie die Freisinnigen in der Romandie heissen, selber das Steuer herumreissen.

Entscheidend ist für LE TEMPS, dass die FDP künftig ihre eigenen Grundsätze gegenüber der rechtspopulistischen SVP zu verteidigen weiss: “Öffnung, Freiheit, individuelle und soziale Verantwortung, Respektierung der Ethik des Individuums und des Staates.”

Und noch eine Empfehlung an die FDP, diesmal von der AARGAUER ZEITUNG: Erst denken und dann reden. Das sei bitter nötig nach den Nachwahl-Aufregungen, denn: “Mehr denn je ist die Politbühne besetzt mit Akteuren, die zuerst reden und dann denken.” Diesen Vorwurf richtet die AZ nicht nur an die FDP, sondern auch an die SVP.

Für den CORRIERE DEL TICINO hat die ganze Nachwahl-Diskussion vor allem eines bewirkt: “Sempre più nebbia su Palazzo federale” – “Immer mehr Nebel über dem Bundeshaus.”

Exportförderung sucht neuen Chef

“Umstrittener Osec-Chef nimmt den Hut”, titelt der Berner BUND. Damit stehe die Exportförderungs-Organisation vor einer Neupositionierung, schreibt die NZZ. Osec-Chef Balz Hösly habe den mangelnden unternehmerischen Handlungsspielraum beklagt, schreibt die AARGAUER ZEITUNG.

Hösly sei als Osec-Chef “von Anfang an am falschen Ort” gewesen, kommentiert der TAGES ANZEIGER. Für einen bestandenen und volksnahen Politiker habe er in der Frage seines Salärs wenig Fingerspitzengefühl an den Tag gelegt. “Von Reue gar nicht zu sprechen.”

Aber vielleicht sei sich Hösly nicht bewusst, dass er für einen halbstaatlichen Arbeitgeber arbeitete. “Wie sonst hätte er als FDP-Politiker seine Tiraden gegen Staatsdiener und Ähnliches reiten können, wo sein Lohn doch auch zu grossem Teil aus Steuergeldern bezahlt wird?”, fragt der TAGI, der im Abgang Höslys immerhin eine Chance für einen Neuanfang bei der Osec sieht.

Selbstbewusste Landjugend

Wer hätte denn das gedacht? Erotische Fotos sind Teil des österreichischen Jungbauernkalenders. Dafür ablichten liess sich auch die Schweizerin Karin. Die BASLER ZEITUNG weist darauf hin, dass das Werk mit den agrarischen Nachwuchsmodels im nächsten Jahr auch in die Schweiz komme.

Die Vertreterin der helvetischen Landjugend freue dies, schreibt die BAZ und zitiert Tanja Stucki: “Wir haben ein gesundes Selbstbewusstsein und brauchen uns nicht zu verstecken. Wir sind jung, stark und sexy.”

Und was sagt der stellvertretende Direktor des Bauernverbandes, Urs Schneider, dazu? “Die Bauernschaft leidet unter dem Vorurteil, dass sie konservativ und verklemmt ist.” Dieses Vorurteil könne mit dem erotischen Wandschmuck korrigiert werden.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

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