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Presseschau vom 18.10.2003

In der Politik stehen an diesem Wahlwochenende personelle Entscheide an. Einen unüblichen Anfang hat am Freitag der Kanton Tessin mit der Entmachtung von Sozialministerin Patrizia Pesenti gemacht.

Praktisch alle Schweizer Zeitungen beschäftigen sich mit der umstrittenen Massnahme der Tessiner Regierung.

“Auch das noch!” titelt die BERNER ZEITUNG ihren Kommentar zur Kaltstellung der Tessiner Regierungsrätin Partizia Pesenti durch den Rest ihres Regierungskollegiums.

“Die Wählerinnen und Wähler im Tessin reiben sich die Augen”, schreibt die BZ weiter. Probleme mit Politikern seien sie sich gewohnt, aber so etwas habe es noch nie gegeben.

Als “Die Arroganz der Mehrheit” bezeichnet der Berner BUND die jüngsten Polit-Geschehnisse im Tessin. Egal, ob die Gründe für die Entmachtung nun wahr seien oder vorgeschoben: “Die Entmachtung zeugt (…) von schlechtem Stil und Arroganz”.

Auch im Welschland reibt man sich die Augen. Mit dem Titel “Les mystères d’une éviction tessinoise” – Die Mysterien einer Tessiner Entmachung, gibt LE TEMPS ihrer Überraschung Ausdruck.

Als “Entgleisung der Regierung” betrachtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG die jüngsten Polit-Vorgänge im Tessin. Für sie hat sich der Tessiner Staatsrat “im Register vergriffen”. Es sei schwer zu verstehen, was in diese Regierung gefahren sei:

“Nach all den Skandalgeschichten, mit denen das Tessin im Vorfeld dieses eidgenössischen Wahlwochenendes höchst unerfreulich von sich reden gemacht hat, hätte es dieser Entgleisung wirklich nicht auch noch bedurft”.

Gesamtschweizerische Dimension

Für den TAGES ANZEIGER sind die Ereignisse im Tessin eine Mahnung für das ganze Land.

“Erst werden die Steuern gesenkt, dann müssen die Staatsausgaben den geschrumpften Einnahmen angeglichen werden. Das ist das Schema, dem die bürgerliche Politik der leeren Kassen zunehmend folgt”, schreibt der TAGI weiter.

Die Entmachtung der Sozialdemokratin durch die bürgerliche Mehrheit des Regierungsrates sei – nur sechs Monate nach ihrer Wiederwahl durch das Volk – ein politisch unerhörter Vorgang.

Im Tessin sei eine Kollegialregierung, in der die grössten Parteien zu ihrer Wählerstärke vertreten sein müssen, auseinander gebrochen, weil die parteipolitischen und persönlichen Spannungen zu gross geworden seien.

Mit dem Schlusssatz : “Das müsste auch im Hinblick auf die Neuwahl des Bundesrates eine Mahnung sein”, verleiht der TAGI-Kommentar der Tessiner Affäre eine gesamtschweizerische Dimension.

Zitterpartien

Politikerinnen und Politiker werden vom Volk gewählt oder abgewählt, streicht der BLICK heraus. Unter dem Titel: “Nur noch einmal schlecht schlafen”, präsentiert er die 20 “Wackel-Kandidaten”, die an diesem Wahl-Wochenende um ihre Wiederwahl zittern müssen. Aufgelistet werden Politikerinnen und Politiker sämtlicher grosser Parteien.

Als prominenteste führt das Boulevard-Blatt SP-Präsidentin Christiane Brunner an: “Weil sie den Ultralinken zu liberal ist, muss sie um die Wiederwahl zittern und die SP riskiert, am Sonntagabend führungslos dazustehen.”

swissinfo, Etienne Strebel

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