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Presseschau vom 29.04.2003

Die Berner Politkrise ist das Hauptthema in den Kommentarspalten der Schweizer Presse. "Deeskalation" wäre angesagt, so der Tenor.

Weiteres Thema: Alle legen bei den Grundnahrungsmitteln drauf. Weder Bauern noch Detailhandel erzielen damit Gewinn. Was stimmt hier nicht?

Ganz beispielllos sei die Entmachtung des Berner Polizeidirektors Kurt Wasserfallen denn doch nicht, hat der TAGES ANZEIGER nach einer Recherche in den Archiven herausgefunden:

“1995 hatte der Bundesrat Verkehrsminister Adolf Ogi gegen dessen erklärten Willen ins Militärdepartement versetzt. Ogis Weigerung, die Neat zu redimensionieren und zu finanzieren, hatte das Projekt beinahe zum Absturz gebracht.”

Der TAGI vermisst nach wie vor die überzeugenden Argumente der Berner Stadtregierung, denn: “Wenn die rot-grün dominierte Stadtregierung nicht bald überzeugende Gründe liefert, warum Wasserfallen als Polizeidirektor nicht mehr tragbar ist, entsteht der Eindruck, seine Entmachtung sei eine parteipolitische Mauschelei.”

Dieses Eindrucks kann sich auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG nicht erwehren, setzt sie doch über den Artikel zu Wasserfallens Medienkonferenz, an der dieser von einer “Verschwörung” gegen seine Person berichtete, den Titel: “Intrigen in der Berner Stadtregierung?”

Bern mache eine Regierungskrise von “historischer Tragweite” durch, schreibt der Berner BUND. Doch: “Stadtpräsident Klaus Baumgartner aber, als alleinige Auskunftsperson, wimmelt an der BEA die Medien ab; er wolle jetzt in Ruhe seine feine Berner Platte.”

Auch nach Wasserfallens Medienkonferenz ist der BUND-Kommentator nicht klüger als zuvor: “Wer gut hinhörte, stellte rasch fest, dass (auch) Wasserfallen bei allem Polit-Brimborium, im Endeffekt auffallend zurückhaltend, reichlich defensiv, mithin selektiv bis schlicht verwedelnd, Fakten (eben nicht) herausrückte.”

Versöhnlicher sieht es die BERNER ZEITUNG: “Deeskalierende Strategie – das neue Schlagwort der Berner Sicherheitspolitik gilt nun auch für den Gemeinderat: Der Stadtpräsident schaut nach vorn, und Kurt Wasserfallen freut sich auf seine weiteren Aufgaben.”

Die versöhnlichen Töne seien ein guter Anfang, um den Ausnahmezustand zu beenden, der Berns Politik seit dem letzten Mittwoch lähmt, meint die BZ weiter. Aber: “Bewältigt ist die Krise noch nicht.”

Wer macht die grosse Kasse?

Laut EU-Statistikern kosteten Lebensmittel in der Schweiz fast die Hälfte mehr als im europäischen Ausland, schreibt die NEUE LUZERNER ZEITUNG. Trotzdem verdienten weder Bauern, Zwischenhändler oder Detailhändler an den Grundnahrungsmitteln.

“Das riecht nach einem Grounding der Schweizer Landwirtschaft,” schreibt die NLZ. Sie fragt sich weiter, wem es wohl besser gehe: Dem Bauern, der auf staatliche Direktzahlungen angewiesen sei, oder dem marktmächtigen Händler, der Grundnahrungsmittel als verlustbringende “Lockvögel” einsetze, damit die Kundschaft, einmal im Laden, auch gewinnträchtigere Produkte kaufe?

Die Antwort: “Das zeigt die vereinigten Verlierer in einem anderen Licht. Denn dass dies dem Handel insgesamt mehr bringt als den Bauern, lässt sich vorstellen.”

Ins selbe Horn stösst die AARGAUER ZEITUNG: “Dies ist für die Bauern eine bittere Erkenntnis, denn ihr strukturelles Dilemma kann nicht entschärft werden, indem irgendwelche Margenkässeli neu verteilt werden.”

Die AZ befürchtet, dass sich die Defizitschere weiter öffnet und den Bauern weiter Substanz raubt: “Dies mündet über kurz oder lang in einen flächendeckenden Kollaps der Bauernbetriebe. ”

Eigentlich wolle dies niemand, aber: “Ist der Konsument wirklich bereit, für Schweizer Landwirtschafts-Produkte einen angemessenen Preis zu zahlen?”

Die AZ stellt dies in Frage: “Die täglichen Einkaufs-Karawanen Richtung grenznaher Städte sprechen leider eine ganz andere Sprache.”

swissinfo, Etienne Strebel

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