Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Rechnung für entflammten Erdölpreis

Wird der Griff nach dem Zapfhahn zögernd? Keystone

In der Schweiz und weltweit steigen die Preise für Benzin, Diesel und Heizöl seit Anfang Jahr kontinuierlich. Dies könnte den Wiederaufschwung gefährden.

Die Angst vor einer Verknappung hat den Barrelpreis auf ein Hoch von 45 Dollar getrieben. Noch äussern sich die Experten aber beruhigend.

Eine weltweit sehr hohe Nachfrage, kombiniert mit politisch bedingten Ausfällen beim Angebot, haben zu einer Preishausse beim Erdöl geführt, die in eine Krise münden könnte. Der Preis pro Barrel (rund 157 Liter) hat die 45-Dollar-Schranke durchbrochen.

In der Schweiz hat sich gegenüber dem Jahresbeginn der Benzinpreis grob gerechnet um rund 20 Rappen auf etwa 1,50 Franken erhöht. Das heisst, das Tanken von 50 Litern ist rund 10 Franken teurer geworden.

Vergessen ist, dass Ende 2000 der Liter Benzin sogar 1,55 Fr. kostete. Doch der Barrel Erdöl kostete damals kaum 35 Dollar – gegenüber rund 45 Dollar heute. Der Dollar war damals rund 1,8 Franken wert, heute kostet er nur noch etwa 1,25 Franken.

Abschwächen ja, gefährden nein

Das neutralisiert die Preiserhöhungen in Dollar sehr stark. Wäre der Dollar heute noch auf seinem hohen Niveau vom Jahr 2000 (rund 1,80 Franken), würde ein Liter Benzin heute wohl 1,65 Franken kosten.

Die anhaltende Ölpreishausse könnte den Konjunkturaufschwung in der Schweiz zwar abschwächen, sollte ihn aber nicht gefährden. Nach wie vor spreche sehr wenig dafür, dass der Konjunkturaufschwung durch die hohen Ölpreise abgewürgt werde, sagte der Chefökonom des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), Aymo Brunetti.

Auswirkungen auf BIP sind klein

Die Weltkonjunktur werde sicher belastet. Doch die gegenwärtige Situation auf dem Erdölmarkt sei nicht mit der Krise der 70er- und 80er-Jahre zu vergleichen.

Der Ölpreis befinde sich seit längerem auf einem hohem Niveau und die Preiserhöhungen seien weniger stark. Die Auswirkungen des Erdölpreises auf das Bruttoinlandprodukt (BIP) seien klein.

Innerhalb des Energiesektors profitieren zwar Produzentenunternehmen wie Shell, Esso und BP von der Preishausse. Andererseits ist für viele Händler und Verteiler die Situation dafür unangenehm, sagt Daniel Sieber, Chef der Oel-Pool AG, gegenüber swissinfo.

Heizölprobleme in Sicht

“Denn viele Käufer halten sich jetzt zurück und hoffen, die Preise würden wieder nachgeben. Spätestens zu Winterbeginn, wenn die Tanks leer sind, wird es somit grosse Schwierigkeiten bei der Distribution geben”, so Sieber.

Bis dann würden nämlich die Preise noch nicht nachgegeben haben, glaubt er. Und alle wollten dann gleichzeitig Heizöl nachfüllen.

Was die Benzin- und Dieselpreise betrifft, so Sieber, sehe er keine allzu grossen Änderungen nach den starken Erhöhungen der letzten Monate.

Ähnliches glaubt auch Jeremy Baker, Energie-Analyst bei Credit Suisse. “Die erste Verhaltensänderung bei den Verbrauchern erfolgt üblicherweise, wenn sich die Erhöhungen im Preisbereich zwischen 25 und 30 Dollar pro Barrel abspielen”, sagt er gegenüber swissinfo.

“Einen zweiten Änderungsschub im Verhalten sehe ich erst wieder im Bereich 45 bis 60 Dollar.”

Im Gegensatz zu früheren Ölpreis-Haussen wirkt sich diesmal der schwache Dollar ölpreisstabilisierend aus, ausser man ist Amerikaner. “Langfristig ist das sicher der Fall”, bestätigt Baker. “Kurzfristig könnte es jedoch wegen der jüngsten Leitzinserhöhung zu höheren Dollarnotierungen kommen.”

Baker gibt den viel zitierten sauberen Energiealternativen Sonne und Wind mittelfristig wenig Chancen. “Bei jeder Hausse kommen sie wieder vermehrt aufs Tapet, doch im entsprechenden Aktienbereich tut sich dann jeweils wenig.”

Weniger ölabhängige Schweiz

“Die Zukunft in 5 bis 10 Jahren gehört dem Erdgas”, so Baker. “Es ist übrigens viel sauberer als Öl. Und der Gasmarkt entwickelt sich konstant weiter, wobei Europa in diesem Bereich viel weiter ist als die USA.”

Im Vergleich zu den 80er-Jahren sei die Schweiz viel weniger vom Öl abhängig, sagt ZKB-Konjunkturexperte Thorsten Hock. Für die Konjunktur wichtiger als der Ölpreis sei das Exportwachstum, das auch künftig hoch bleiben müsse.

Gegenüber der klassischen Ölkrise von 1973 ist die heutige Hausse kein Resultat einer politisch gewollten Angebots-Verknappung. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hat ihr Angebot ausgeweitet und lastet heute ihre Förderkapazitäten maximal aus.

Andere Konstellation von Angebot und Nachfrage

“Doch drei grosse Produzenten sorgen für Unsicherheit”, sagt Emmanuel Gautrot von der Bank Pictet. “Erstens der Irak, wo täglich Sabotage-Akte vorkommen. Angesichts der vollen OPEC-Auslastung würde ein völliger Ausfall der irakischen Exporte einen drastischen Anstieg der Ölpreise zur Folge haben.”

Zweitens Russland, wo niemand wisse, wie die Affäre Yukos deblockiert werden könne.

Drittens wirke auch das innenpolitisch schwierige Präsidentschafts-Referendum im Erdölland Venezuela verunsichernd.

Dennoch warnende Stimmen

Auch bezüglich der Nachfrage-Situation unterscheide sich die gegenwärtige Hausse von früheren. Insbesondere in China und den USA herrsche wegen der guten Konjunktur eine starke Nachfrage.

Der Ölmarktexperte Daniel Yergin, Chef der Chambridge Energy Research Associate, warnt deshalb vor einer Krise: “Die derzeitigen Bedingungen weisen auf einen angespannteren Ölmarkt hin als bei der Ölkrise von 1973.”

Wachsende Terrorängste und die stärkste Nachfrage seit mehr als zwei Jahrzehnten haben die Ölpreise seit Jahresbeginn weltweit um rund 30% steigen lassen.

Die OPEC fördert soviel wie seit 1979 nicht mehr. Das Kartell der Erdölproduzenten ist mit 30 Mio. Barrel pro Tag an seiner Kapazitäts-Obergrenze angekommen.

swissinfo und Agenturen

Der Preis für einen Liter bleifreies Benzin ist seit Anfang Jahr um 20 Rappen auf 1,50 Franken gestiegen.

Der Preis für einen Liter Heizöl erhöhte sich um rund 10 auf 53 Rappen.

Ein Liter “bleifrei 95” kostet rund 1,50 Franken.
Er setzt sich zusammen aus:
47 Rappen Kaufpreis des raffinierten Produkts,
15 Rp. Distributionskosten,
1 – 5 Rp. Marge des Verkäufers,
75 Rp. Steuern und
10 Rp. Mehrwertsteuer.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft