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Regierung will Bundesanwaltschaft beaufsichtigen

Keystone

Die Bundesanwaltschaft soll künftig unter der alleinigen Aufsicht des Bundesrates stehen. Diesen Vorschlag hat die Regierung in die Konsultation geschickt.

Auch Justizminister Christoph Blocher unterstützt die Idee. Er hatte ursprünglich beantragt, die zweigeteilte Aufsicht über die Bundesanwaltschaft allein seinem Departement zu unterstellen.

Die mehrfache Unterstellung der Bundesanwaltschaft (BA) sei unbefriedigend, sagte Justizminister Christoph Blocher am Freitag in Bern.

Die Aufsicht über die BA teilen sich das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (administrativer Bereich) und das Bundesstrafgericht in Bellinzona (fachlicher Bereich). Zudem gebe es Überschneidungen mit dem Bundesamt für Polizei (Rechtshilfe), so Blocher.

Eine solche Aufsicht könne bei einem “leicht verträglichen Chef” funktionieren, nicht aber bei schwierigen Verhältnissen, sagte Blocher unter Anspielung auf seinen Zwist mit dem ehemaligen Bundesanwalt Valentin Roschacher. Der Gesamtbundesrat sei der Auffassung, dass er oberstes Kontrollorgan sein sollte.

Verschiedene Modelle

Die Aufsicht über die BA ist einer der Kernpunkte des neuen Strafbehörden-Organisationsgesetzes (StBOG), das der Bundesrat bis Ende Dezember in eine Vernehmlassung (Konsultationsverfahren) geschickt hat.

Der Erlass setzt die neue schweizerisch einheitliche Strafprozessordnung um, die das Parlament in der laufenden Session verabschieden dürfte.

Der Bundesrat hält aber auch andere Modelle (zum Beispiel Aufsicht durch das Bundesgericht) für denkbar.

Blocher favorisiert die Version Gesamtbundesrat, wobei eine Delegationsmöglichkeit ans EJPD bestehe. Bei gerichtlicher Aufsicht könnten Befangenheiten entstehen, weil die BA vor Gericht Partei sei.

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Vernehmlassung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Vernehmlassung oder das Vernehmlassungsverfahren ist die Konsultation von betroffenen und interessierten Kreisen (auch Mitwirkungsverfahren). Sie ist eine wichtige Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren. Bei der Vorbereitung wichtiger Gesetze und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen werden die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen.

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Endlich Effizienz

Gemäss Strafprozessordnung wird die Strafverfolgung auf Bundesebene in Zukunft von der Verfahrenseröffnung bis zur Erhebung und Vertretung der Anklage bei der Bundesanwaltschaft liegen. Das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt (URA) wird aufgehoben, sein Personal in die BA integriert.

Damit werde das lange dauernde zweistufige Verfahren (BA-URA-BA) “endlich” abgeschafft, sagte Blocher. Wenn das Verfahren von der Voruntersuchung bis zur Anklagevertretung bei der Bundesanwaltschaft konzentriert werde, werde ein hoher Grad an Effizienz in der Strafverfolgung erreicht.

Bundesgericht Berufungsinstanz

Die starke Stellung der BA wird durch die kantonalen Zwangsmassnahmengerichte ausgeglichen.

Diese sind für die Anordnung der Untersuchungshaft und weiterer Zwangsmassnahmen wie DNA-Massenuntersuchungen, die Überwachung des Post-, Fernmelde- und Bankverkehrs und die verdeckte Ermittlung zuständig.

In Fällen der Bundesgerichtsbarkeit ist wie bisher das Bundesstrafgericht als erstinstanzliches Gericht vorgesehen. Berufungsinstanz soll künftig das Bundesgericht sein. Diese einfache und pragmatische Lösung lässt sich laut EJPD organisatorisch problemlos umsetzen.

swissinfo und Agenturen

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Bundesanwaltschaft

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz sind die kantonalen Justizbehörden für einen Grossteil der Strafuntersuchungen zuständig. Einige Delikte fallen jedoch in die Kompetenz der Bundesanwaltschaft (BA). Dazu gehören beispielsweise Attentate, Spionage, internationale organisierte Kriminalität, Geldfälschung, Geldwäscherei, Korruption oder von Bundesbeamten im Rahmen ihrer Aufgabe begangene Straftaten.

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Der Abgang von Ex-Bundesanwalt Roschacher, die Rolle, die Justizminister Blocher dabei gespielt hat, Fragen der Gewaltenteilung und der politischen Aufsicht: Rund um diese Themen ist seit Anfang September ein Polit- und Medienrummel im Gang, dessen Ausmass wohl nur mit den bevorstehenden nationalen Wahlen zu erklären ist.

Justizminister Blocher wird von einer parlamentarischen Aufsichtskommission vorgeworfen, er habe bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Roschacher den Bundesrat umgangen, seine Kompetenzen überschritten und die Gewaltentrennung verletzt.

Blocher weist die Kritik als tendenziös zurück. Er und und seine Partei (SVP) wittern hinter den Vorwürfen einen Komplott, der seine Wiederwahl als Bundesrat gefährden soll. Der Bundesrat seinerseits hat einen Experten ernannt, der ihn bei der Interpretation des Aufsichtsberichts unabhängig beraten soll.

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