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Rösti und Fondue in Babylonien

Alex und Maria aus den USA. swissinfo.ch

39 Schweizer Kinder aus 17 Ländern verbringen zwei Wochen in Elm, im Glarnerland, um das Land ihrer Eltern und Grosseltern kennenzulernen. Über die Schweiz wissen sie unterschiedlich viel, was ihnen egal ist, denn sie wollen einfach nur Spass haben.

Giuseppe aus Italien, mit knapp 11 das jüngste Lagerkind, gewinnt den Sumo-Ringkampf gegen den vier Jahre älteren Steven aus Kanada. Vermutlich lässt der Grosse den Kleinen absichtlich gewinnen.

Das ist typisch für das Lagerleben in Elm, wo gross und klein aus aller Welt zusammentreffen, um zwei Wochen Ferien zu verbringen. Konflikte gibt es kaum. Die Kinder gingen in der Regel rücksichtsvoll miteinander um. “Vermutlich, weil sie sich nicht so gut kennen”, sagt Lukas Reichel, der statt Militärdienst hier Zivildienst leistet.

Kommunikation – no Problem

Die Kinder aus fünf Kontinenten haben keine gemeinsame Sprache. Die Informationen erfolgen auf Deutsch und Englisch, aber es gibt auch Jugendliche, die nur Französisch können. “Sie verstehen sich trotzdem”, sagt Reichel. “Zwar brauchen die Kinder hier mehr Betreuung als andere, weil sie das Lagerleben nicht gewohnt sind, dafür sind sie kommunikativer.”

Das Essen ist vorbei, der Lärmpegel hoch, die Kinder haben kräftig zugeschlagen. Es gab Risotto, Teigwaren vom Vortag und Salat. Morgen gibt’s vielleicht Rösti oder Fondue. Heute hat die Gruppe “dunkelblau” Küchendienst.

Jasmin Spoerri, 11-jährig aus Cork in Irland steht in der Küche und strahlt. Eben hat sie Post von ihren Eltern erhalten. Stolz präsentiert sie die Postkarte.

Sie finde es “lovely” hier im Glarnerland, vor allem die schneebedeckten Berge haben es ihr angetan. Das gibt es in Irland nicht. Letztes Jahr war sie zusammen mit ihrer Schwester in einem Lager für Auslandschweizer-Kinder. “Wir hatten keine gute Zeit miteinander. Deshalb ist sie jetzt in einem anderen Lager in Abläntschen.”

Der Ball rollt den Berg hinunter

Die 12-jährige Denise Koller aus Hongkong ist zum ersten Mal in einem Camp dieser Art und hat schon Freunde gefunden. Die Schweiz kennt sie gut. “Meine Grossmutter lebt in Goldach, St. Gallen. Wir kommen immer im Winter, an Ostern und im Sommer in die Schweiz. Hier gibt es vieles, was wir zu Hause nicht haben. Frischen Käse und Sachen vom Land. Das finde ich gut.” Denise spricht Schweizerdeutsch und Hochdeutsch mit ihrem Vater, Kantonesisch mit der Mutter. Auch Englisch kann sie. Zudem lernt sie in der Schule Latein.

Weniger glücklich scheint der 15 Jahre alte Christos Chondros von der griechischen Ägäisinsel Kos zu sein. Letztes Jahr in Scoul habe es ihm besser gefallen. Das Frühstück sei besser gewesen, die Spiele schöner, die Zimmer und das Haus ebenfalls. “Die Tage hier dauern länger, und hier oben am Berg kann man nicht einmal Fussball spielen”, sagt der junge Grieche.

Auf seine Kosten kam der “Ex-Europa-Meister”, als die ganze Gruppe im Restaurant nebenan das EM-Finalspiel Deutschland-Spanien anschauen durfte. Es war am 2. Lagertag. Alle trugen sie ein selbstfabriziertes weisses T-Shirt mit Schweizerkreuz auf der Vorderseite, hinten stand der Name des Kindes. Sie kannten sich ja damals noch nicht so gut.. Der Grossteil der jungen Auslandschweizer fieberte für Spanien, dafür hatten die Schweizer “Deutschen” die grösseren Flaggen dabei.

Wandern ist out

Besonders beliebt sind bei den Kindern Spiele und sportliche Aktivitäten, wie Wasserspiele, Baden oder Trampolinspringen vor dem Bergrestaurant Ampächli. Ein Riesenspass.

Weniger beliebt sei Wandern, so Leiterin Isabelle Alonso. Die meisten Kinder seien das nicht gewohnt. Ja, die Wanderung am Vortag in dieser Hitze sei sehr hart gewesen, betont eine 14-Jährige aus New York State, USA, deren Grossvater in die USA ausgewandert war. Sie heisst Erika, weil ihre Schwester in der Schweiz mal eine Skilehrerin mit diesem Namen hatte. “Auf und ab und auf und ab – das mag ich nicht.”

Wenn eine Postkarte von zu Hause kommt oder eine Wanderung auf die Füsse und die Moral schlägt, mag das eine oder andere Kind Heimweh verspüren. Ein grosses Thema sei das aber nicht, sagt Isabelle Alonso, die bereits zum vierten Mal ein Auslandschweizerlager leitet. ” Wenn Eltern jeden Tag aufs Natel anrufen, fördert dies jedoch das Heimweh.”

Dass wir hier sind, ist Schweiz genug

Zweck der Lager Stiftung für junge Auslandschweizer (SJAS) ist, den kleinen Schweizern ihre ursprüngliche Heimat näherzubringen. “Wir vermitteln kein Schulwissen, Fakten über die Schweiz können sie anderswo lernen”, sagt der Zivildienstler Lukas Reichler. “Es genügt, dass wir hier sind: Die Aussicht, die Berge, Exkursionen, die wir machen, und dass die Kinder mit uns Schweizern zusammen sind.”

Die Gruppe “dunkelblau” hat die Küchenarbeit erledigt. Jetzt geht’s ab aufs Trampolin – trotz Mittagshitze. Die Gruppe “hellblau” muss ins Tagebuch schreiben oder malen und die “Grünen” Bad und WC putzen.

Am nächsten Tag steht ein Ausflug mit dem Zug nach Luzern auf dem Programm. Noch wissen die Kinder nichts davon. Bis am Abend bleibt der Plan geheim.

swissinfo, Gaby Ochsenbein, Elm

Das SJAS-Lager auf dem Ampächli ob Elm im Kanton Glarus dauert vom 28. Juni bis 12. Juli.

39 Schweizer Kinder und Jugendliche aus dem Ausland zwischen 11 und 15 Jahren sind dabei.

Die jungen Auslandschweizerinnen und -schweizer stammen aus 17 Nationen: El Salvador, Kolumbien, Spanien, Irland, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Griechenland, Polen, Tschechien, Hongkong, Thailand, Südafrika, USA, Kanada, Australien.

Geleitet wird das Lager von 8 jungen Schweizerinnen und Schweizer, darunter zwei Zivildienst-Absolventen. Zwei Personen sind für die Küche zuständig.

Von Ende Juni bis Ende August 2008 finden unter Leitung der Stiftung für junge Auslandschweizer 8 Lager für 8-16 Jährige statt.

Rund 300 Kinder aus 50 Ländern haben sich angemeldet.

Die Kinderlager finden in Abländschen und Adelboden (Kanton Bern) statt, in Elm (Kanton Glarus), im Münstertal, S-chanf und Lantsch/Lenz (alle drei Graubünden), in Enney (Freiburg) sowie in der st. gallischen Linthebene (Bundeslager der Pfadfinder).

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