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Run auf Klimageräte und Ventilatoren

Die Hitzewelle beschert der Schweiz tropische Temperatoren wie in Singapur. Keystone

Die andauernde Hitzewelle in der Schweiz treibt die Verkäufe von Kühlendem aller Art in die Höhe.

Neben Rekordverkäufen der Bierbrauer, Mineralwasserhändler und Glacenverkäufer erzielen Einkaufszentren und Fachgeschäfte noch nie da gewesene Umsätze mit Ventilatoren und Klimaanlagen.

Die ganze Schweiz stöhnt. Jede und jeder sehnt sich nach einer Abkühlung. Sowohl Grossverteiler wie auch der Fachhandel können sich kaum mehr vor dem Ansturm auf Klimageräte und Ventilatoren wehren.

“Wir haben fast nichts mehr in unseren Regalen. Im Vergleich zum Vorjahr sind unsere Verkäufe von Ventilatoren um 200 Prozent gestiegen. Wir nehmen alles, was uns die Lieferanten anbieten”, versicherte Migros-Sprecher Urs-Peter Naef gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Zu 90 Prozent aus China

Die zu etwa 90 Prozent chinesischen Hersteller scheinen aber die sprunghaft angestiegene Nachfrage in Europa nicht mehr befriedigen zu können. Ähnliches gilt für kleine Klimaanlagen, obwohl diese wesentlich teurer sind als Ventilatoren. Die Migros beispielsweise hat laut Naef keine derartigen Installationen mehr am Lager.

Auch Interdiscount kann nicht mehr mit der Nachfrage mithalten: “Wir haben ein Modell im Angebot. Es ist fast vollständig ausverkauft”, sagte Pressesprecher Urs Wilhelm gegenüber swissinfo.

Dies, obwohl Ende Juni noch zusätzliche Geräte nachgeliefert wurden. “Aber diese Geräte sind schon wieder mehr oder weniger ausverkauft.”

Und die Lieferanten seien ihrerseits nun auch schon am Limit: “Wir werden keine zusätzlichen Geräte mehr erhalten”, so Wilhelm. Denn die Vorlaufzeit für eine Bestellung zusätzlicher Klimageräte aus Fernost sei schlicht zu lang.

Zwei- bis dreifache Menge

“Interdiscount hat in diesem Jahr die doppelte Menge vom Vorjahr verkauft. Ohne Lieferschwierigkeiten wären wahrscheinlich noch deutlich mehr Geräte verkauft worden”, schätzt Wilhelm.

Die billige Alternative zum Klimagerät sind Ventilatoren, die in allen Grössen und Farben erhältlich sind. Auch hier herrscht gähnende Leere in den Regalen. Laut Wilhelm ging “ein Vielfaches” der normalen Menge über den Ladentisch. Doch: “Auch da sind verschiedene Lieferschwierigkeiten aufgetreten.”

Bei Coop sieht es nicht anders aus. Coop-Sprecher Karl Weisskopf nimmt an, dass sich die Ventilator-Verkäufe im Vergleich zum letzten Sommer etwa verdreifacht haben. Auch die Coop versucht einzukaufen, wo sie noch kann, auch bei neuen Lieferanten.

Umsatzkurve parallel zur Hitzekurve

Die Manor-Gruppe scheint sich dagegen besser auf den Ansturm auf Ventilatoren vorbereitet zu haben. “Wir verfügen noch über ausreichende Lagerbestände, und die in allen Preisklassen. Wir sind aber gezwungen, unsere Warenhäuser täglich mit Ventilatoren zu versorgen”, erklärt Maurice Calanca, Marketing-Direktor bei Manor.

Auch Fust versichert, mit Ausnahme einiger Spezialmodelle noch über genügend Ventilatoren zu verfügen. Zu den Verkäufen erklärt Fust-Sprecherin Bettina Hoehener, die Umsatzkurve verlaufe parallel zur Hitzekurve.

Auch die von Migros und Carrefour angebotenen Deckenventilatoren finden plötzlich deutlich mehr Käufer, obwohl deren Preise deutlich über jenen der “gewöhnlichen” Ventilatoren liegen.

Ab 30 Grad gibt’s Übersunden

Die dritte Möglichkeit, sich etwas Kühle zu verschaffen, ist der Kauf kleiner Klimaanlagen. Bei Fust kommt auf vier verkaufte Ventilatoren bereits eine Klimaanlage.

Da viele der Grossverteiler keine Klimageräte mehr liefern können, profitiert nun auch der Fachhandel: “Wir können nach wie vor liefern, und sind natürlich sehr glücklich darüber”, sagte Doris Jaeger, Leiterin Administration der Klimawatt AG im zürcherischen Kilchberg gegenüber swissinfo.

Diesen Sommer sei der Ansturm gewaltig. “Wenn die Temperaturen über 30 Grad steigen, müssen unsere Angestellten Überstunden machen. Dann ist praktisch die Hölle los.”

Doch viele Leute hätten keine Ahnung, wie ein Klimagerät eigentlich arbeite, so Jäger. “Der Laie hat das Gefühl, ein Klimagerät funktioniere wie eine Heizung. ‘Ich stelle ein Gerät in den Raum, drücke auf den Knopf und es kommt kühle Luft.’ Und das ist nicht der Fall.”

Warme Luft muss raus

Vielmehr entzieht ein Klimagerät die warme Luft aus einem Raum. Und die muss irgendwie ins Freie. Dies geschieht entweder über einen Abluftschlauch oder einen Wärmetauscher.

Deshalb brauche der Kunde hier eine fachmännische Beratung, denn die Beschaffenheit eines Klimageräts hängt von verschiedenen Faktoren ab. Raumgrösse, Ausrichtung des Raumes, wie viele Geräte und Menschen halten sich im Raum auf?

Ähnliches Verhalten hat auch Urs Wilhelm bei den Kunden beobachtet: Sie hätten “einfach den Wunsch, ein Klimagerät zu kaufen. Wie dass es funktioniert, darüber wissen sie relativ wenig Bescheid.”

Klimaanlagen sind allerdings nicht ganz unproblematisch. Einerseits steigt der Energieverbrauch drastisch und andererseits gibt die Mehrheit der Klimaanlagen Gase in die Atmosphäre ab, die den Treibhauseffekt fördern.

swissinfo, Christian Raaflaub

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