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SAirGroup: Verhaltene Radikalkur nach massiven Verlusten

Konzern-Chef Mario Corti gibt Entscheide bekannt - allerdings keine Gesamtstrategie. Keystone

Im Jahr 2000 erflog die SAirGroup einen Verlust von rund drei Milliarden Franken. Um den Konzern wieder flott zu machen, will sich Mario Corti von Ausland-Beteiligungen im Flug-Geschäft trennen sowie Immobilien und die Hotelkette verkaufen. Ein Banken-Konsortium soll finanzielle Unterstützung bieten.

“Es gibt nichts zu beschönigen”, sagte Mario Corti am Montag an der Bilanz-Medienkonferenz der SAirGroup in Zürich. Den Verlust von 2,885 Mrd. Franken – das schlechteste Jahr in der 70-jährigen Geschichte der Swissair-Mutter-Gesellschaft – begründete der Konzernchef vor allem mit den grossen Schwierigkeiten der meisten ausländischen Airline-Beteiligungen. Am schlimmsten schnitten die französischen ab: AOM, Air Liberte und Air Littoral machten einen Verlust von 600 Mio. Franken. Die belgische Fluggesellschaft Sabena weist einen Reinverlust von 496 Mio. Franken aus. Und bei der deutschen LTU resultierte ein Reinverlust von 342 Mio. Franken.

Aber auch die Swissair erlitt einen Verlust vor Zinsen und Steuern von 195 Mio. Franken. Hinzu kommen 20 beziehungsweise 25 Mio. Franken Verlust bei Crossair und Balair. Der kumulierte Verlust im Fluggeschäft beträgt somit 1,216 Mrd. Franken.

Massnahmen: Aufräumen und Abschreiben

Die ausländischen Beteiligungen im Fluggeschäft werden vollständig abgeschrieben. Von der grossen Abschreibung seien einzig die polnische Fluggesellschaft LOT und die South African Airways ausgenommen.

Erste Eckpfeiler: Geldstopp für Air Littoral

Zum Ausstieg aus den ausländischen Beteiligungen hat Corti erste Eckpfeiler bekannt gegeben. So ist als Sofortmassnahme die Kapitalzufuhr für die französische Air Littoral gestoppt worden. Bezüglich der anderen beiden Beteiligungen AOM und Air Liberté will Corti rasch Resultate des Sanierungsplans sehen. Die SAirGroup sei nicht mehr bereit, monatlich 80 Millionen Franken in die französischen Beteiligungen einzuschiessen.

Sabena: Entscheid vertagt

Für die Sabena soll nach einem Treffen mit dem belgischen Verkehrsminister bis Ende April ein Business-Plan erstellt werden. Entscheide will Corti im Sommer vereinbaren.

In Italien hat die SAirGroup eine Absichtserklärung unterzeichnet, um die Beteiligung an Volare abzustossen. Bei der deutschen LTU ist nach den Worten von Corti eine Wende zum Besseren im Gang.

Mit American Airlines beispielsweise will Corti aber weiter arbeiten. Auch wenn es nun darum gehe, Kapital zurückzuziehen, bedeute das nicht das Ende der Qualiflyer-Allianz.

Rentable Airline-nahe Geschäfte behalten

Corti will eine Fokussierung auf die Airlines und Airline-verwandte Gebiete. Das bereits heute rentable “related business” soll noch mehr Kapital einbringen. Catering und Co sollen also nicht verkauft, sondern noch rentabler werden.

Trennen will sich SAir allerdings noch dieses Jahr von den Hotels (Swissôtel), bis Ende 2002 sollen auch Liegenschaften im Wert von 700 Mio. Franken veräussert werden.

Sodann müsse die Gruppenstruktur radikal vereinfacht werden zu einer flachen Organisation. Als ganz zentral bezeichnete Corti die Ausrichtung der Swissair-Gruppe auf die Bedürfnisse der Kunden.

Balair soll gemäss Corti aufgelöst werden: Die Kurzstrecken-Flüge werden in die Crossair, die Langstrecken-Flüge in die Swissair integriert.

Weniger Lohn für Piloten

Die Piloten der Swissair wollen einen Beitrag zur Sanierung des Konzerns leisten. Wie Konzernchef Mario Corti erklärte, haben sich die Piloten mit einer 5-prozentigen Lohnsenkung einverstanden erklärt.

Verhandlungen mit Banken-Konsortium im Gang

Die Eigenkapital-Quote beträgt noch 5,7 Prozent. Auf Fragen räumte Corti ein, dass der SAir-Konzern da die Grenzen erreicht habe. Die Liquidität der Gruppe sei aber gesichert und bereite keine Probleme. Gleichzeitig sei man mit einer Reihe von führenden Banken in Kontakt, um ein Massnahmenpaket zur nachhaltigen und dauerhaften Verbesserung der Kapitalstruktur zu erreichen. Auch wenn Corti keine Namen nannte, ist für Insider klar, dass UBS, Credit Suisse Group sowie die Deutsche Bank und eine amerikanische Bank wohl zu dem Konsortium gehören werden.

Personelles: Müller kommt – Tschanz geht

Sabena-Chef Christoph Müller steigt beim Flugkonzern SAirGroup ein. Daneben kommt es zu einer weiteren Änderungen in der Geschäftsleitung. Kommunikations-Chefin Beatrice Tschanz tritt an der Generalversammlung vom 25. April zurück.

Müller steht als Geschäftsleitungsmitglied der SAirGroup der belgischen Gesellschaft Sabena sowie der Managementgesellschaft AMP vor. Beat Schär bleibt weiterhin Chef der Swissair. Der Crossair steht weiterhin André Dosé vor.

Wie genau der künftige Verwaltungsrat aussehen wird, soll an einer ausserordentlichen Generalversammlung im Herbst entschieden werden. Corti hat sein Einverständnis für den Einsitz eines Personal-Vetreters bekräftigt. Airline-Fachleute sollen als Ergänzung noch hinzukommen.

“Swissair-Gruppe”

Der künftige Name des Unternehmens ist noch nicht definitiv beschlossen. Corti betonte einmal mehr die Bedeutung der Swissair. Er bezeichnete eine Umstellung auf “Swissair-Gruppe” als wahrscheinlich. “Das ist auch ein Zeichen, dass das Ganze in eine neue Richtung geht”, so Corti.

swissinfo und Agenturen

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