Förderung weg: Ein Schlag für die Kultur im Globalen Süden – und für die Schweizer Diplomatie

Westliche Staaten wie die Schweiz kürzen ihre Auslandhilfe. Betroffen ist auch die Unterstützung für Kulturprogramme. Institutionen warnen, die Auswirkungen würden weit über die Kunstwelt im globalen Süden hinaus reichen.
Seit mehr als drei Jahrzehnten kommen Künstler:innen aus Entwicklungsländern in die Schweiz, um ihre Werke zu präsentieren. Möglich machte dies der Südkulturfonds (SKF), den die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) seit 2010 mit 700’000 Franken pro Jahr finanziert.
Doch ab 2028 wird dies nicht mehr der Fall sein: Die Deza hat entschiedenExterner Link, den Fonds aufzulösen, nachdem das Parlament Ende 2024 Kürzungen bei der Entwicklungshilfe beschlossen hatte.
Für Kulturschaffende wie iLiana Fokianaki, Direktorin der Kunsthalle Bern, ist die Nachricht niederschmetternd. «Was macht man, wenn man einen hervorragenden Künstler findet und ihn hierherholen will?», sagte sie. «Dafür war der Fonds von zentraler Bedeutung.»
Der SKF ist eines von rund einem Dutzend Schweizer Programmen zur Unterstützung von Künstler:innen in Entwicklungsländern, die nun ihre Unterstützung durch die Deza verlieren.
Betroffen sind etwa auch das Open Doors-Programm des Filmfestivals Locarno und der Salon Africain du livreExterner Link, eine Genfer Buchmesse für afrikanische Autor:innen.
Befürworter:innen der Kürzungen argumentierten, dass die Schweiz aufgrund der geopolitischen Umwälzungen sparen müsse, um die Verteidigungsausgaben erhöhen zu können. Die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung stehe an erster Stelle, sagte etwa Nationalrat Andreas Gafner von der EDU.
Vertreter:innen von Kultureinrichtungen hingegen sagen, dass die Kürzungen nicht nur den Kulturschaffenden schaden. Sie schwächen auch die Soft Power der Schweiz: «Die Schweiz spielt eine führende Rolle im Bereich Kultur und Entwicklung», heisst es in einem PapierExterner Link der Deza von 2020.
«Kultur ist nichts anderes als der Aufbau internationaler Beziehungen», sagte Rahel Leupin, Direktorin von artlinkExterner Link. Die unabhängige Organisation fördert internationale Künstler:innen in der Schweiz und ist verantwortlich dafür, die SKF-Stipendien zu vergeben. «Kultureller Austausch basiert auf Vertrauen und Verständnis – so hören wir einander zu und suchen den Dialog.»
Lebensunterhalt für Künstler:innen
Seit Jahrzehnten schon unterstützt die Schweiz Kultur im Ausland. Das Engagement ist Teil ihrer Verpflichtungen aus dem UNESCO-Übereinkommen zur Vielfalt kultureller AusdrucksformenExterner Link. Die Schweiz gehört zu den wichtigsten Geldgebern der UNESCOExterner Link und war vor der Coronapandemie der neuntgrösste Geldgeber im Bereich Kultur und Freizeit weltweit.

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Weltweit macht die finanzielle Unterstützung für Kultur nur einen winzigen Teil der Entwicklungshilfe aus – 2018 waren es 0,23%, respektive 281 Millionen US-Dollar (238 Millionen Franken), wie die jüngsten Zahlen der Unesco zeigen.
Bei der Deza lag die Finanzierung ihrer Kulturpartner in der Schweiz (wie der SKF), im Jahr 2024 bei 3,7 Millionen Franken, bei einem Gesamtbudget von 2,16 Milliarden Franken. 2025 sank der Betrag auf nur noch 2 Millionen Franken.
Trotz der kleinen Summen seien die Ergebnisse seien, sagen Befürworter:innen. Die finanzielle Unterstützung hilft Künstler:innen aus Entwicklungsländern, die mit erheblichen Schwierigkeiten kämpfen: unzureichende finanzielle Mittel, Visa-Beschränkungen, Hürden beim Zugang zu Ausbildungen oder kultureller Infrastruktur. Denn dominiert wird die globale Kreativindustrie auch heute noch von den Industrieländern.
«Kunst muss immer gezeigt werden – niemand macht sie nur für das Atelier», sagt Leupin. In Europa auszustellen, helfe den Kunstschaffenden nicht nur finanziell, sondern auch dabei, ein berufliches Netzwerk über ihr Heimatland hinaus aufzubauen.
«Die Erfahrung zeigt, dass viele Künstler:innen, die auf internationaler Ebene erfolgreich sind, auch Geld erwirtschaften. Das investieren sie wiederum in der lokalen Szene, in der sie leben und arbeiten.»

In ihrer Richtlinie zur Kulturpolitik weist die Deza darauf hinExterner Link, dass Investitionen in die Kultur nicht nur zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen: Als grundlegendes Menschenrecht ermöglicht der Zugang zur Kultur demokratische Teilhabe und fördert den sozialen Zusammenhalt «in Zeiten des zunehmenden Autoritarismus».
«Kulturelle Räume sind oft die einzigen Orte, an denen es noch eine gewisse Meinungsfreiheit gibt», sagte Leupin. «Deshalb ist es so wichtig, dass sich diese lokalen Kulturszenen entwickeln.»
Wie die Gesellschaft profitiert
Kultur kann ein wirkungsvolles Instrument für politischen und sozialen Wandel sein, sagte Marcus Desando, Direktor des Prince Claus FundExterner Link. Die unabhängige Stiftung mit Sitz in Amsterdam vergibt Stipendien an Künstler:innen aus dem Globalen Süden, die von niederländischen Regierung finanziert werden.
Desando stammt selbst aus Südafrika. Dass die Welt das Ausmass und die Folgen der Apartheid begriffen hätte, so Desando, sei auch ein Resultat von kulturellem Austausch gewesen – insbesondere dank jener Künstler:innen, die damals das Land verliessen und ihre Stimme erhoben. «Ohne Kultur sind wir verloren», sagte Desando. «Ohne Kultur gibt es keine Menschlichkeit.»
Auch die Geberstaaten – und die Menschen, die dort leben – profitieren. Dank der öffentlichen Finanzierung können die Kultureinrichtungen es sich leisten, Künstler:innen aus der ganzen Welt nach Europa zu holen. «Die Schweizer Steuerzahler:innen erhalten ein kulturell vielfältiges Programm», so Leupin. «Sie sehen Künstler:innen und Perspektiven, die sie sonst nicht sehen könnten.»
In Bern erhielt die KunsthalleExterner Link vom SKF einen Zuschuss von 5000 Franken, um die Reisekosten und einen Teil des Honorars für den ghanaischen Künstler Ibrahim Mahama zu bezahlen. Für seine erste Einzelausstellung verkleidete der Künstler das Museumsgebäude mit alten Jutesäcken. Die Präsentation eines Werks dieser Grössenordnung koste zwischen 60’000 und 100’000 Franken, sagt Fokianaki.
Die Säcke, die Mahama verwendete, dienten einst dem Transport von Kakaobohnen. Damit will der Künstler das Schweizer Publikum darauf aufmerksam machen, wie wenig die westafrikanischen Länder noch immer am Verkauf ihrer Bohnen an die lukrative europäische Schokoladenindustrie verdienen.
Im Video erklärt Ibrahim Mahama die Botschaft seiner Installation in der Kunsthalle:
China setzt auf Soft Power
Die Schweiz ist nicht das einzige Land, das sein Budget für Auslandhilfe kürzt. Die USA und Deutschland, die beiden grössten Geberländer im Jahr 2023, tun dasselbe – neben vielen anderen. US-Präsident Donald Trump dezimierte USAID, die historisch eine wichtige Finanzierungsquelle für Kultur und den Erhalt von kulturellem Erbe war.
Deutschland hat seinen Entwicklungshilfeetat für 2024 gekürztExterner Link, die neue Bundesregierung diskutiert offenbar weitere KürzungenExterner Link.
Das drittplatzierte Japan ist ein Ausreisser: Das Land hat seine Mittel für die Kulturförderung 2023 erhöht. Gegenüber SWI swissinfo.ch erklärte das japanische Aussenministerium, dass die Mittel für das Kulturförderprogramm in den letzten zehn Jahren stabil geblieben seien.
Im Gegensatz dazu müssen sich die NGOs in den Niederlanden auf eine KürzungExterner Link der staatlichen Auslandhilfe um 2,4 Milliarden Euro (2,25 Milliarden Franken) ab 2027 vorbereiten. Die finanzielle Unterstützung für die Kultur, die bisher 0,2% des Budgets ausmachte, wird bis 2029 ganz eingestellt.
Desando vom Prince Claus Fund bezeichnet die Entscheidung als «kurzsichtig» und ist wie die Befürworter:innen der Kulturförderung in der Schweiz der Meinung, dass die Streichungen den Einfluss der Niederlande im Ausland schmälern werden.
Der Verzicht auf die Kultur als Soft Power, schreibt der Prince Claus Fund in einer MitteilungExterner Link, schade den nationalen Interessen der Geberländer.

Der Rückzug kommt zu einem Zeitpunkt, da autoritäre Regime ihre Muskeln im Bereich der Soft Power spielen lassen. In Afrika werden «die meisten chinesischen Kulturinvestitionen parallel zu Entwicklungsprojekten getätigt», schreibt die Wissenschaftlerin Avril Joffe in einem BerichtExterner Link für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) aus dem Jahr 2023.
Das Museum der Schwarzen Zivilisationen im Senegal wurde beispielsweise von chinesischen Architekt:innen entworfen und sein Bau durch finanzielle Unterstützung Chinas in der Höhe von 34 Millionen US-Dollar ermöglicht.
Während sich die afrikanischen Regierungen «überwiegend positiv» über solche Investitionen geäussert haben, schreibt Joffe, fürchten einige zivilgesellschaftliche Gruppen sowohl die «Erosion der lokalen Kulturen, wenn sich der chinesische Einfluss ausbreitet» als auch die wachsende Abhängigkeit von chinesischen Medien.
Das Land hat seinen Besitz an Medien auf dem afrikanischen Kontinent ausgeweitet. Der chinesische Medienkonzern Startimes beispielsweise hat nach eigenen Angaben bis zu 11 Millionen Fernsehabonnent:innen in Nigeria und ist der führende Anbieter von Digitalfernsehen in Ghana.
Westliche Staaten kürzen derweil die Mittel für internationale Nachrichtendienste wie Voice of America und den BBC World Service.

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Wo die Schweizer Entwicklungshilfe heute steht
Für die Deza-Büros im Ausland bleibe die Kultur «ein integraler Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit», so das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gegenüber swissinfo.
Diese Büros können nach wie vor bis zu 1% des ihnen zugewiesenen Entwicklungshilfebudgets für lokale Kulturprojekte ausgeben. Institutionen in der Schweiz, die mit Künstler:innen aus dem Globalen Süden zusammenarbeiten, können nach Angaben des EDAs Mittel von Gemeinden, Kantonen und dem Bundesamt für Kultur (BAK) erhalten.
Artlink erhalte bereits Beiträge aus diesen Quellen, sagt Leupin. Aber diese seien projektspezifisch und die Beträge «vergleichsweise klein».
Ein Projekt, das beispielsweise 200’000 Franken koste, werde von acht bis zehn verschiedenen Geldgebern unterstützt. Was den SKF betrifft, so gebe es in der Schweiz derzeit kein vergleichbares Programm zur Unterstützung internationaler Künstler:innen.
Die Entscheidung, die Bundesmittel zu streichen, erinnert Fokianaki an den Lockdown während der Coronapandemie – und damit daran, was es bedeutete, monatelang ohne kulturelle Veranstaltungen auszukommen.
«Es war ein so armes Leben ohne Musik, ohne Konzerte – nichts», sagte sie. «Ich hoffe, dass die Leute, die diese Entscheidung getroffen haben, sie noch einmal überdenken werden.»
Editiert von von Lindsey Johnstone/ts, Mitarbeit: Tomoko Muth, Übertragung aus dem Englischen: Meret Michel
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