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Schweizer Regisseur dreht kontroverse Hitler-Farce

Hitler in der Badewanne: Helge Schneider als der Führer. (Eos Entertainment) Helge Schneider as Hitler (Eos Entertainment)

Der in Basel geborene Regisseur Dani Levy rechnet mit einer "Tsunami-Welle der Kritik" auf seinen letzten Film, die erste deutsche Satire über Adolf Hitler.

Nur ein Drittel der Deutschen findet den Film “Mein Führer: die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler” eine gute Idee, wie eine Umfrage ergab.

Der Film, der sich auf ein Terrain vorwagt, das bis vor kurzem als tabu galt, zeigt einen zermürbten, depressiven, von Drogen verwirrten Hitler, der mit einem Spielzeug-Schlachtschiff in der Badewanne sitzt, seinen Hund in eine Nazi-Uniform steckt und von einem aus einem Konzentrationslager geholten Juden Schauspiel-Unterricht erhalten soll.

“Ich bin mir bewusst, dass ich mich mit dem Film in einer Art Glashaus befinde, das auf einem Massengrab steht”, sagt der 49-jährige Levy, der heute in Berlin wohnt, wo er auch den Film gedreht hat.

Offenbar, so lassen es erste Rezensionen erahnen, hatte Levy, der selber Jude ist, gleichzeitig auch etwas Angst, dass zu viel zersetzendes Lachen die Fenster des Glashauses zum Bersten bringen würde.

Ein anderer Zugang

Der Film folgt auf den Film “Der Untergang” aus dem Jahr 2004. Der für einen Oscar nominierte Streifen porträtierte Hitler aus einer deutschen Perspektive. Der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz gab dabei Hitler in dessen letzten Tagen ein intimes, menschliches Antlitz, was kontrovers aufgenommen wurde.

Für Levy haben “Der Untergang” und weitere jüngere Filme über die Zeit der Nationalsozialisten eine Tendenz, dem Nazi-Regime allzu realistisch zu begegnen und dadurch in gewissem Sinne auch Hitler auf ein Podest zu heben.

Sein Film hingegen, so Levy, sei ein “kleines, rasches, freches, politisch unkorrektes” Werk.

“Ich wollte dieses zynische, psychologische Wrack nicht mit einem realistischen Porträt honorieren”, erklärt Levy weiter. “Ich hatte einfach das Gefühl, es anders anpacken zu müssen.” Sein Griff zur Satire erlaube es, komödiantisch zu überzeichnen.

Eine Farce

Der Film beginnt im Dezember 1944; Berlin liegt in Ruinen und Hitler ist zu depressiv, um sein Volk auf den Jahreswechsel hin mit einer Rede erneut zu mobilisieren. Da kommt sein Propaganda-Minister Joseph Goebbels auf die Idee, Adolf Grünbaum, einen fiktiven jüdischen Schauspieler, aus dem Konzentrationslager zu holen, um den Diktator zu unterrichten, was Grünbaum schon zu Beginn der Karriere Hitlers getan hatte.

Grünbaum möchte zwar den Diktator töten, was ihm aber nicht gelingt, da er Hitler letztlich nur noch als Schwächling sieht. Hitler wird von Grünbaum zu demütigenden Übungen angehalten, so kriecht er etwa auf dem Boden herum wie ein Hund und bellt dazu.

Solche Darstellungen wären noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen, sagt Paul Nolte, Professor für Gegenwarts-Geschichte an der Freien Universität Berlin.

80% der heutigen Bevölkerung Deutschlands sind nach 1941 geboren. Die Generation, die das Nazi-Regime miterlebt hat, stirbt langsam aber sicher aus. Das trägt auch dazu bei, dass das Land seine eigene Vergangenheit heute aus grösserer Distanz zu betrachten beginnt.

Überarbeitete Version

Gemäss einer Umfrage waren trotzdem nur 35% der Deutschen der Ansicht, eine Satire über Hitler zu drehen, sei eine gute Idee. Im Osten des Landes lag dieser Anteil gar nur bei 22%.

Zu seinen Beweggründen befragt, erklärte Levy, er habe seit langem das Bedürfnis gehabt, mit sich selber ins Klare zu kommen, wie die Deutschen Hitler und seinem Wahn hätten folgen können. Der Film sei in gewissem Sinne als “Urschrei zu verstehen, der aus mir heraus musste”.

Schon bevor der Film in den Kinos anlief, hatten Kommentatoren vor der Gefahr einer Trivialisierung der Nazi-Zeit gewarnt.

“Es kann zwar befreiend wirken, die lächerliche Seite Hitlers zu sehen. Denn das ist er, ein lächerlicher Mann”, sagte Ralf Flücks von der Heinrich Böll Stiftung. “Man darf jedoch nie vergessen, dass dieser lächerliche Mann einen Weltkrieg ausgelöst und den Massenmord an sechs Millionen Juden auf dem Gewissen hat.”

Das Publikum bei Testvorführungen hatte dies offenbar nicht vergessen und soll entsetzt gewesen sein über die ursprüngliche Idee Levys, den alten Hitler als onkelhafte Erzählfigur auf sein Leben zurückblicken zu lassen.

Levy überarbeitete darauf das Script und jetzt ist der jüdische Schauspieler Adolf Grünbaum der Erzähler. Dadurch verschob sich das Gewicht des Films nach Ansicht gewisser Kritiker jedoch von der Tragikomödie mehr in Richtung Tragödie.

“Ziemlich platt”

Auch Levys Hitler, der deutsche Musiker und Komiker Helge Schneider, distanzierte sich von der definitiven Fassung. Der Film sei nun “ziemlich platt”, erklärt Schneider.

Auf jeden Fall sorgte der Film in Deutschland schon bevor er in den Kinos anlief für eine weitere introspektive Debatte über die Nazi-Vergangenheit.

Levy bleibt optimistisch, dass sein Werk ausserhalb Deutschlands einen Markt findet. Bleibt abzuwarten, ob Nicht-Deutsche Bilder Hitlers in einer Badewanne mit einem Spielzeug-Kriegschiff als schockierend-lustig empfinden werden.

swissinfo, Thomas Stephens
(Übertragen aus dem Englischen: Rita Emch)

Beachtenswerte Hitler-Filme:
Der grosse Diktator (1940), Charlie Chaplin
To Be or Not To Be (Sein oder Nichtsein) (1942), Ernst Lubitsch
The Producers (Frühling für Hitler) (1968), Mel Brooks
La Vita è Bella (Das Leben ist schön) (1997), Roberto Benigni
Der Untergang (2004), Oliver Hirschbiegel.

Dani Levy ist am 17. November 1957 in Basel geboren.

Er ist Filmemacher, Theater-Regisseur und Schauspieler. Zu seinen bisherigen Filmen gehören “RobbyKallePaul”, “I was on Mars”, “Meschugge” und “Väter”.

Sein bisher erfolgreichster Film ist “Alles auf Zucker” (2004), eine Komödie um einen nicht-religiösen Juden aus der DDR, der sich mit seinem orthodoxen Bruder aussöhnen muss, bevor sie das Erbe der Mutter antreten können.

Levy gehört zu den Gründern der deutschen Filmproduktions-Firma X Filme, Creative Pool.

“Mein Führer” läuft am 11. Januar in Deutschland in den Kinos an, in der Schweiz am 18. Januar.

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