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Schweizer Steuerabkommen machen Rom Beine

Die Schweiz und Italien machen einen Schritt in Richtung der Beendigung des Steuerstreits. imagepoint.ch

Der Abschluss von Schweizer Steuerabkommen mit Deutschland und Grossbritannien scheint in Italien als Katalysator zu wirken: Ein Signal in dieser Richtung gab es am Freitag an einem Treffen zwischen Schweizer und italienischen Parlamentariern.

Seit über zwei Jahren versuchen Italien und die Schweiz, in ihrem Steuerstreit eine Lösung zu finden. Doch die Verhandlungen stecken in einer Sackgasse.

Versuche, den Dialog anzukurbeln, werden regelmässig von neuen Massnahmen gegenüber der Eidgenossenschaft torpediert. Die hasserfüllten Tiraden des italienischen Wirtschaftsministers Giulio Tremonti oder Schweizer Repressalien gegen Italien, wie etwa das Zurückhalten der Quellensteuer von Grenzgängern im Kanton Tessin, trugen auch nicht zu einer Verbesserung der Beziehungen bei.

Die abgekühlte Stimmung, die bislang die Beziehungen prägte, könnte seit Freitag etwas aufgelockert worden sein. Dies zeigte sich anlässlich einer gemeinsamen Sitzung von Schweizer und italienischen Parlamentariern sowie Banken- und Wirtschaftsverbänden, die “sehr gut gelaufen ist, weit besser als die optimistischsten Prognosen”, wie die Tessiner Zeitung Corriere del Ticino den Tessiner Ständerat Filippo Lombardi zitierte.

“Der Ton, der in diesen drei Stunden angeschlagen worden war, hatte rein gar nichts zu tun mit der Polemik der letzten paar Monate”, sagte der Tessiner Ständerat Dick Marty, der als Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerats an der Sitzung teilgenommen hatte, gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.

Abkommen bis März 2012?

Franco Narducci, Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission der italienischen Abgeordnetenkammer, ist gleicher Meinung: “Es war sicher nicht ein gegenseitiges ‘Schulterklopfen’, aber ein Treffen im guten Ton, und ich denke, dass wir die uns gesteckten Ziele erreicht haben.”

Klar zeigte sich an der Sitzung die Bereitschaft, die Verhandlungen sobald als möglich wieder aufzunehmen. Dies hatte Narducci, Parlamentarier der Demokratischen Partei und in der Schweiz lebender Ausland-Italiener, bereits vor einer Woche in der Abgeordnetenkammer erklärt, als die Politiker über die Steuerbeziehungen mit der Schweiz debattierten.

Das dabei abgesegnete Dokument fordert die italienische Regierung auf, “die notwendigen diplomatischen Schritte zu unternehmen, um den Dialog mit der Schweizer Regierung wieder aufzunehmen” und “möglichst bald einen Verhandlungsweg festzulegen, um bis zum 31. März 2012 eine Vereinbarung zu verfassen nach dem Vorbild des Abkommens zwischen der Schweiz und Deutschlands, das für die Vergangenheit eine einmalige Zahlung und für die Gegenwart eine Abgeltungssteuer vorsieht”.

Richtungswechsel

Die Verträge, welche die Schweiz mit Berlin und London abgeschlossen hat – sie müssen noch vom Parlament ratifiziert werden –, sind in Rom nicht unbeachtet geblieben. Zu Beginn der Verhandlungen hatte Wirtschaftsminister Tremonti eher verärgert reagiert und die Idee einer Quellensteuer als “von den Schweizern geschrieben” bezeichnet. Nun hat sich der Wind anscheinend gedreht, weil der gleiche Tremonti heute erklärt, die Abkommen stünden “im Einklang mit der nationalen Position”.

Der Richtungswechsel ist vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass Italien dringend Geld braucht, besonders jetzt, wo ein milliardenschweres Sparpaket geschnürt werden musste. “Alle sind sich bewusst, dass angesichts der Krise viel italienisches Kapital den Weg in die Schweiz fand”, sagte Narducci.

Ball bei Regierungen

Ein Abkommen mit der Schweiz sollte in Italien, wo es – anders als in Deutschland, wo die Sozialdemokraten dagegen kämpfen – breite politische Unterstützung geniesst, im Parlament keinen grossen Stolpersteinen begegnen.

Lamberto Dini von der Partei “Popolo della libertà”, der am Freitag ebenfalls anwesende Präsident der Aussenpolitischen Kommission des italienischen Senats, erklärte, es gebe keinen Grund, nicht mit der Schweiz zu verhandeln. Er werde sich dafür einsetzen, dass die Regierung Verhandlungen aufnehme.

Natürlich bleiben noch viele Fragen, beginnend beim Steuersatz, der für Kapital in der Schweiz gelten soll. Das Abkommen mit Deutschland sieht eine durchschnittliche Besteuerung von 23% vor. Mit Italien könnte der Prozentsatz tiefer liegen, weil dort die Kapitalertragssteuer ebenfalls tiefer ist.

Der Ball liegt nun bei den beiden Regierungen. “Es ist nun an den Regierungen und Parlamenten, zu entscheiden. Aber eines ist sicher: Der politische Wille ist jetzt da”, sagte Dick Marty.

Die Zeiten der Unentschlossenheit und der Streitereien sollten jetzt endgültig zur Seite gelegt werden, ergänzte Franco Narducci. Schliesslich sei die Schweiz der fünftgrösste Wirtschaftspartner Italiens und Italien der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz. Beide Länder hätten somit ein Interesse daran, ein Abkommen zu erhalten.

Einer der Kernpunkte eines möglichen Abkommens zwischen der Schweiz und Italien wird sein, herauszufinden, wie viel italienische Vermögenswerte sich in Schweizer Banken befinden.

Die Schätzungen schwanken zwischen 130 und 230 Milliarden Euro.

Der Präsident der Schweizer Bankiervereinigung, Patrick Odier, war am Freitag ebenfalls in Rom dabei. Er erklärte, die Schweizer Banken seien bereit, den gleichen Schritt zu machen wie mit Deutschland und Grossbritannien, das heisst, genaue Zahlen zu italienischen Vermögenswerten zu liefern.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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