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Schwindender Lebensraum für Raucher

Auf Zigarettenraucher kommen auch in der Schweiz schwere Zeiten zu. Keystone

Die Nichtraucher-Bewegung erringt diese Woche in Genf einen weiteren Sieg. In allen öffentlichen Gebäuden des Kantons wird das Rauchen untersagt.

Dieses Rauchverbot ist Teil einer landesweiten Anti-Tabak-Bewegung gegen das Passivrauchen und verdrängt Raucher aus ihren angestammten Lebensräumen.

Ab dieser Woche werden die Raucher unter den 3600 städtischen Angestellten in Genf gezwungen, ihre Glimmstengel nur noch im Freien anzuzünden.

“Wir denken bei dieser Massnahme in erster Linie an die Gesundheit respektive an das Krebsrisiko, das sich beim Passivrauchen ergibt”, sagt der Genfer Stadtpräsident Manuel Tornare gegenüber swissinfo. “Es ist unsere Pflicht, die Beamten zu schützen.”

Genf als Vorreiter

Genf gehört zu den Vorreitern in der Region, die das Passivrauchen unterbinden wollen. Spitäler und die Universität sind bereits rauchfreie Zone, und Zigarettenwerbung ist im Kanton verboten.

Die Genfer Stimmenden werden wohl als erste in der Schweiz darüber befinden können, ob das Rauchen auch in öffentlichen Räumen wie Restaurants, Freizeitzentren, Museen und Transport verboten werden soll.

Die Initianten, die mehr als 20’000 Unterschriften gesammelt haben, um eine entsprechende Vorlage vors Volk zu bringen, behaupten, sie hätten 70% der Bevölkerung hinter sich.

“Ich stehe hundertprozentig hinter diesem Vorschlag”, sagt der Nichtraucher Tornare. “Die Leute sollen bei sich zu Hause machen, was sie wollen. Doch sie sollen sich in der Öffentlichkeit den anderen nicht aufdrängen.”

Er sehe dies nicht als eine repressive Massnahme, sondern eher als ein Instrument der Gesundheitspolitik, das schon viel früher hätte angegangen werden sollen.

Die Schweiz – einst eine Raucher-Bastion

Das Tempo, in dem die Raucher-Restriktionen in allen Ecken des Landes eingeführt werden, ist beachtenswert.

Während Jahrzehnten galt die Schweiz als Bastion der Raucherinnen und Raucher. Die Zigaretten waren vergleichsweise billig, und Verbote gab es wenige. Doch in den vergangenen Jahren bröckelten diese Schutzmauern der Raucherbastion Schweiz nicht nur, sondern sie zerfielen förmlich.

Die Initianten sprechen von einem grossen Erfolg zu Jahresbeginn, als angekündigt wurde, dass Züge, Busse, Schiffe und die Räumlichkeiten von Transportunternehmen wie Bahnhöfe ab Dezember rauchfrei werden.

Im Kanton Tessin wurde das Parlament aufgefordert, generelle Verbote zu erlassen, was das Rauchen in öffentlichen Räumen betrifft, wie in Restaurants oder Hotels.

In anderen Kantonen gehen die Bemühungen in dieselbe Richtung, entweder durch eine ähnliche Gesetzgebung oder mit einem Verbot von Zigarettenverkauf an Jugendlichen unter 18 Jahren.

Kommt schon bald ein Bundesgesetz?

Jean-Charles Rielle, Arzt und Mitglied des Initiativkomitees in Genf, glaubt, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis wann ein Bundesgesetz das Rauchen in öffentlichem Räumlichkeiten landesweit untersagen wird.

Rielle, der altgediente Anti-Tabak-Aktivist, lässt durchblicken, dass die Kantone und das Volk ein schweizweites Verbot durchbringen könnten, falls die Landesregierung hier nicht schnell agiere.

“Die Gesellschaft entwickelt sich, und es ist allgemein anerkannt, dass Passivrauchen gefährlich ist”, so Rielle. “Ein allgemeines Rauchverbot in der Öffentlichkeit liegt in der Luft.”

Landesweite Tabakverbots-Abstimmung hängt in der Luft

Ob eine landesweite Abstimmung zum Thema Passivrauchen nötig sein wird, hängt davon ab, wie schnell und effizient die Bundesmaschinerie arbeitet.

Eine Motion im Parlament, die das Rauchen in der Öffentlichkeit verbieten will, wartet darauf, deponiert zu werden. Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit wartet auf grünes Licht, das Anliegen dem National- und dem Ständerat vorzulegen.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird bis Ende Jahr einen Bericht vorlegen, wie Nichtraucher vor dem Passivrauchen geschützt werden können.

“Der Prozess in Richtung Schutz der Nichtraucher und vermehrter Tabak-Kontrolle ist im Gang”, sagt Sabina Müller vom BAG.

Das Bundesamt dürfte im kommenden Jahr auch an die Revision des Gesetzes gehen, das ein Verbot der Zigarettenwerbung anzielt. Bereits Verbote bestehen nur in den Kantonen Genf, Basel-Stadt und Zug.

EU: Auch das Event-Sponsoring ist verboten

Die Europäische Union (EU) hat Zigarettenwerbung seit Ende Juli dieses Jahres in den Printmedien, dem Radio und dem Internet verboten. Tabak-Sponsoring von grenzüberschreitenden Kultur- und Sportereignissen ist ebenfalls untersagt.

Gastrosuisse, der landesweite Verband der Restaurateure und auch zahlreicher kleinerer Hoteliers, schickt sich an, gegen das Verbot zu kämpfen – in einem verzweifelten Endkampf mit wenig Chancen.

Gastrosuisse legt Zahlen vor, die eine Umsatzeinbusse von 10% seit Jahresbeginn indizieren, wegen der seit Januar verschärften Alkoholgesetzgebung. Der Branchenverband warnt, ein Rauchverbot könnte nun so manches Restaurant endgültig über die Renditekippe werfen.

Anti-Tabak-Kampagne: “Aggressiv und gewalttätig”?

Dieser Ansicht ist auch Laurent Terlinchamp, Präsident der Genfer Cafetiers und Restaurateure. Er fühle sich hilflos gegenüber einer “aggressiven und gewalttätigen” Kampagne, die das Rauchen kriminalisieren wolle.

“Wir sind uns der Gefahren des Passivrauchens und des Umstandes, das 70% unsere Gäste Nichtraucher sind, völlig bewusst”, sagt Terlinchamp, dessen Verband 1400 Mitglieder zählt.

“Doch wir glauben, dass es genügend Restaurants in Genf gibt, die den Bedürfnissen von Nichtrauchern und von Rauchern gleicherweise entgegen kommen.” Es sei deshalb kein Bedürfnis nach noch mehr Gesetzgebung vorhanden, die ohnehin schwierig durchzusetzen sein werde.

swissinfo, Adam Beaumont in Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Genf ist Sitz der Weltgesundheits-Organisation. Die Stadt sucht eine Vorreiterrolle in der Anti-Tabak-Politik.

So ist Zigaretten und Tabak-Werbung auf Plakatwänden verboten.

Statistiken zeigen auf, dass landesweit rund 8300 verfrühte Todesfälle auf das Rauchen zurück zu führen sind, und dass das Rauchen rund 5 Mrd. Franken Kosten in Form von Krankheit und Arbeitsausfällen nach sich zieht.

Diesen Mai hat das BAG eine Kampagne gegen das Passivrauchen am Arbeitsplatz gestartet.

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