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Steuerdeal mit USA perfekt

Keystone

Die UBS soll laut US-Offiziellen über 4000 Kundendaten mutmasslicher Steuerbetrüger an die US-Steuerbehörden herausgeben. Die USA übermitteln dafür ein neues Amtshilfegesuch an die Schweiz und verzichten auf die Durchsetzung der Zivilklage.

Dies teilten die beteiligten Eidgenössischen Departemente am Mittwoch zum Vergleich in der Steueraffäre zwischen den USA und der Schweizer Grossbank UBS mit.

Gemäss der Schweizer Mitteilung handelt es sich um 4450 Konten, die die Schweiz innert eines Jahres bearbeiten muss.

Keine Euphorie, aber Erleichterung

An einer Medienkonferenz in Bern sagte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, es bestehe kein Grund zur Euphorie. “Wir haben wohl die Talsohle überschritten, aber wir sind noch lange nicht über den Berg.”

Der Bundesrat sei erleichtert, dass die Beziehungen zwischen der USA und der Schweiz nicht länger gefährdet seien, sagte Widmer-Schlumpf. Das neue Gesuch der USA betreffend die etwa 4450 Konten werde im Rahmen des geltenden Rechts bearbeitet.

Eine weitere Daten-Herausgabe gestützt auf Notrecht sei für den Bundesrat nicht in Frage gekommen. Und eine Bezahlung von Steuerschulden duch die UBS sei keine Option gewesen, weil die USA gegen mutmassliche Steuerbetrüger vorgehen wolle.

Die schweizerische Rechtsordnung werde voll und ganz respektiert werden, versicherte die Justizministerin. Die Umsetzung des Abkommens stelle die Schweiz vor grosse Herausforderungen. Eine Alternative gebe es aber nicht.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey betonte an der Medienkonferenz, ein Rechtskonflikt zwischen der Schweiz und den USA habe verhindert werden können. “Die Rahmenbedingungen für den Finanzstandort Schweiz konnten stabilisiert werden. Und für die UBS konnte ein existenzbedrohender Konflikt abgewendet werden.”

Die Eidg. Finanzmarktaufsicht (Finma) begrüsste den Abschluss des aussergerichtlichen Vergleichs zwischen der Schweiz und den USA. Finma-Sprecher Tobias Lux sprach in diesem Zusammenhang von einem wichtigen Schritt für die Grossbank UBS. Zum Inhalt des Vergleichs äusserte er sich jedoch nicht.

Anspruchsvolle Umsetzung

Die Umsetzung des Abkommens sei äusserst anspruchsvoll. Es sei nicht völlig ausgeschlossen, dass es trotz Schaffung einer Projektorganisation nicht gelinge, die vereinbarte Anzahl Fälle innerhalb der vereinbarten Frist von einem Jahr zu bearbeiten. Offen sei noch die Zustimmung des Bundesverwaltungsgerichts, sagte Widmer-Schlumpf.

Finanzminister und Bundespräsident Hans-Rudolf Merz erklärte seinerseits, die Schweiz habe mit der heutigen Vereinbarung wichtige Interessen durchsetzen können. Die Kosten der Amtshilfe würden sich etwa auf 40 Millionen Franken belaufen.

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Die Details

Die USA ziehen das vor dem zuständigen Gericht in Miami hängige Durchsetzungsbegehren im US-Zivilverfahren gegen die UBS sofort zurück und verpflichten sich, kein weiteres Durchsetzungsbegehren zu stellen.

Um eine steuerrechtliche Verfolgungsverjährung zu verhindern, bleibt das US-Zivilverfahren vorerst formell noch hängig. Es wird aber gestaffelt bis spätestens 370 Tage nach Unterzeichnung des Abkommens definitiv und vollständig zurückgezogen.

Die amerikanische Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) wird auf der Basis des geltenden bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ein neues Amtshilfegesuch an die Eidg. Steuerverwaltung übermitteln.

Das neue Gesuch wird sich auf bestimmte Kriterien eines Handlungsmusters stützen, die es im Falle der UBS und im Rahmen des schweizerischen Rechts und der Gerichtspraxis erlauben, Fälle von “Steuerbetrug und dergleichen” zu identifizieren. Unter dieses Muster fallen die rund 4450 Konten.

Zufriedene IRS…

Vor Journalisten in Washington sagte Doug Shulman, Kommissar der US-Steuerbehörde IRS: “Wir konnten langwierige gerichtliche Verhandlungen und Gerichtsverfahren umgehen, indem wir 4450 Konten herausfilterten, die für uns von grösstem Interesse waren.”

Das Abkommen beinhalte das, was die IRS immer angestrebt habe. “Es gibt keinen Patentzugang in die Welt des Bankgeheimnisses, aber der Vergleich ist ein wichtiger Schritt bei der Aufweichung des Bankgeheimnisses.”

Und weiter erklärte der IRS-Kommissar: “Wir werden eine noch nie dagewesene Menge von Informationen erhalten. Diese Konten beinhalten zur Zeit 15 Milliarden Dollar. Sie können davon ausgehen, dass wir weiterhin sehr energisch gegen Institutionen vorgehen werden, die Amerikanern bei der Steuerhinterziehung helfen.”

…und zuversichtlicher Kaspar Villiger

UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger ist zuversichtlich, dass die Bank durch den Vergleich nun wieder zukunftsgerichtet arbeiten kann. “Die Vereinbarung trägt zur Lösung eines der dringlichsten Probleme der UBS bei”, wird Villiger in einem Communiqué zitiert.

Villiger zeigte sich zudem erleichtert, dass die Zielsetzung der Vereinbarung im Rahmen der geltenden Gesetze und des bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen den beiden Ländern erreicht werden könne. Der ehemalige Bundesrat meinte zudem, dass die UBS nun durch solide Leistungen und erstklassigen Kundenservice auch ihre Reputation wieder herstellen könne.

Unterschiedliche Rechtssysteme

Das Abkommen zwischen beiden Staaten wurde am Mittwoch in Washington unterzeichnet und trat gleichentags in Kraft.

Die Schweiz hatte sich mit den USA nach monatelangen Verhandlungen vor einer Woche definitiv auf einen Vergleich geeinigt und damit einen Prozess abgewendet.

Die Staaten hatten untereinander verhandelt, weil es auch um einen Konflikt der verschiedenen Rechtssysteme ging.

Zufriedene Finanzwirtschaft

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist zufrieden mit den Details des Vergleichs im Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA. Ein langwieriger Prozess mit unsicherem Ausgang habe vermieden werden können. Nun könne die UBS ohne rechtliche Unsicherheit ihre Konsolidierungsphase weiterführen.

Dass die gefundene Lösung uneingeschränkt geltendem Schweizer Recht entspreche, sei wichtig für den Finanzplatz Schweiz. Ausländische Kunden müssten sich auf die Berechenbarkeit der Schweizer Rechtsordnung verlassen können.

Für Gerold Bührer, Präsident des Wirtschafts-Dachverbandes Economiesuisse, sind durch die aussergerichtliche Einigung in der UBS-Affäre die Beziehungen Schweiz-USA durch den Steuerstreit nicht mehr belastet. Der Wirtschaftsdachverband ist erleichtert über das Abkommen.

“Der zentrale Punkt war für uns die Einhaltung der Schweizer Rechtsordnung und die Rücksicht auf die Rechtsmittel der Beklagten: beides ist eingehalten worden”, sagte Bührer.

swissinfo.ch und Agenturen

Im Mai 2008 war den US-Behörden ein Fisch ins Netz gegangen, auf den sie lange gewartet hatten: Eine Untersuchung der Steuerbehörde IRS zu den Tätigkeiten des russischen Immobilienhändlers Igor Olenicoff trug den Ermittlern den Namen seines Privatbankiers Bradley Birkenfeld ein.

Dem ehemaligen Direktor der Private-Banking-Abteilung konnte nachgewiesen werden, im Ausland betrügerische Anlagefonds und Firmen gegründet zu haben, um rund 150 Mio. Dollar an Vermögen reicher Klienten wie Olenicoff zu verbergen.

Im Februar 2009 beugte sich die UBS dem Druck. Nach einer Finma-Verfügung übergab die Bank Daten von rund 250 Kunden, die des Steuerbetrugs verdächtigt wurden. Zudem zahlte sie eine Busse von 841 Mio. Fr.

Danach doppelten die US-Behörden mit der nun hängigen Zivilklage nach. Sie verlangen von der UBS Angaben zu 52’000 Konten, deren Besitzer der Steuer-Hinterziehung verdächtig werden.

Die UBS argumentierte, mit einer Herausgabe der Daten würde Schweizer Recht(Bankkundengeheimnis) verletzt. Die Klage sollte daher aus Respekt vor Rechtssprechung und Souveränität eines anderen Staates nicht weiter verfolgt werden.

Dies vertritt auch die Schweizer Regierung, die selber juristisch nicht Prozesspartei ist.

Am 13. Juli erreichten die Parteien im Rechtsstreit einen Aufschub des Prozessbeginns bis am 3. August. Dieser sollte eine aussergerichtliche Einigung erleichtern.

Am 31. Juli traf Aussenministerin Micheline Clamy-Rey in Washington mit ihrer US-Amtskollegin Hillary Clinton zusammen. Dabei ging es unter anderem um den Rechtsstreit.

Am 7. August gewährte US-Richter Alan Gold einen weiteren Aufschub im UBS-Steuerstreit.

12. August: Die UBS und die US-Steuerbehörde IRS einigen sich auf einen aussergerichtlichen Vergleich. Über den Inhalt des Abkommens wird noch nichts bekannt.

19. August 2009: Der aussergerichtliche Vergleich wird in Washington unterzeichnet und tritt gleichentags in Kraft. Er sieht vor, dass die USA ein Amtshilfegesuch für die Herausgabe von rund 4450 Konten stellen und die Schweiz dieses innert eines Jahres bearbeiten muss.

Die Schweiz verkauft ihre Beteiligung in der Höhe von sechs Milliarden Franken an der Grossbank UBS. Die vom Bund gehaltene Pflichtwandelanleihe soll in Aktien umgewandelt und an institutionelle Investoren verkauft werden, wie die UBS mitteilte.

Die Umwandlung soll voraussichtlich am 25. August erfolgen. Dazu will die UBS rund 332 Millionen neue Aktien mit einem Nominalwert von 0,1 Franken ausgeben. Zum heutigen Kurs haben diese neuen Aktien einen Wert von 5,56 Mrd. Franken.

Der Bund verzichtet nach Angaben der UBS zudem auf einen Zins auf die gewandelte Anleihe, bekommt von der Bank aber 1,8 Mrd. Franken, was dem Wert der künftigen Zinsszahlungen entspricht.

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