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Unternehmens-Steuerparadies Schweiz in Gefahr

Zug ist bekannt als steuerlich günstiger Standort für Unternehmen. (Bild: imagepoint) imagepoint

Die Schweiz riskiert, bald von der Topliste der steuerlich für Unternehmen attraktiven Standorte verdrängt zu werden, warnt eine internationale Studie.

Starker Wettbewerb aus Irland oder Osteuropa, kombiniert mit EU-Angriffen auf das Schweizer Steuersystem, könnten dem Ansehen zusetzen.

Die Untersuchung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens KPMG zeigt, dass die Schweiz als Ganzes innerhalb der Topliste der Unternehmens-Standorte einen mittleren Platz besetzt.

Einige Kantone jedoch, die ihre eigene Steuerhoheit ausnützen, sind gut platziert, obschon in den letzten Jahren die Unternehmens-Steuern weltweit stark nachgelassen haben.

Die heutige Steuersituation in der Schweiz aus Sicht der Investoren wird von den Wirtschaftsförderungsstellen durchwegs als gut bis sehr gut beurteilt.

Position könnte sich verschlechtern

Dennoch ist die Hälfte der 26 von KPMG untersuchten kantonalen Standort-Agenturen der Überzeugung, dass sich ihre Position verschlechtern wird. Ein weiteres Drittel glaubt, dass die Schweiz ihre Position auf der Topliste zwar halten, aber nicht mehr verbessern wird.

Olivier Gehriger, KPMG-Partner, sagt gegenüber swissinfo, dass der laufende Steuer-Konflikt der Schweiz mit der EU Grund für diese Pessimismus sein dürfte.

Denn im Vorjahr warf die Europäische Kommission den Kantonen vor, das Freihandels-Abkommen von 1972 zu verletzen. Und dieser Streit dauert noch an.

“Dies ist ein typisches Beispiel für die Art, wie die EU bei der Schweiz Druck aufsetzt, damit das Steuersystem geändert wird”, sagt Gehriger. “Manche denken nun, die einzige Möglichkeit, diesem Druck auszuweichen, bestehe im Beitritt zur EU.”

Gehriger fügt hinzu, dass prohibitive Kosten und Regulierungen ebenfalls ein Grund dafür seien, weshalb Unternehmen in der Schweiz nicht ansässig werden. So bevorzugte vor einem Jahr das weltgrösste Biotech-Unternehmen, Amgen, am Schluss Irland statt der Schweiz als Standort.

Irland gilt als das herausragende Beispiel, wie man seine Politik konsequent darauf ausgerichtet hat, neue Investitionen anzuziehen. Der offizielle Unternehmenssteuersatz wurde seit 1993 stufenweise von 40 auf 12,5% gesenkt, und heute hat das Land die niedrigsten Unternehmenssteuern aller Industrienationen.

Rechtssicherheit, gute Dienstleistungen

Die Schweiz ist als Standort attraktiv auf Grund anderer Faktoren, wie etwa Rechtssicherheit oder gute Dienstleistungen.

Mit einem Steuersatz von 29% liegt die Schweiz auf Platz 13 der insgesamt 86 untersuchten Ländern. Am wenigsten Steuern bezahlen müssen Firmen im Kanton Obwalden, in Zug und Appenzell Innerrhoden. Der Kanton Graubünden weist den höchsten Steuersatz auf.

Am wenigsten Steuern müssen laut KPMG Unternehmen auf Zypern und in Irland bezahlen. Auf Caymen Island entfallen Unternehmenssteuern gänzlich.

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Steuersystem

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz werden die Steuern von Gemeinden, Kantonen und dem Bund erhoben. Kantone und Gemeinden sind in ihrer Steuerpolitik autonom. Die Höhe der Steuern kann somit je nach Wohnort stark abweichen. Die Bundessteuer ist jedoch im ganzen Land gleich hoch. Der grösste Teil der direkten Steuern geht an Gemeinden und Kantone. Die Bundesssteuer ist…

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Neue EU-Mitglieder besonders attraktiv

Zu den grossen Aufsteigern im Ranking um die attraktivsten Steuerstandorte gehört laut der Studie aber auch die Region Osteuropa, insbesondere die neuen EU-Mitgliedstaaten per 1. Mai 2004.

Mit Bulgarien, Lettland, Litauen, Ungarn, Rumänien, Polen und Slowakei belegen 7 osteuropäische Länder die Top 10 in Europa. Auch Kroatien und Albanien liegen noch vor der Schweiz.

Aber die Vorteile seien nur kurzfristiger Natur, wenn sie nicht durch eine solide rechtliche und wirtschaftliche Infrastruktur sowie durch gezielte Anreize abgestützt werden.

swissinfo, Matthew Allen und Agenturen
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Grossbritannien war das erste Land, das den modernen Trend des Steuer-Wettbewerbs zwischen den Ländern begründete.

Zwischen 1982 und 1985 gingen die Steuersätze von 52 auf 35% zurück, so dass die anderen Länder nachziehen mussten.

Dieser Satz erreicht inzwischen in England 30% – ironischerweise heute einer der höheren innerhalb der vom KPMG untersuchten Länder.

Irland begann 1993 bei 40% und ist heute bei 12% angelangt.

Die Europäische Kommission machte erstmals im September 2005 auf die Steuersatz-Konkurrenz der Schweiz aufmerksam.

Sie ist der Ansicht, die Schweiz verstosse damit gegen die Regeln des Freihandels-Abkommen, das 1972 die damalige EWG mit der Schweiz schloss.

Trotz mehrerer Meetings mit Schweizer Vertretern ist diesbezüglich noch keine Lösung oder Übereinkunft in Sicht.

Einige Landes-Steuersätze (Unternehmens-Besteuerung):
Japan 40.7%
USA 40%
Deutschland 38,3%
Schweiz 21,3%
Irland 12,5%
Zypern 10%

Einige kantonale Steuersätze:
Obwalden 13,1%
Schwyz 15,6%
Zug 16,4%
Zürich 21,3%
Graubünden 29,1%

KPMG ist ein Netz von Wirtschaftsprüfern und Unternehmens-Beratern.

Ihm gehören weltweit in 144 Ländern 104’000 Mitarbeitende an. In der Schweiz beschäftigt die KPMG Holding 1470 Personen in 13 Städten.

Im Geschäftsjahr 2005 setzte KPMG Schweiz 367 Mio. Franken um, was einem Wachstum von 12,9% gegenüber dem Vorjahr gleichkommt.

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