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US-kritische Grundstimmung in Davos

Harsche Kritik an den USA: Mahathir bin Mohamad. Sebastian Derungs

Die Regierung von US-Präsident George W. Bush wird am Weltwirtschafts-Forum (WEF) in Davos mit Kritik überhäuft.

Opposition gegen einen möglichen Krieg gegen den Irak dominierte die Hauptveranstaltung vom Freitag mit US-Justizminister John Ashcroft.

“Ich spüre, dass die Amerikaner und ihr Verhalten nicht von allen unterstützt werden”, sagt Alt-Bundesrat Adolf Ogi, früherer Bundespräsident der Schweiz, nach Ashcrofts Rede gegenüber swissinfo.

“Wir sorgen uns, denn falls es zu einem Krieg gegen den Irak kommt, werden wir nicht nur im Irak Probleme haben. Die ganze Welt wird ein Problem haben.” Und Ogi betont: “Die Wirtschaftsführer hier sind sich dessen bewusst.”

Eine gewisse Unruhe

“Dieses Jahr steht nicht die Wirtschaft im Zentrum”, sagt Kenneth Roth, Direktor der US-amerikanischen Menschenrechts-Organisation “Human Rights Watch”. Noch an keinem WEF-Meeting habe er eine derart argwöhnische Haltung allem Amerikanischen gegenüber verspürt wie dieses Jahr.

Doch auch Roth hält nicht mit Kritik an seiner Regierung zurück: “Die Scheinheiligkeit der USA, die selber Menschenrechte missachtet, wird dazu führen, dass der Kampf gegen den Terrorismus fehl schlagen wird.”

Er hoffe nur, dass die US-Regierung das hier herrschende Unbehagen über ihr Verhalten noch früh genug bemerke.

US-Justizminister Ashcroft nutzte die Veranstaltung zur Verteidigung der US-Politik. Es sei deren Ziel, überall auf der Welt die Freiheit zu schützen. Wer den Frieden liebe, müsse den Kampf gegen den Terror unterstützen.

Klartext

Trotz Ashcrofts Versicherungen fühlten sich Beobachter teilweise eher an einem der alternativen Foren, die neben dem offiziellen WEF-Meeting laufen: Viele Politiker und Wirtschaftsführer wagten sich mit ihren Voten weit vor.

“Ich denke, die Leute fühlen sich hier in Davos freier als letztes Jahr in New York”, sagt Adolf Ogi. “Das WEF war immer von den Amerikanern dominiert, speziell im letzten Jahr, als Amerikaner in allen Gremien sassen.”

Das sei dieses Jahr anders, und darum “fühlen sich viele etwas freier, ihren Standpunkt klar darzulegen.”

Armut und Verzweiflung

Die Anti-Washington-Stimmung erreichte ihren Höhepunkt mit der Ansprache des Präsidenten von Malaysia, Mahathir bin Mohamad. Die USA würden eine Spaltung der Welt riskieren, falls sie den Terrorismus mit Terror bekämpften.

Mahathir ist der Meinung, dass Terroristen aus Armut und Verzweiflung zur Waffe greifen würden. Es sei daher wichtig, in den Ländern, in denen der Terrorismus entstehe, bessere Lebensbedingungen für alle zu schaffen.

“Menschen binden sich nicht aus Spass Bomben um oder steuern ein Flugzeug in ein Gebäude”, betonte er. “Die Armen haben auf die einzige Art zurückgeschlagen, die ihnen möglich war.”

Vor Mahathirs Mahnruf hatte Bundespräsident Pascal Couchepin die USA unverblümt vor einer einseitigen Militäraktion gegen den Irak gewarnt.

Beiden Staatsmännern war ein tosender Applaus von den über 2000 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik und Nichtregierungs-Organisationen gewiss.

Unüblich

Der anti-amerikanische Ton ist für Davos nicht üblich, wenn man sich an die Geschichte des WEF und die wichtige Rolle der Amerikaner im Forum erinnert.

Kenneth Roth betont, dass das Treffen in den vergangenen Jahren hauptsächlich amerikanisches Unternehmertum und Geschäfts-Philosophien abgefeiert habe.

“Diesmal gibt es für die Wirtschaft nichts zu feiern. Unter anderem wegen der Skandale um Enron und WorldCom”, erklärt er.

Doch nicht nur in Davos weht ein kühlerer Wind – viele von Europas führenden Köpfen haben sich dieses Jahr vor dem Treffen gedrückt. Prominenteste auf der Absentenliste: Die Regierungschefs von Grossbritannien, Frankreich und Deutschland.

swissinfo-Sonderkorrespondent Jacob Greber, Davos

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