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USA-Schweizer von Schweizer Banken diskriminiert

Keystone

Die Diskriminierung der US-Auslandschweizer durch die vom amerikanischen Steueramt unter Druck gesetzen Schweizer Banken zieht weitere Kreise. Im Parlament wird Nationalrat Ruedi Noser aktiv. Er bemängelt die Strategielosigkeit des Bundes.

In den Disput rund um die Aufweichung des Bankgeheimnisses sind auch die Auslandschweizer hineingeraten.

Während Monaten war im Zusammenhang mit dem Thema Bankgeheimnis und UBS-Aktivitäten in erster Linie von Ausländern die Rede, von denen vermutet wird, dass sie mittels Schweizer Konten Steuerhinterziehung oder –betrug begangen hätten.

Doch ins Netz der US-Steuerbehörde sind auch die Auslandschweizer mit Wohnsitz in den USA geraten, ob Doppelbürger oder nicht. Aus Furcht vor den US-Steuerbehörden kündigten einige Schweizer Banken vorsorglich vielen US-Kunden, darunter eben auch Auslandschweizern, die Konten – in einigen Fällen nach Jahrzehnten kontinuierlicher Geschäftsbeziehungen.

Eine Massnahme, die aus wirtschaftlicher Sicht legitim, aber politisch umstritten ist, weil Auslandschweizer in den USA damit gegenüber ihren Landsleuten in andern Ländern und im Inland benachteiligt werden.

Parlamentarische Anfrage geplant

Der Auslandschweizer-Rat, sozusagen das Parlament der Auslandschweizer, wird sich laut Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), Anfang August am ASO-Kongress in Luzern sicher auch mit diesem Problem befassen.

“Die Fälle, in denen Auslandschweizern, die ihre Vermögen korrekt deklariert hatten, ihre Bankkonten trotzdem gekündigt wurden, zeigt eindeutig die Überreaktion der Schweizer Banken”, sagt der freisinnige Zürcher Nationalrat Ruedi Noser gegenüber swissinfo.ch.

Die Schweiz sei in diese Situation “strategielos reingerutscht”. Allein schon mit einer sauberen Auslegeordnung wäre man auf einige überraschende Aspekte, die sich aus der Bankgeheimnisfrage ergeben, vorbereitet gewesen. Er plant, in der kommenden Saison beim Bundesrat per parlamentarische Anfrage vorstellig zu werden.

Vermeidbare, unangenehme Aha-Erlebnisse

Als Politiker und Parlamentarier bemängelt Noser die nicht wahrgenommene Führungsaufgabe des “Gesamtbundesrats, nicht nur einzelner Departemente”: Viele unangenehme Aha-Erlebnisse der letzten Wochen wären vermeidbar gewesen, hätte der Bund eine Strategie gehabt.

Ganz klar stellt Noser fest: “Eine Bank kann doch nicht einem Schweizer ein Konto verweigern, einfach nur auf Grund der Tatsache, dass der Betreffende in den USA wohnt.” So eine Pauschalisierung sei nicht zulässig.

Mit einem ironischen Unterton kommentiert er den Vorschlag, in der Schweiz verbliebene Familienmitglieder bei der Konto-Übergabe einzuspannen. Dabei könnten Elternteile oder Geschwister des Auslandschweizers, dessen Konto gekündigt ist, vorübergehend dessen Bankbeziehungen übernehmen.

Genau so laufe es ja teilweise mit Bankkunden aus orientalischen Ländern, nur dass es sich dort um eine ganz andere Familienkultur als die schweizerische handle. “Die Schweizer Politik sollte eben gerade darum besorgt sein, dass die Leute in der Schweiz nicht auch auf solche ‘Lösungen’ setzen müssen, weil ihnen nichts anderes mehr übrig bleibt.”

Zünglein an der Wage

“Auslandschweizer sind längst nicht alle am Bankgeheimnis interessiert”, sagt Rudolf Wyder. “Alle sind aber daran interessiert, dass ihr Land gut dasteht.” Wegen ihrer Exponiertheit seien die Schweizer im Ausland mehr als Inländer auf das Image ihres Landes sensibilisiert. Sie reagierten auch sensibel auf das Image der Schweizer Banken im Ausland, nicht nur auf das eigene Bankkonto.

Die starke persönliche Betroffenheit vom Thema Bankgeheimnis lasse den Schluss zu, dass viele Auslandschweizer im nächsten Jahr mitstimmen werden, wenn die Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) vors Volk kommen sollten, vermutet Wyder.

Das Ausmass der Aufweichung des Bankgeheimnisses lässt sich aus den Revisionspunkten der DBA ermessen, wenn diese erst einmal veröffentlicht werden.

Ob die Auslandschweizer eher für oder gegen diese DBA-Revisionen sein werden, lässt sich laut Wyder nicht sagen, bevor der Inhalt der neuen Abkommen bekannt ist.

Je knapper jedoch die Resultate in der Schweiz selber ausfallen sollten, so die Regel, desto mehr werden die Stimmen der Auslandschweizer zum Zünglein an der Wage.

Bankkundengeheimnis ist auch eine Art Datenschutz

In Deutschland empörten sich vergangenes Wochenende sozialdemokratische und linke Politiker sowie Datenschützer über das Ansinnen der EU-Kommission, Bankdaten aus Europa an US-Terrorfahnder weiter zu geben.

Die Vize-Vorsitzende der Linkspartei, Halina Wawzyniak, wirft den USA gar eine Terror-Paranoia vor. Sie warnte: “Die Gefahr ist, dass jeder Bürger, der nur einen Cent von Konto zu Konto überweist, komplett durchleuchtet wird.”

Ähnliche Befürchtungen hegen auch viele Schweizer. “Gerade in nordischen Ländern gibt es rund um die Idee des Datenschutzes intensive Diskussionen”, sagt Noser.

“Diese Reaktion von Politikern und Datenschützern in Deutschland zeigt doch, dass es in diesem Land ein gemeinsames Interesse mit der Schweiz gibt.”

Privatsphäre statt Steuerbetrug

Auch in anderen europäischen Ländern dürfte man ähnlich denken: “Datenschutz interessiert die Leute. Es will wohl kaum jemand, dass alle Staaten auf alle Konto-Informationen zugreifen können.”

Es liege am Bundesrat, hier entsprechend zu kommunizieren: “Ein Bankgeheimnis zum Schutz der Privatsphäre statt zum Schutz von Steuerbetrügern wäre die Hausaufgabe. Sauber kommuniziert, hätte diese Botschaft auch in Europa eine Chance, verstanden zu werden.”

Der Bundesrat sollte, so der freisinnige Parlamentarier, innerhalb seiner Strategie auch Grenzen setzen können, und gleichzeitig aktiv vorgehen: “Damit würde die Schweiz nicht immer als Verliererin vom Platz gehen, sondern auch einmal als Siegerin.”

Alexander P. Künzle, swissinfo.ch

2008 waren fast 680’000 Schweizer im Ausland ansässig.

Zwei Drittel davon lebten in der EU.

In den USA lebten fast soviel Schweizer wie in Deutschland, nämlich 74’000.

Zählt man alle Auslandschweizer zusammen, könnten sie bevölkerungsmässig den viertgrössten Kanton des Landes bilden, hinter Zürich, Bern und der Waadt.

Drei Viertel aller Auslandschweizer sind Doppelbürger.

Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertritt die Interessen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in der Schweiz.

Sie informiert die Landsleute im Ausland über das Geschehen in der Schweiz und bietet ihnen eine breite Palette von Dienstleistungen an.

Die seit 1916 bestehende Organisation wird von den Behörden als Sprachrohr der Fünften Schweiz anerkannt.

Information und Beratung in Rechts-, Sozialversicherungs- und Ausbildungsfragen gehören ebenso zu den Angeboten wie die “Schweizer Revue” und Aktivitäten für junge Auslandschweizer.

Ob Besteuerung von Holdings in der Schweiz, Zinsbesteuerung von ausländischen Privatvermögen, bilaterale Verträge, kantonale Steuerprivilegien für Unternehmen, Vorwurf der Steueroase:

Meinungsverschiedenheiten zwischen der Schweiz und vielen Industrieländern schwelen schon seit langem.

Das Thema Steuerhinterziehung/betrug dominiert im Zusammenhang mit der Aufweichung des Bankgeheimnisses den Streit vor allem mit den USA und Deutschland (OECD-Standards beim Informationsaustausch in den Doppelbesteuerungs-Abkommen).

Stark Öl ins Feuer gegossen haben das Gebaren des UBS, der grössten Bank der Schweiz und langezeit grössten Bank für Vermögensverwaltung, in den USA, sowie die Verschuldung vieler Regierungen im Zusammenhang mit den staatlichen Massnahmen zur Wirtschaftsankurbelung.

Auch die Rolle des Finanzplatzes Schweiz und der Finanzplätze allgemein sowie das Beibehalten der liberalisierten Kapitalströme und –transaktionen spielen eine Rolle im Steuerstreit.

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