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Vampir Bobos Griff nach den Show-Sternen

An DJ Bobo haben sich christliche Kreise die Zähne ausgebissen. Keystone

Internationale Buchmacher setzen den Schweizer Entertainer DJ Bobo mit seinem umstrittenen Song "Vampires Are Alive" beim Eurovision Song Contest vom 12. Mai aufs Siegerpodest.

Vorher muss der Aargauer jedoch am Donnerstag Abend in Helsinki den Halbfinal überstehen, denn nur 10 der 28 dort antretenden Ländervertreter werden am Final teilnehmen.

Der Schweizer Vampir steht in der Ausscheidung unter anderem in Konkurrenz mit einem für die Ukraine startenden Transvestiten und einer Gruppe aus Israel, die gegen das atomare Wettrüsten ansingt.

Diese Interpeten haben nur eines gemeinsam: Sie haben in ihren Ländern den Zorn religiöser oder patriotischer Konservativer heraufbeschworen.

Am Final am Samstagabend werden weiter die neun bestplatzierten Länder des Jahres 2006 sowie Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien teilnehmen – die vier potentesten Beitragszahler der “European Broadcasting Union” (EBU), die seit 1956 den “Eurovision Song Contest” (ESC) ausrichtet.

Radikale Meinungsänderung

Bisher war René Baumann alias DJ Bobo überhaupt nicht an der paneuropäischen Schlager-Plattform ESC interessiert. Nach deren Vergrösserung und dem letztjährigen Sieg der finnischen Monsterrocker Lordi scheint sich dies jedoch radikal geändert zu haben. Für ihn war es eine “megaprofessionelle Riesenshow”, die ihn begeisterte.

Zum anderen habe er keine Lust mehr gehabt, dass die Schweiz sich von ausländischen Interpreten vertreten liess, nur weil sich Schweizer Künstler nicht trauten mitzumachen oder den Anlass total daneben fanden. Nicht zuletzt habe bei ihm auch eine gewisse Portion Nationalstolz mitgespielt, verriet er der Berner Zeitung (BZ).

“Wir haben es mit “Vampires Are Alive” geschafft, das Visuelle und das Musikalische in Einklang zu bringen. Der seichte Popsong, der das Dramatische wieder entschärft – ich bin unglaublich zufrieden mit diesem Song”, sagte DJ Bobo.

DJ Bobos Beitrag wurde von einer nationalen Jury mit Vertretern der drei Schweizer Sprach-Fernsehketten und dem Privatsender Viva Schweiz aus über 60 Titeln für den Song Contest ausgewählt.

Überraschender Wirbel

Der Wirbel um sein Lied scheint auch ihn überrascht zu haben: “Dass der Song zu einer Glaubensfrage wird, ist Wahnsinn. Als ich ihn geschrieben habe, dachte ich keine Sekunde daran, dass jemand auf die Idee kommen könnte, darin eine religiöse Aussage zu sehen. Ich wollte nie einen Skandal produzieren.”

Tatsächlich haben fast 50’000 Menschen in der Schweiz mit ihrer Unterschrift unter eine Petition dagegen protestiert, dass ihr Land am ESC mit DJ Bobos Vampirsong vertreten wird.

Lanciert hatte die Bittschrift an die Landesregierung die christlich-konservative Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU). Das Lied enthalte laut EDU-Nationalrat Christian Waber eine verheerende Botschaft. “Verkaufe deine Seele”, heisse es im Lied etwa, oder “freue dich auf den Weg vom Himmel zur Hölle.” Der Liedtext verniedliche die Hölle und den Teufel.

Auch die Schweizerische Evangelische Allianz hatte sich beim Bundesrat wegen des “verantwortungslosen Textes” beklagt.

Aber auch diese vereinten Anstrengungen konnten die Landesregierung nicht davon überzeugen, sich in den europäischen Bardenwettstreit einzumischen.

In einer Umfrage von swissinfo waren übrigens 64% der Teilnehmenden der Meinung, DJ Bobos Vampir-Song verstosse nicht gegen den guten Geschmack.

Vom Vampir zum Hungerbotschafter

Exkonditor René Baumann kreiert aber nicht nur “satanische” Eurovisions-Beiträge. Er amtet auch als Botschafter für das UNO-Welternährungsprogramm (WFP). Kürzlich war er in offizieller Mission in Äthiopien. Er ist der erste Schweizer Prominente, der zum WFP-Botschafter ernannt wurde.

Seinen nächsten Einsatzort kennt er noch nicht. Er reise eben nicht wie andere Prominente “auf eigene Faust in der Weltgeschichte herum und adoptiere notleidende Babies”. Das sei Blödsinn, obwohl man das gefühlsmässig schon verstehen könne, “wenn man hungernde Kinder sieht”.

swissinfo, Etienne Strebel

DJ Bobo wurde am 5. Januar 1968 als René Baumann im aargauischen Kölliken geboren. Während seiner Lehre als Bäcker/Konditor entdeckte er seine Begeisterung für die damals noch junge Hip-Hop-Kultur.

Sein Alias “DJ Bobo” war ursprünglich seine Graffiti-Unterschrift, und Graffiti ist illegal.

1986 wurde er Zweiter bei der DJ-Schweizermeisterschaft und 1987 wurde er Schweizermeister im Showdance.

1989 kam seine erste Maxi-Single “I love you” heraus. 1992 gelang ihm der internationale Durchbruch mit “Somebody dance with me”.”Chihuahua” im Auftrag von Coca Cola wurde 2002 zu seinem bislang grössten Hit.

Baumann ist mit der Sängerin Nancy Rentzsch (36) verheiratet. Das Paar hat einen Sohn und eine Tochter.

Die erste Ausgabe des “Grand Prix Eurovision de la chanson” 1956 in Lugano gewann die Schweizerin Lys Assia.

In den 60er-Jahren errang Frankreichs Teeniestar France Gall den Grand Prix mit einem eindeutig zweideutigen Lied, und Udo Jürgens belegte beim dritten Anlauf den ersten Platz. 1969 gab es gar vier Siegerinnen; Paola wurde Fünfte.

Die 70er-Jahre wurden vom Erdrutschsieg von Abba geprägt. Für die Schweiz waren unter anderem Peter, Sue und Marc, Véronique Muller, Pepe Lienhard und erneut Paola am Start.

In den 80er-Jahren gewann die nachträglich per “Titanic”-Soundtrack zu Weltruhm gelangte Sängerin Céline Dion den zweiten und bisher letzten Titel für die Eidgenossen im europäischen Schlagerabtausch.

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