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Verfilmte Augen-Blicke

Der Schweizer Kameramann Pio Corradi. www.filmtage-solothurn.ch

Die 38. Solothurner Filmtage widmen dem herausragenden Schweizer Kameramann Pio Corradi eine Retrospektive.

Fredi Murers “Höhenfeuer”, Hans-Ulrich Schlumpfs “Kongress der Pinguine” oder Fischli/Weiss’ “Lauf der Dinge”: Bei all diesen Schweizer Filmklassikern stand Pio Corradi hinter der Kamera.

Einerseits vermitteln die Filmtage in Solothurn einen Überblick über die Schweizer Filmproduktionen, andererseits würdigen sie einheimische Filmschaffende, räumen der eidgenössischen Filmgeschichte Platz ein.

Pio Corradi, dessen Stummfilm “Pane per tutti – Una ballata per Roma” die Filmtage 2003 eröffnete, gehört im neue(re)n Schweizerfilm bereits zum Urgestein.

Teamplayer

Filmarbeit ist immer Teamarbeit. Doch während die Namen der Filmstars und Regisseure geläufig sind – ihre Home-storys Gazetten füllen – kennen bloss Filmfreaks die Namen der Kameramänner, der Cutterinnen, der Drehbuch-Schreiberinnen, der Tonmeister.

Das ist bei Pio Corradi wahrscheinlich nicht anders. Auch wenn die meisten Schweizer und Schweizerinnen Corradis Bilder schon einmal gesehen haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Seine verfilmten Augen-Blicke zeichnen sich allesamt durch eine eindrückliche Sicht der Dinge aus – im Spiel- wie im Dokumentarfilm.

Bewegte Bilder

Pio Corradi kam 1940 in Läuflingen (Basel) auf die Welt. In Basel besuchte er zwei Jahre die Kunstgewerbeschule und liess sich anschliessend zum Fotografen ausbilden. Doch das Linsen durch einen Fotoapparat genügte ihm nicht. Die Bilder sollten sich bewegen: Filme wollte er drehen, Kameramann sein.

Bis heute hat Corradi, dieser Meister der bewegten Bilder, bei über 14 Spielfilmen in der Schweiz und im Ausland mitgewirkt. Er hat in etwa 30 Dokumentarfilmen in Kinolänge und unzähligen weiteren Produktionen die Kamera hoch gehalten.

Filmklassiker

Zu Corradis Werken gehören moderne Klassiker wie Fredi Murers “Höhenfeuer” (1985), “Der Kongress der Pinguine” von Hans-Ulrich Schlumpf (1993) oder “Lauf der Dinge” des Künstler-Duos Peter Fischli/David Weiss (1987).

“Lauf der Dinge”, eine dreissigminütige witzig-absurde Kettenreaktion war seinerzeit an der Dokumenta 8 der Publikumsrenner. Heutzutage ist er auf DVD/VHS greifbar und noch immer absolut sehenswert.

Nicht vergessen werden dürfen aber die vielen herausragenden Dokumentarfilme. Unter anderem: “Das Wissen vom Heilen” von Franz Reichle (1997) oder “Die Salzmänner von Tibet” von Ulrike Koch (1997).

Der neuste, “Mani Matter – warum syt dir so truurig” von Friedrich Kappeler (2002), hat durchaus das Zeugs zu einem Klassiker. Zurzeit ist der Film in den Schweizer Kinos und läuft gut, für einen Dokumentarfilm keine Selbstverständlichkeit.

Mit der Kamera hin zu Menschen

Worin liegt denn die Magie des Bildermeisters Corradi? Dazu Mirjam Krakenberger, freie Cutterin und an vielen Dokumentarfilmen von Friedrich Kappeler beteiligt: “Er schafft es, zu den Menschen, die er filmt, eine Vertrauensbasis herzustellen. Eine Art energetisches Muster. Manchmal habe ich das Gefühl, er kommt mit der Kamera näher an die Menschen ran als die Regisseure.”

Pio Corradi, der als wortkarger Mensch gilt, ist auch ein treuer Kameramann. Immer wieder arbeitet er mit den selben Filmemachern und Filmemacherinnen zusammen. Eingespielte Teams, die sich über Jahre kennen, die einander den benötigten Freiraum lassen, sich ohne viele Worte verstehen.

Mirjam Krakenberger: “Wenn die Chemie zwischen dem Regisseur, dem Kameramann und allen Beteiligten stimmt, hat Corradi unglaubliche Qualitäten. Er kann aus sehr wenig sehr stimmungsvolle Bilder machen, schöpft alle Möglichkeiten aus.”

Eine gute Idee der Solothurner Filmtage, künftig auch das Schaffen von überdurchschnittlichen technischen Filmmitarbeitern mit einer Retrospektive zu würdigen.

Mit dem Kameramann Pio Corradi ist ein guter Anfang gemacht. Bleibt zu hoffen, dass bald einmal eine Cutterin (das sind meistens Frauen) oder ein Tonmeister (das sind oft Männer) zu Ehren kommen.

swissinfo, Brigitta Javurek

Pio Corradi: geboren 1940 im Baselbiet
2 Jahre Kunstgewerbeschule, Ausbildung zum Fotografen in Basel
1964 Umzug nach Zürich
Ab 1972 freischaffender Kameramann
Seit 1996 Mitarbeit an Kamerasymposien, Filmschule ZELIG in Bozen
Zahlreiche Auszeichnungen.

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