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Vergleich im Streit UBS vs. US-Steuerbehörden in Sicht

Keystone

Die Regierungen der Schweiz und der USA haben sich im Grundsatz über einen aussergerichtlichen Vergleich im Streit zwischen der Grossbank UBS und der US-Steuerbehörde geeinigt. Zum Inhalt wurde Stillschweigen vereinbart.

Alle wichtigen Fragen seien gelöst, sagte der Anwalt des US-Justizdepartements, Stuart Gibson, am Freitag an einer Telefonkonferenz mit Richter Alan Gold in Miami. Nächste Woche sollen die Details ausgehandelt werden.

Damit wird die Abwendung der US-Zivilklage gegen die Schweizer Grossbank wahrscheinlich. Die Details der aussergerichtlichen Einigung müssten in der nächsten Woche ausgehandelt werden, hiess es.

Noch am vergangenen Mittwoch schienen die Positionen in den Vergleichsverhandlungen zwischen den Regierungsvertretern der Schweiz und der USA weit auseinander zu liegen.

Auf Antrag der Parteien setzte der Richter deshalb den für den kommenden Montag geplanten Prozessbeginn über die US-Zivilklage gegen die Schweizer Grossbank erneut aus. Eine weitere Standortbestimmung will der Richter am kommenden Freitag vornehmen. Als möglicher Prozessbeginn bleibt der 10. August auf der Agenda. Dies für den Fall, dass der Vergleich doch noch platzen sollte.

Aussenministerinnen erleichtert

Die Bekanntgabe der Grundsatzeinigung fiel mit dem Treffen der Aussenministerinnen der beiden Länder in Washington zusammen. Micheline Calmy-Rey und Hillary Clinton begrüssten die Einigung.

“Unsere Regierungen haben sehr hart gearbeitet, um an diesen Punkt zu gelangen”, sagte die US-Aussenministerin. Micheline Calmy-Rey sagte, sie sei sehr erleichtert über die Einigung.

Wichtig für Bankensystem und Weltwirtschaft

Die UBS selber kommentierte die Grundsatzeinigung auf Weisung der beiden Regierungen vorerst nicht. Die Aktie der Grossbank schloss an der Schweizer Börse mit einem Plus von 3,9%.

“Eine Einigung ist erstens für die UBS, das Bankensystem und die Weltwirtschaft sehr wichtig”, sagte Martin Naville, Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, gegenüber swissinfo.ch. Weil die Grossbank eine derart wichtige Rolle spiele, würde sich jegliche Destabilisierung der UBS sehr negativ auswirken.

“Ohne diese Einigung nähmen zweitens die hervorragenden Beziehungen zwischen den beiden Staaten ernsthaften Schaden.” Beeinträchtig sähe Naville vor allem das neu auszuhandelnde Doppelbesteuerungsabkommen und die gesetzlichen Regelungen von Steueroasen.

Daten von über 50’000 Kunden im Visier

Die Klage der Steuerbehörde IRS forderte von der UBS die Herausgabe der Kundendaten von bis zu 52’000 Konten von US-Bürgern, die ihre Vermögen gegenüber dem US-Fiskus nicht deklariert hatten.

Die UBS und der Bundesrat argumentierten, dass das Schweizer Bankgeheimnis diese Auskunft verbiete, handle es sich doch bloss um einen pauschalen Verdacht, der einem Fischzug gleichkomme. Der Bundesrat hatte damit gedroht, die fraglichen Bankunterlagen zu beschlagnahmen, falls ein US-Gericht die Durchsetzung der Klage bewillige.

Auf US-Seite wurde demgegenüber über eine Beschlagnahmung der Vermögenswerte der UBS in den USA und über eine Zwangsverwaltung der Bank diskutiert, falls die Grossbank sich dem Vollzug eines Urteils widersetzen sollte.

Eine Einigung in der zum Konflikt zwischen divergierenden Rechtssystemen der beiden Staaten gewordenen Affäre wurde unter anderem über ein neues Amtshilfegesuch der USA für möglich gehalten. Zudem wurde über eine weitere Busse für die UBS spekuliert.

Druck auf Bankgeheimnis

Die US-Behörden waren mit ihrem Druck auf die UBS und die Schweiz insofern bereits erfolgreich, als die Grossbank der US-Justiz im vergangenen Februar 255 Kundendossiers von mutmasslichen Steuerbetrügern ausgehändigt hatte.

Dieser Schritt wurde in der Schweiz scharf kritisiert, weil er das laufende Amtshilfeverfahren aushebelte und weil das Bankgeheimnis durch eine umstrittene Verfügung der Finanzmarktaufsicht FINMA aufgehoben wurde.

Seither hat die US-Justiz mehrere UBS-Kunden angeklagt. Unter diesem Druck haben sich zahlreiche weitere UBS-Kunden freiwillig beim US-Fiskus gemeldet.

Vorsichtiger Optimismus

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht begrüsste die Grundsatzeinigung ebenfalls. Erleichterung war auch den Stellungnahmen der politischen Parteien und des Bankendachverbands zu entnehmen.

Abschliessende Beurteilungen seien aber erst bei Kenntnis der Einzelheiten möglich, erklärten die Bankiervereinigung, der Wirtschaftsdachverband economiesuisse und die grossen Parteien.

swissinfo.ch und Agenturen

Im Mai 2008 war den US-Behörden ein Fisch ins Netz gegangen, auf den sie lange gewartet hatten: Eine Untersuchung der Steuerbehörde IRS zu den Tätigkeiten des russischen Immobilienhändlers Igor Olenicoff trug den Ermittlern den Namen seines Privatbankiers Bradley Birkenfeld ein.

Dem ehemaligen Direktor der Private-Banking-Abteilung der UBS konnte nachgewiesen werden, im Ausland betrügerische Anlagefonds und Firmen gegründet zu haben, um rund 150 Mio. Dollar an Vermögen reicher Klienten wie Olenicoff zu verbergen.

Im Februar 2009 beugte sich die UBS dem Druck der US-Behörden. Nachdem die Finanzmarktaufsicht (Finma) eine entsprechende Verfügung erlassen hatte, übergab die Bank Daten von rund 250 Kunden, die des Steuerbetrugs verdächtigt wurden. Zudem zahlte sie eine Busse von 780 Mio. Dollar (841 Mio. Franken).

Nur einen Tag nach dem Vergleich doppelten die US-Behörden mit der nun hängigen Zivilklage nach, mit der die US-Behörden von der UBS Angaben zu 52’000 Konten verlangen, deren Besitzer der Hinterziehung von Steuern verdächtig werden.

Die UBS argumentierte, mit einer Herausgabe der Daten würde Schweizer Recht – vor allem das Bankkundengeheimnis – verletzt. Die Klage sollte daher aus Respekt vor Rechtssprechung und Souveränität eines anderen Staates nicht weiter verfolgt werden.

Diesen Standpunkt vertritt auch die Schweizer Regierung, die selber juristisch nicht Prozesspartei ist.

Am 13. Juli hatten die Parteien im Rechtsstreit einen Aufschub des Prozessbeginns bis am 3. August erreicht. Der Aufschub sollte dazu dienen, eine aussergerichtliche Einigung zu erreichen. Zwischen den beiden Regierungen sind seither intensive Verhandlungen über einen Vergleich im Gange.

Am 31. Juli traf die Schweizer Aussenministerin Micheline Clamy-Rey in Washington mit ihrer US-Amtskollegin Hillary Clinton zusammen. Dabei ging es unter anderem um den Rechtsstreit.

Sollte es dennoch zu keiner Einigung kommen, informiert US-Richter Gold über das Datum des Prozessbeginns.

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