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Villa Maraini: Das Schweizer Kulturzentrum in Rom

Die Villa Maraini 1908, wenige Jahre nach dem Bau. Istituto Svizzero di Roma

Die Villa Maraini in Rom ist nicht nur ein architektonisches Juwel, sondern auch ein Ort der kulturellen Begegnung zwischen der Schweiz und Italien. Die Ursprünge der Villa gehen auf den Tessiner Otto Maraini zurück, den Zuckerkönig Italiens im 19. Jahrhundert.

Die Villa Maraini ist eine herrschaftliche Residenz im Zentrum Roms. Da sie auf einem kleinen Hügel steht, geniesst man von der Villa einen spektakulären Blick über die italienische Hauptstadt.

Der Turm der Residenz ist 26 Meter hoch und damit die zweithöchste Erhebung der ewigen Stadt. “Einzig die Kuppel des Peterdoms ist drei Meter höher”, sagt mit gewissem Stolz Christoph Riedweg, der Direktor des Schweizerischen Instituts in Rom (ISR), das in der Villa seinen Sitz hat.

“Es ist ein ausserordentliches Privileg, an einem solchen Ort arbeiten zu dürfen. An keinem anderen Flecken der Welt verfügt die Schweiz über ein Gebäude wie dieses”, schwärmt Riedweg.

Die Villa wurde 1946 von Carolina Maraini-Sommaruga der Eidgenossenschaft geschenkt, “damit diese ständig im Dienst der Kultur und im Zeichen des Austausches zwischen der Schweiz und Italien steht”.

Die Ursprünge der Villa Maraini haben allerdings gar nichts mit Kultur zu tun, sondern vielmehr mit der von Emilio Maraini initiierten Einführung der Zuckerrübe in Italien und der Produktion von Zucker. Der Tessiner Industrielle schrieb im auslaufenden 19. Jahrhundert ein wichtiges Kapitel der italienischen Industriegeschichte.

Ein Imperium

Emilio Maraini wurde 1853 in Lugano geboren, als dritter Sprössling einer Familie mit zehn Kindern. Nachdem er eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hatte, begann er im Alter von 20 Jahren in Rotterdam für eine niederländische Firma zu arbeiten, die Kolonialwaren importierte, darunter viel Rohrzucker, welcher damals dominierend war.

Er wurde zum Leiter der Zuckerabteilung befördert und beauftragt, sich in Prag ein Bild über die lokale Zuckerrübenproduktion zu verschaffen.

Maraini lernte das Handwerk schnell und schon bald darauf gründete er seine eigene Zuckerfabrik. Der Erfolg bestärkte ihn in seinem Entscheid, seine Aktivitäten nach Italien zu verlegen, das damals praktisch noch vollständig von importiertem Zucker abhängig war. 1886 zog Emilio Maraini nach Rieti (90 Kilometer nordöstlich von Rom) und gründete dort seine erste Zuckerfabrik in Italien.

Nur wenige Jahre später hatte Maraini sein Imperium auf ganz Italien ausgeweitet und war zum “Zuckerkönig” des Landes ausgestiegen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine wirtschaftlichen Verdienste und wurde im Jahr 1900 zum Mitglied des Parlaments des Königreichs Italien gewählt.

Dieses Amt half ihm nicht nur, seine eigenen Interessen wahrzunehmen, sondern auch, sich international zu engagieren, namentlich in Menschenrechts-Organisationen. So wurde der exilierte Tessiner Vizepräsident des italienischen Roten Kreuzes und im ersten Weltkrieg auch Präsident der nationalen Kommission für Kriegsgefangene.

Auf einem Schuttberg

Um seinen politischen Aktivitäten nachkommen zu können, zog der Industrielle von Rieti nach Rom.

Die noch junge italienische Hauptstadt erlebte in diesem Moment einen urbanistischen Wandel, der sich dem gewaltigen Zuzug von Politikern, Beamten, Händlern und Geschäftsleuten verdankte.

Der Bevölkerungszuwachs der Stadt ging einher mit dem Verkauf von Grund und Boden durch die Kirche sowie der Zerstörung etlicher Gebäude aus dem Mittelalter und der Renaissance.

Für seine neue Residenz in Rom wählte Maraini ein Terrain auf dem Hügel Pincio, wo schon die alten Römer ihre Villen oberhalb der eigentlichen Stadt gebaut hatten. Das Gelände war eigentlich eine Deponie. Statt das Schuttmaterial wegräumen zu lassen, nutzte Maraini diesen Hügel, um seine Villa in einer erhabeneren Position zu bauen als die benachbarten Gebäude. So sicherte er sich ein herrliches Panorama über die Stadt.

Als Architekt wählte Maraini seinen jüngeren Bruder Otto, der sich nach seinem Studium in Mailand als Erbauer von herrschaftlichen Villen in Italien und im Kanton Tessin einen Namen gemacht hatte – beispielswiese der Villa Helios in Lugano-Castagnola, dem Hotel Excelsior in Rom oder der Kantonsschule von Lugano.

Ein idealer Ort der Eingebung

Als Architekt war Otto Maraini stark durch Einflüsse der Renaissance und des Barock geprägt. Die Villa, der er für seinen Bruder in Rom baute, unterschied sich dank eines eklektischen Stils stark von den benachbarten Gebäuden, die damals im Ludovisi-Quartier für das gehobene Bürgertum entstanden waren.

Die Villa in Rom erstreckt sich über drei Stockwerke und ist wahrlich gigantisch angesichts des zur Verfügung stehenden Terrains. Die Kolonaden und Balustraden lassen das Gebäude herrschaftlich erscheinen. Als Vorbild diente wohl die strenge Fassadengliederung der nahen Villa Borghese, die aber hier durch gezielte Asymmetrie der Bauelemente aufgelockert wird.

Die Lust auf ein aristokratisches Ambiente für den italienischen Zuckerkönig wird im Inneren der Villa noch deutlicher, wo Wände, Decken und Treppen reich dekoriert sind. Die Vielfalt der Stile und verwendeten Materialen, darunter wunderschöner Marmor, beeindrucken noch heute die Besucherinnern und Besucher.

“In einem solchen Ort sind wir sehr motiviert, gut zu arbeiten und den kulturellen Austausch zwischen der Schweiz und Italien zu pflegen”, sagt Christoph Riedweg, der im Februar 2013 von Michele Luminati, Professor für Rechtsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte und Rechtstheorie an der Universität Luzern, als ISR-Direktor abgelöst wird.

Die einst vom kinderlosen Ehepaar Maraini bewohnte Villa mit ihren vielen Räumen, Terrassen und Winkeln ist sicherlich ein idealer Ort der Inspiration und Reflexion, besonders auch für die jungen Wissenschafter und Künstler, die dank eines Stipendiums einige Monate in der Villa Maraini leben dürfen.

Der Bau der Villa Maraini wurde von Emilio Maraini in Auftrag gegeben. Die Villa befindet sich im Quartier Ludovisi zwischen Via Veneto und der berühmten Piazza Spagna.

1946 schenkte Carolina Maraini-Sommaruga, die kinderlose Witwe von Emilio Maraini, die Villa der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit der Auflage, die Liegenschaft ganz in den Dienst des kulturellen Austausches zwischen Italien und der Schweiz zu stellen.

Diese Aufgabe nimmt das 1947 vom Bundesrat gegründete Istituto Svizzero di Roma (ISR) wahr, das seit 1949 in der Villa Maraini beheimatet ist. Der Kulturauftrag wird durch Ausstellungen, Konferenzen und andere kulturelle Veranstaltungen wahrgenommen. Zudem leben Stipendiaten in der Villa.

Die Villa steht jede Woche auch für einige Stunden für Besucher offen.

Geboren am 27.November 1853 in Lugano (Tessin). Kaufmännische Ausbildung in Zofingen (Aargau), ab 1873 im Importhandel für eine niederländische Firma tätig.

Er erkannte früh die Vorteile der Verarbeitung von einheimischem Rübenzucker gegenüber importiertem Rohrzucker und machte sich in den 1880er-Jahren mit einer Raffinerie in Böhmen mit Erfolg selbständig.

1886 übernahm er die Leitung einer defizitären Zuckerfabrik in Italien und kaufte diese 1888. Innert eines Jahrzehnts verhalf er der Zuckerindustrie Italiens zum Durchbruch und erwarb sich dabei einen sagenhaften Reichtum.

1889 heiratete er Carolina Sommaruga.

Bereits um 1890 nahm er die italienische Staatsbürgerschaft an und zog 1900 als Liberaler ins italienische Abgeordnetenhaus ein.

1902 kaufte Maraini die letzte unbebaute Parzelle im neuen schicken Quartier Ludovisi. 1905 zog er in die Villa ein.

Emilio Maraini starb am 5.Dezember 1916 im Rom.

Geboren am 8. November 1863 in Lugano. Er studierte Architektur an der Akademie Brera in Mailand.

Maraini war einer der bekanntesten Tessiner Architekten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1900 gewann er die Ausschreibung für den Bau der Kantonsschule Lugano (Palazzo cantonale degli studi).

In den folgenden Jahren realisierte er eine Reihe von herrschaftlichen Villen, darunter die Villa Helios in Castagnola. Zwischen 1903 und 1905 baute er die Villa Maraini in Rom.

In den 1920er-Jahren gehörte er mehreren kantonalen und nationalen Kommissionen an. Dabei setzte er sich für die Erhaltung des architektonischen Erbes ein.

Otto Maraini starb 1944 in Rom.

(Übertragen aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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