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Diese Schweizer Marken träumen vom chinesischen Markt

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Illustration: Helen James / SWI swissinfo.ch

Nach der Covid-Krise hat China seine Tore für die Wirtschaft wieder geöffnet. Obwohl die Konsumstimmung schlecht ist, lassen sich zwei Schweizer Unternehmen nicht entmutigen und setzen auf Wachstum in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt.

Im August 2019 fand sich Aurèle Meyer in der gehobenen Whisky-Bar Jiuyin in Hangzhou wieder, dem Sitz des chinesischen E-Commerce-Riesen Alibaba.

Der CEO von Appenzeller Bier, einem Schweizer Getränkehersteller in Familienbesitz, war auf einer Chinareise, um Geschäftspartner und potenzielle Vertriebspartner für sein Bier und seinen Whisky zu besuchen.

Bei einem Bier mit Kollegen hatte Meyer einen Geistesblitz: Schweizer Nischenwhisky sollte in gehobenen Bars und Restaurants angeboten werden. Heute ist der Säntis Malt Whisky von Appenzeller Bier der erste und einzige Schweizer Whisky, der in den acht gehobenen Bars der Jiuyin Hospitality Group in der Hauptstadt der Provinz Zhejiang ausgeschenkt wird.

“Schweizer Produkte haben in China einen guten Ruf, vor allem in den Top-Städten wie Shanghai und Peking”, sagt Meyer. “Schweizer Bier und Whisky sind jedoch noch weitgehend unbekannt. Das wollten wir ändern.”

Die unabhängige Brauerei aus dem Ort Appenzell ist eines von vielen Schweizer Konsumgüterunternehmen, die versuchen, sich ein Stück des riesigen chinesischen Marktes zu sichern.

“Beginn einer neuen Ära”

Vor der Pandemie war die Anziehungskraft Chinas klar: eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen, ein jährliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 7,7% zwischen 2010 und 2019 (verglichen mit 1,7% in der Schweiz), steigende Haushaltseinkommen und eine Mittelschicht, die in fast zwei Jahrzehnten von 7,4 Millionen auf 400 Millionen Menschen angewachsen ist und die gemäss Prognosen der Boston Consulting Group im Jahr 2030 525 Millionen erreichen wird.

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Doch die fast dreijährige ie Abrieglung während der Covid-19-Pandemie führten zu einem grundlegenden Wandel in Verbraucher:innenverhalten und -stimmung.

“Wir haben eine Verlagerung von Produkten zu Dienstleistungen beobachtet, wobei Reisen und Gastronomie das stärkste Wachstum aufweisen”, sagt Daniel Zipser, Senior Partner bei der Beratungsgruppe McKinsey, der die Arbeit des Unternehmens im Bereich Konsum und Einzelhandel in Asien leitet.

“Nach Jahren eingeschränkter Mobilität gibt es eine neue Begeisterung für Reisen und geselliges Beisammensein in Restaurants und Bars.

Vor diesem Hintergrund werden verbraucherorientierte Unternehmen mit hochwertigen Produkten und Premium-Marken zu den erfolgreichsten gehören, so ein im November 2023 veröffentlichter McKinsey-Bericht mit dem Titel “China Consumption: Beginn einer neuen Ära”.

Das ist eine gute Nachricht für Schweizer Unternehmen wie Appenzeller Bier, die sich an Menschen mit grösserer Kaufkraft wenden. “Besserverdienende geben immer noch mehr aus, wenn auch in geringerem Umfang als 2019”, sagt Zipser. “Sie sind vorsichtiger, wo und wofür sie Geld ausgeben.”

Aus dem Appenzell nach Asien

Chinas BIP wuchs 2023 um 5,2% und damit so schwach wie seit 1999 nicht mehr, wenn man die drei Pandemiejahre 2020-2022 ausklammert. 2024 dürfte sich das Wachstum laut Internationalem Währungsfonds weiter verlangsamen, auf 4,6%.

Doch die gedämpften Aussichten haben die Ambitionen von Appenzeller Bier nicht gebremst. Das Unternehmen, das rund 200 Mitarbeitende beschäftigt, wird in fünfter Generation von der Familie Locher geführt und konzentriert sich hauptsächlich auf Bier und Whisky.

Die ersten Schritte auf dem chinesischen Markt wurden 2019 unternommen, kurz bevor die weltweite Pandemie viele konsumnahe Unternehmen zum Stillstand brachte.

Jetzt, da China vollständig geöffnet ist, macht Meyer dort weiter, wo er aufgehört hat. Die Produkte des Unternehmens sind in allen grossen Städten von Peking im Norden bis Guangzhou im Süden zu finden. Allein in Shanghai ist Appenzeller Bier in mehr als 60 Restaurants und Whisky-Bars erhältlich.

In Peking sind die Produkte in Fünf-Sterne-Hotels wie dem Regent, dem St. Regis, dem InterContinental Beijing Sanlitun und dem Mandarin Oriental vertreten. Appenzeller Bier ist auch auf den beliebten chinesischen Internet-Shopping-Plattformen Taobao und Tmall zu finden.

Das Unternehmen nahm zunächst an Produktausstellungen teil, um den Appetit der Chines:innen auf seine klassischen Biere und Bierspezialitäten zu testen.

“Es war interessant zu sehen, welche Geschmacksrichtungen angenommen wurden”, sagt Meyer. “Zum Beispiel ist unser alkoholfreies Bschorle mit Apfel- und Birnensaft dort sehr beliebt. Ein anderes Produkt ist unser Säntis Malt ‘Edition Dreifaltigkeit’ Whisky mit getorftem Malz. Er ist sehr schwer, und stark und ist in China sehr beliebt.”

Schweizer Renner kommt nicht gut an

Hingegen hat sich das Markenzeichen des Unternehmens, das Bier Quöllfrisch, in China bislang nicht durchsetzen können. “Es gibt bereits sehr gute belgische und amerikanische Craft-Biere auf dem Markt in China, die den Standard setzen. Wir können unser hochwertiges Schweizer Bier aber mit guten Zutaten wie dem Quellwasser aus den Schweizer Alpen präsentieren”, sagt Meyer.

Laut dem Global Beer Consumption Report des japanischen Getränkekonzerns Kirin ist China der weltweit grösste Biermarkt mit einem jährlichen Verbrauch von 42 Millionen Kilolitern im Jahr 2022, was 22% des weltweiten Verbrauchs entspricht.

Die Vereinigten Staaten liegen mit 20,4 Millionen Kilolitern an zweiter Stelle. Beim Pro-Kopf-Verbrauch rangiert China jedoch nicht einmal unter den ersten 35, so dass es noch viel Raum für Wachstum gibt.

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Dennoch ist es selbst für die grossen europäischen Marken wie AB InBev und Carlsberg schwierig, einen Anteil am chinesischen Biermarkt zu erobern, da der Wettbewerb mit lokalen Anbietern wie China Resources Holdings, dem die Marke Snow Beer gehört, und der Tsingtao Brewery immer härter wird.      

“Die Vorliebe für lokale Elemente (d. h. kultureller Stolz) ist in China stark ausgeprägt, insbesondere bei den Verbrauchern der Generation Z.

Das bedeutet jedoch nicht, dass ausländische Marken nicht mehr attraktiv sind”, sagt Michael Deng, leitender Partner des Sektors Konsumgüter und Einzelhandel bei Deloitte Consulting China.

“Solange ausländische Marken den Trend zur Lokalisierung und/oder zum Co-Branding mit chinesischen Marken nutzen können und mehr Produkte aus China für China anbieten, können sie auf dem chinesischen Markt weiterhin sehr erfolgreich sein.”

Für kleine internationale Unternehmen wie Appenzeller Bier ist es schwierig, eine Marke in einem bereits gesättigten Markt aufzubauen. Die Expansionsstrategie des Unternehmens sieht daher ein “langsames, aber nachhaltiges” Wachstum vor.

“Einerseits sind wir als Familienunternehmen langfristig orientiert. Andererseits verfügen wir nicht über ein Marketingbudget von 10 Millionen Franken, um einen Markt zu entwickeln”, sagt Meyer.

“Auch unsere Produktionskapazitäten sind begrenzt. Solange wir in der Schweiz noch Wachstumspotenzial sehen, macht es keinen Sinn, auf einen Schlag zu viele Ressourcen im Ausland zu investieren.”

Ein Happen vom chinesischen Schokoladenmarkt

Läderach ist ein weiteres Schweizer Unternehmen, das sich auf dem chinesischen Markt etablieren will. Das 1962 gegründete Familienunternehmen ist auf Luxusschokolade spezialisiert und beschäftigt weltweit 1700 Mitarbeitende.

Es begann 2020 mit dem Online-Verkauf in China, nachdem es immer mehr Anfragen von chinesischen Touristen erhalten hatte, welche die Schokolade in der Schweiz probiert hatten und sie in ihrer Heimat kaufen wollten. Im Jahr 2021, mitten in der Covid-Pandemie, eröffnete Läderach sein erstes Geschäft in Shanghai. 

“China ist strategisch gesehen ein wichtiger Markt für die Gruppe. Es gehört zu den drei grössten Märkten für uns, neben den Vereinigten Staaten und der Schweiz”, sagt Danny Qi, General Manager von Läderach China.

Die Vorlieben der Verbraucher:innen seien ziemlich ähnlich, sagte er. “Unser meistverkauftes Produkt in der Schweiz ist FrischSchoggi oder frische Schokolade… und die Konsument:innen hier haben fast genauso auf unsere Produktlinie reagiert wie in der Schweiz.”

Läderach wird voraussichtlich Ende Januar seine sechzehnte Boutique in der Schweiz eröffnen. Die Megastädte Peking und Shanghai bleiben die wichtigsten Märkte, aber das Unternehmen expandiert auch in kleinere Städte wie Wuxi und Nanjing im wohlhabenderen Osten des Landes und Chengdu, die Hauptstadt der südwestlichen Provinz Sichuan.

“Eine Verdoppelung der Zahl der Geschäfte in China in den nächsten fünf Jahren ist nicht unmöglich”, sagt Qi. Derzeit hat Läderach weltweit rund 170 Boutiquen. “Wir müssen ein Geschäft nach dem anderen eröffnen, um zu wissen, ob unsere Strategie aufgeht”, ergänzt er.

Während China die zweitbevölkerungsreichste Nation der Welt ist, liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade immer noch hinter den europäischen Ländern zurück.

Daten von Statista Market Insights zeigen, dass der durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in China bei 200 Gramm liegt, verglichen mit 11,8 Kilogramm in der Schweiz.

Laut Euromonitor International hat der gesamte Schokoladenmarkt in China einen Wert von rund 3,1 Milliarden Euro (2,9 Milliarden Franken) pro Jahr. Im Gegensatz dazu erreichte der Jahresumsatz in der ungleich kleineren Schweiz vor der Pandemie nach Angaben des Verbands der Schweizer Schokoladenhersteller fast 1,79 Milliarden CHF (1,93 Milliarden EUR).

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Allerdings wird Schokolade in China immer beliebter, vor allem als Luxusgeschenk. “Es ist ein wachsender Markt, besonders im Bereich der Premium-Schokolade”, sagt Qi. “Die Menschen in China sind bereit, mehr für gute Lebensmittel zu bezahlen.Darin liegt die Chance.”

Mit Blick auf die Zukunft steht Läderach weiterhin im Wettbewerb mit anderen Premium-Schokoladenmarken wie dem italienischen Hersteller Ferrero und dem belgischen Unternehmen Godiva Chocolatier.

Das Unternehmen konkurriert jedoch auch mit anderen Segmenten des Geschenkartikelgeschäfts in China. Dies zeigt sich vor allem bei grossen konsumgetriebenen Anlässsen wie dem Valentinstag, dem Muttertag und dem chinesischen Neujahr.

Trübe Aussichten

Nach einem unerwartet gedämpften Jahr 2023 beobachten ausländische und inländische Unternehmen genau, ob es Anzeichen dafür gibt, dass Chinas wirtschaftliche Erholung an Schwung gewinnt.

“Der vorsichtige Optimismus ist nach wie vor sehr stark ausgeprägt, da sich die chinesische Wirtschaft stetig in Richtung einer stärker konsumorientierten Wirtschaft entwickelt”, so Zipser von Mckinsey zu den Aussichten für 2024.

“Auch wenn sich die Erholung langsamer als erwartet vollzieht und die schwache Verbraucherstimmung die Wachstumsraten in den kommenden Monaten dämpfen könnte, bleiben die langfristigen Aussichten für den chinesischen Markt robust”.

Andere Expert:innen sind vorsichtiger. “Ich persönlich glaube, dass die Erholung des Konsums im Jahr 2024 von den geopolitischen Beziehungen zu den USA, der Konjunkturpolitik der chinesischen Regierung und dem Verbrauchervertrauen abhängen wird”, sagt Deng von Deloitte Consulting China.

Dennoch bleibt Meyer positiv und hält an seiner Mission für Appezeller Bier für das nächste Jahrzehnt fest. “Letztendlich geht es darum, einen nachhaltigen Ruf bei stabilen Kunden aufzubauen”, sagt er.

“Unser Ziel ist es, nach China zu reisen und dort in einem Hotel zu übernachten und in einem Restaurant zu essen, in dem unsere Produkte serviert werden. Dann werde ich immer ein Stückchen Heimat erleben können.”

Edited by Nerys Avery/vm, aus dem Englischen übertragen von Marc Leutenegger

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