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Grosse Verdienste, aber nicht überall beliebt

Raum für einen öffentlichen Park und einen Spazierweg: Das Gelände des ehemaligen Rheinhafens St. Johann. own work / Grubyak

Daniel Vasella: Der Name steht auch für die Metamorphose eines grauen Industriegeländes mit rauchenden Schloten in einen Forschungs-Campus und für die Umwandlung eines Hafens in eine Flanierzone am Rhein. Die Ära Vasella hat Basel verändert, doch nicht alle sind begeistert.

Am Stammtisch oder auf der Strasse: Daniel Vasella, der abtretende Verwaltungsratspräsident von Novartis, löst zu grossen Teilen emotionelle Reaktionen aus. Häufig fällt das Wort “geldgierig”. Gemeint sind die mittleren zweistelligen Millionenbeträge, die Vasella jährlich als Lohn und Boni bezogen hat.

“Die hohen Tiere unterscheiden sich nicht voneinander. Der eine setzt sich mit dem ‘Turm von Babel’, der andere mit unsinnigen Prestigebauten ein Denkmal”, sagt ein Angestellter vor dem Eingang zur Novartis-Konkurrenz Roche. “Immerhin hat Novartis unter Vasella erfolgreich neue Medikamente entwickelt, aber das haben wir auch”, sagt ein Kollege.

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Aussen flippig, innen seriös

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Gehry ist bekannt geworden mit seinem Guggenheim-Museum für Bilbao in Spanien. Sein erstes europäisches Gebäude, das Vitra Design Museum (1989) in Weil liegt gleich nebenan auf der andern Seite des Rheins. Hinter der spektakulären Fassade, einer hoch komplexen Glas- und Stahlkonstruktion, ist Holz das dominierende Material. Hier arbeiten die Angestellten der Novartis-Personalabteilung. Neben Sitzungszimmern, einem…

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Architektur auf höchstem Niveau

Neben dem Roche-Haupteingang steht ein riesiger Baukran. Hier entsteht der neue Hauptsitz des Pharmagiganten, ein 178 hoher Turm des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron, eine künftige Architektur-Ikone und das dereinst höchste Gebäude der Schweiz.

Nicht weniger spektakulär ist das neue Betriebsgelände der Konkurrenz, der Campus von Novartis, auf dem Vasella in den vergangenen Jahren nach und nach alte, graue Industriebauten abreissen und durch neue, architektonisch hochstehende Gebäude ersetzen liess.

Mit den Bauten hat Vasella die Crème de la Crème der internationalen Architekturszene, darunter den Kalifornier Frank O. Gehry, die Irakerin Zaha Hadid, und das japanische Büro sanaa beauftragt.

Novartis erreichte 2012 einen Jahresumsatz von 56,7 Milliarden Dollar.

Unter dem Strich ging der Reingewinn vor Sonderposten um 5%Prozent auf 12,8 Milliarden Dollar zurück.

Ohne Berücksichtigung von Währungseffekten wäre er um zwei Prozent gefallen.

Novartis beschäftigt weltweit fast 124’000 Mitarbeitende. Davon arbeiten mehr als 13’000 in der Schweiz.

Klares Bekenntnis zu Basel

“Mit dem Forschungs-Campus schuf Vasella in Basel einen Schmelztiegel mit Forschern aus 90 Ländern. Dies kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn das Projekt war ein Vasella-Entscheid, bei dem er praktisch jeden Ziegel bestimmt hat”, sagt der Wirtschaftspublizist René Lüchinger. “Mit einem US-Amerikaner an der Novartis-Spitze hätte es den Campus in Basel nie gegeben.”

“Dass Novartis und Roche so viel investieren, ist ein klares Bekenntnis zum Standort Basel”, sagt der Basler Regierungspräsident Guy Morin. “Der Campus ist ganz klar ein Projekt von Vasella. Er war auch wesentlich beteiligt am Deal, den die Stadt und Novartis zusammen abgeschlossen haben.”

Spazieren am Rhein

Der Deal besteht im Wesentlichen darin, dass die Strasse ins französische Hüningen, die bis vor einigen Jahren mitten durch das Novartis-Areal führte, geschlossen und durch eine neue Strasse samt Tramstation und einem neuen Zollamt ersetzt wurde.

An den Ufern des Rheins kann Novartis dank einem Landabtausch mit dem Kanton zusätzliche Bauten erstellen. St. Johann, der älteste Rheinhafen Basels, wurde abgerissen und zurückgebaut. Hier sind ein öffentlicher Park und eine Flanierzone am Entstehen.

“Der Rheinweg ist sicher positiv”, sagt der grüne Grossrat Urs Müller. “Stossend ist, dass der Campus eine geschlossene Stadt in der Stadt geworden ist. Herr Vasella und seine Leute haben diktiert, was sie wollten. Es hat teilweise spannende Architektur auf dem Campus, das ist unbestritten, aber sie steht der Bevölkerung nicht zur Verfügung. Wir haben versucht, das zu verhindern, aber das war politisch nicht mehrheitsfähig.”

Der Pharmakonzern erreichte 2012 einen Jahresumsatz von 45,5 Milliarden Franken.

Der Reingewinn stiegt um 1% auf 9,77 Mrd. Franken.

2012 beschäftigte Roche mehr als 11’000 Mitarbeitende in der Schweiz.

Weltweit beschäftigt Roche mehr als 80’000 Mitarbeitende.

Schweizerhalle – der Tiefpunkt

Novartis sei ein Privatunternehmen “mit grossen Forschungs-Einrichtungen und hat ein Schutzbedürfnis. Das muss man akzeptieren”, sagt Guy Morin. Der Campus habe bei den Behörden und der Politik “eine breite Akzeptanz”.

Seit 2004 ist die Basler Regierung mehrheitlich in den Händen von Rot-Grün. Dennoch loben sowohl die Regierung wie die Spitzen der beiden Pharmagiganten die Zusammenarbeit als konstruktiv. Vergessen sind die Zeiten, als ein Wegzug von Basel für Novartis ein Thema war.

Den der Grossbrand in einer Chemie-Lagerhalle der damaligen Sandoz in Schweizerhalle am 1. November 1986, bei dem das Löschwasser den Rhein und seine Fische vergiftet hatte, bezeichnet Guy Morin als “Tiefpunkt in der Akzeptanz” innerhalb der Bevölkerung. Seither hätten sich Novartis und Roche dem Dialog geöffnet und ihre Positionierung geändert. Das heisst: Die traditionelle und die Agro-Chemie wurden verkauft und ausgelagert. Novartis und Roche sind längst reine Pharma-Unternehmen.

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“Vasella pflanzte starken Baum in die Landschaft”

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Supermanager – supergieriger Abzocker: Kaum eine Figur in der Schweiz der letzten 20 Jahre hat mehr polarisiert als Daniel Vasella. Mit seinen bis dahin für Schweizer Verhältnisse unvorstellbaren Vergütungen zog Vasella den Volkszorn auf sich. Er war, zusammen mit den Bankern von UBS und Credit Suisse, Auslöser der Abzocker-Initiative, mit der Lohnexzesse in den Teppichetagen…

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Ohne Immissionen  

“In Basel gibt es nur noch wenig Produktion und wenn, dann ist es eine  umweltschonende Produktion, ohne Immissionen. Jetzt haben wir hier hauptsächlich die Innovations- Forschungs- und Verwaltungszentrale. Das hat sicher auch dazu beigetragen, dass die Akzeptanz gross ist”, sagt Morin.

Der Grüne Grossrat Urs Müller sagt, Basel habe sich mit der Pharma-Industrie “zum Teil” versöhnt: “Es sind ja auch grosse Steuerzahler, und da ist man auch bereit, in einem Dialog nach Lösungen zu suchen.”

1953 in Freiburg geboren, Bürger von Poschiavo.

Studium der Medizin in Bern, danach Arzt und Oberarzt am Inselspital Bern.

1978 Heirat mit Anne Laurence Moret, der Nichte von Marc Moret, dem späteren Präsidenten des damaligen Basler Pharmaunternehmens Sandoz.

1988: Wechsel in die Industrie zu Sandoz USA, Managementausbildung an der Harvard Business School.

1996: CEO von Novartis, dem Fusionsprodukt von Ciba-Geigy und Sandoz.

1999: auch Verwaltungsratspräsident von Novartis. Das Doppelmandat ist Anlass scharfer Kritik.

2008: Vasella streicht die Amtszeitbeschränkung, die ihn zum Rücktritt als Verwaltungsratspräsident gezwungen hätte.

Februar 2010: Rücktritt als CEO von Novartis.

22. Februar 2013: Abgang als Verwaltungsratspräsident.

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