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“Italien muss endlich seine Bürokratie überwinden”

Markus Wiget, Anwalt in Mailand. Balz Rigendinger

Er berät Auslandschweizer:innen  und italienische Bürger:innen in grenzüberschreitenden Fragen. Wirtschaftsanwalt Markus Wiget über die häufigsten Probleme.

Markus Wiget, Jahrgang 1967, ist Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern in Italien ein vertrautes Gesicht. Der Mailänder Wirtschaftsanwalt schreibt seit 2011 regelmässig die “Rubrica Legale” in der Gazzetta Svizzera, der Publikation für die Fünfte Schweiz in Italien. Darin schreibt Wiget über Rechtsfragen, die sich zwischen den beiden Ländern stellen. Wir sprachen mit ihm am Auslandschweizer-Kongress in Firenze über seine Erfahrungen.

Herr Wiget, Ihr Name verrät es, Sie sind auch Auslandschweizer?

Ja, in Mailand geboren und aufgewachsen, zweite Generation.

Hier am Auslandschweizerkongress in Firenze gibt es auch einige der dritten und vierten Generation. Was ist der Vorteil des Schweizer Passes in Italien?

Es gibt praktisch keine, es ist sogar eher nachteilig. In der Europäischen Union ist die Schweizer Staatsbürgerschaft kein Vorteil. Darum ist die Personenfreizügigkeit so wichtig, für Privatpersonen wie für Unternehmen. Aber natürlich ist ein Schweizer Pass für viele eine Sache des Herzens, der Herkunft, auch für mich.

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Ihre letzte Kolumne in der Gazzetta Svizzera drehte sich um Rentengelder. Es ging um die Frage, ob Italien Steuern auf ausbezahlte Pensionskassengelder erheben darf. Ist das ein gutes Beispiel für die Sorgen der Auslandschweizer in Italien?

Es ist tatsächlich eines der wichtigsten Themen. Früher konnte man zum Beispiel in Italien noch freiwillig in die AHV einzahlen. Heute ist dies nicht mehr möglich. Ähnlich und ebenfalls ein wichtiges Thema sind die Krankenversicherungen. Wer nach Italien kommt, gibt seine Schweizer Grundversicherung auf und muss eine neue abschliessen.

Auf einer anderen Ebene ist auch die Bankenproblematik in Italien ein grosses Thema – Schweizer Banken, welche die AuslandschweizerInnen mit hohen Kontogebühren oder Kontoschliessungen diskriminieren. Das stört die AuslandschweizerInnen in Italien genauso wie andernorts. Als ASO-Delegierter für Italien spüre ich aber, dass dies für Auslandbürger ausserhalb Europas noch schlimmer ist.

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Haben Sie als Anwalt schon viele Schweizer Bankkund:innen als Klient:innen betreut?

Natürlich. Vor allem habe ich bei Steueramnestie-Programmen 2015 und 2017 viele bei freiwilligen Selbstanzeigen gegenüber dem italienischen Fiskus begleitet. Sie hatten nicht deklarierte Vermögenswerte in der Schweiz und diese dann legalisiert. Man bezahlte dann die Steuern, allenfalls eine kleine Strafe. 

Anders ist es mit den überhöhten Gebühren der Schweizer Banken für Schweizer Auslandbürger. Als Anwalt kann ich hier nicht viel erreichen, das Problem ist systemisch. Die erhobenen Mehrkosten ergeben sich laut den Banken wegen ihren Massnahmen gegen Geldwäscherei, sie sagen, der Compliance-Aufwand sei höher. Ich hoffe aber, dass das Lobbying der Auslandschweizer-Organisation ASO etwas bewirken kann, einzelne Erfolge gibt es.

Zudem kämpfen wir seit Jahren auch mit der Gazzetta Svizzera, dass die Schweiz endlich von der Schwarzen Liste Italiens gestrichen wird. Diese schwarze Liste von 1999 sieht “eine Umkehr der Beweislast” in Bezug auf den Steuerwohnsitz für Personen vor, die ihren Wohnsitz von Italien in die Schweiz verlegen. Dass Italien die Schweiz auf dieser Liste führt, ist heute nicht mehr zu rechtfertigen.

Was sind die rechtlichen Hürden, wenn ich als Schweizer meinen Wohnsitz nach Italien verlege?

Rechtlich gibt es kaum ein Problem. Die Besteuerung kann aber problematisch werden, je nach Aufenthaltsdauer und -frequenz. 

Wenn Sie an den italienischen Gesetzen etwas ändern könnten, was wäre das?

Schwierige Frage. Die Gesetze hier sind sehr kompliziert. Ein Thema ist aber die Gesetzgebung vis-a-vis der Schweiz, etwa bei Zweitwohnsitzen und der entsprechenden Besteuerung. Wichtiger aber scheint mir: Italien müsste endlich seine Bürokratie überwinden. Das ist schwierig, weil viele sich damit arrangiert haben. Einige profitieren auch davon.

Man hört von Auslandschweizer:innen, die wegen der italienischen Bürokratie die Nerven verlieren. Sie werden von den Behörden geplagt, weil sie nicht wissen, wie man sich im Dschungel dieser Bürokratie bewegt. 

Es ist klar, man braucht hier für gewisse Pläne einen Rechtsanwalt, einen Steuerberater, einen Geometer. Es gibt Dinge, die macht man in Italien nicht alleine. Steuern und das Bauwesen gehören dazu, das ist hier kompliziert und bürokratisch. Da würde ich auch jedem Italiener raten, sich professionell begleiten zu lassen.

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