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Einheitlicher Steuerfuss v. Föderalismus

Schmucke Steuerhölle: St. Ursanne im Kanton Jura. Schweiz Tourismus

An den Unterschieden der Besteuerung zwischen Kantonen und Gemeinden stossen sich viele Bürgerinnen und Bürger. Aber eine Harmonisierung ist schwierig, unter anderem wegen des Föderalismus.

Auf welcher Ebene auch immer, die Unterschiede in der Besteuerung können ungerecht scheinen. Wie ist es denn zu rechtfertigen, dass es im Jura Leute gibt, die viermal so viel Steuern zahlen wie jene in Zug ?

Dazu kommt, dass diese Unterschiede die Reichen reicher und die Armen ärmer machen.

So ziehen Gemeinden mit tiefem Steuerfuss die guten Steuerzahler an, was dazu führt, dass die Steuern noch mehr gesenkt werden können. Umgekehrt werden Gemeinden, in denen nur Steuerpflichtige mit tiefem Einkommen leben, immer ärmer und müssen ihre Steuern weiter anheben.

Das gleiche Phänomen zeigt sich auf Ebene der Kantone. Es ist wirklich kein Zufall, dass die Gutbetuchten und die grossen Unternehmen sich viel lieber in Zug oder in Schwyz niederlassen als in Neuenburg oder im Jura.

Die POP zeigt den Weg

Um gegen diese Ungerechtigkeiten anzukämpfen, versuchte die Waadtländer Arbeiterpartei (Parti ouvrier populaire, POP) im Jahr 2001, einen einheitlichen Steuerfuss einzuführen. Mit einer Volksinitiative verlangte sie, dass alle 384 Gemeinden des Kantons für jeden an den Staat abgegebenen Franken 92 Rappen Gemeindesteuer zahlen.

Diese Steuern wären dann in einen gemeinsamen Topf gekommen. Und dieses Geld wäre dann wieder an die Gemeinden verteilt worden, und zwar aufgrund von vier Kriterien: Einwohnerzahl, Zahl der Arbeitsplätze, soziale Bedürfnisse und Aufgaben von regionalem Interesse.

Föderalistische Argumente

Das Projekt der POP spaltete die Waadtländer Linke und stiess bei der Rechten auf heftige Opposition. Die Gegnerschaft brachte namentlich Argumente im Zusammenhang mit dem Föderalismus vor.

In ihren Augen hätte der Verlust des finanziellen Handlungs-Spielraums zu einem Verlust an Gemeindeautonomie zugunsten des Kantons geführt. Ausserdem hätte man sich mit einem Einheitsfuss nicht mehr an die manchmal sehr unterschiedlichen lokalen Realitäten anpassen können.

Und schliesslich fanden die Gegnerinnen und Gegner der Initiative, dass die Steuerautonomie eine Grundbedingung für die Attraktivität einer Gemeinde sei.

Diese Argumente überzeugten die Waadtländer Stimmberechtigten. Am 10. Juni 2001 lehnte das Volk die POP-Initiative klar mit 68,5% Nein-Stimmen ab.

Olivier Pauchard

Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger

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