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Klares Votum für den bilateralen Weg

Das Stimmvolk hat den bilateralen Weg bestätigt. Keystone Archive

Das deutlicher als erwartete Ja zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Länder ist ein klares Bekenntnis zum bilateralen Weg.

Ins Auge sticht dabei, dass der Unterschied zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz im Abstimmungsverhalten immer kleiner wird.

Zum dritten Mal in Folge hat das Schweizer Stimmvolk eine europapolitische Vorlage deutlich angenommen. Nach dem Ja zu den ersten bilateralen Verträgen 2000 und der Zustimmung zu den Abkommen von Schengen/Dublin im letzten Juni hat auch die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten die Hürde genommen.

Ein derart klares Resultat hatte niemand erwartet. Die Schweizer Stimmberechtigten haben sich mit rund 56% klar für die Weiterführung des bilateralen Wegs zwischen der Schweiz und der EU ausgesprochen.

Weil bis zur letzten Umfrage noch viele Unentschlossene gezählt wurden, war allgemein von einer Zitterpartie ausgegangen worden. Viele Stimmende aus dieser Gruppe scheinen nun ein Ja eingelegt zu haben.

Auch Georg Lutz, Politologe an der Universität Bern, war erstaunt. Er schätzt, dass das Resultat auf Grund der starken Ja-Kampagne so deutlich ausgefallen ist. «Es war eine extensive Kampagne bis zur letzten Minute.»

Röstigraben zugeschüttet

Eine deutliche Veränderung lässt sich betreffend dem Stimmverhalten der Sprachregionen beobachten: In Europafragen gibt es den Graben zwischen Deutschschweiz und Romandie (Röstigraben) nicht mehr.

Seit der Abstimmung zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 wurde dieser immer kleiner. Heute trennen nur noch einige wenige Prozente Unterschied die beiden Landesteile.

Während die früher noch als «Euro-Turbos» betitelten Romands von Abstimmung zu Abstimmung EU-kritischer geworden sind, scheint die Deutschschweiz im gleichen Zeitraum einen Reifeprozess zu mehr Pragmatismus durchgemacht zu haben.

«Viele Laute hatten Angst vor den Konsequenzen, welche ein Nein für die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU gehabt hätte», meint Lutz. Einer der Gründe für das pragmatische Ja vieler Europa-Skeptiker.

Sogar die ländliche Bevölkerung in vielen Kantonen der Deutschschweiz hat sich am Sonntag eher in Richtung Ja bewegt. Das Nein-Lager konzentriert sich auf die Innerschweiz und die Kantone Appenzell Innerrhoden und Tessin.

EU-Beitrittsfrage neu lanciert

Das Ja zur ausgedehnten Personenfreizügigkeit wird nun die Debatte um den EU-Beitritt und das seit 13 Jahren in Brüssel deponierte Beitrittsgesuch der Schweiz neu entfachen. Bereits haben die Parteispitzen erste Voten abgegeben.

Zwei Möglichkeiten stehen dabei im Vordergrund: Ein Rahmenvertrag mit der EU oder der Beitritt zur Union. Doch auch ein Rückzug des Beitrittsgesuchs wird gefordert.

Laut Presseberichten soll das Thema Beitrittsgesuch bereits nächste Woche im Bundesrat (Landesregierung) besprochen werden. Am Dienstag wird Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Strassburg mit EU-Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner zusammentreffen.

Zudem will der Bundesrat Ende Oktober/Anfang November an einer Klausursitzung über die schweizerische Europapolitik diskutieren.

Doch Goldgräberstimmung dürfte in der nächsten Zeit keine herrschen. «Es ist allen klar, dass ein EU-Beitritt der Schweiz zu diesem Zeitpunkt eher unwahrscheinlich ist», konstatiert Politologe Lutz.

swissinfo, Christian Raaflaub

Das bereits geltende Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Personenfreizügigkeit wird schrittweise und kontrolliert auf die zehn neuen EU-Staaten ausgedehnt.

Es sind dies Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

Gleichzeitig werden die flankierenden Massnahmen verbessert, um Billiglöhne und missbräuchliche Arbeitsbedingungen wirksamer bekämpfen zu können.

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