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Leichte Entspannung an der Hochwasser-Front

Sommer ist anders: In Olten hat die reissende Aare auch das Freibad überflutet. Keystone

Die Schweiz ist von den heftigsten Unwettern seit zwei Jahren heimgesucht worden. Die Schäden gehen in die Millionen, mindestens acht Menschen wurden verletzt.

Nach den sintflutartigen Regenfällen hat sich die Hochwasser-Situation insgesamt leicht beruhigt. Manchenorts bleibt sie aber kritisch, etwa entlang der Aare.

In der Nacht auf Donnerstag erlitt ein Mann im luzernischen Littau schwere Verletzungen. Er war bei Aufräumarbeiten vom Hochwasser überrascht und von einem angeschwemmten Baumstamm getroffen worden.

In Bösingen im Kanton Freiburg wurde ein Feuerwehrmann beim Auspumpen eines Kellers verletzt, und bei Wünnewil erlitten zwei Feuerwehrleute und zwei Zivilisten eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Im Kanton Bern wurden zwei weitere Personen leicht verletzt.

Bundesrat und Umweltminister Bundesrat Moritz Leuenberger zeigte sich in seinem Blog erfreut, dass niemand ums Leben gekommen sei. «Dennoch denke ich natürlich an die Verletzten und wünsche ihnen eine gute Besserung», schrieb er.

Hohe Kosten

Die Kantonalen Gebäudeversicherungen rechnen mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. Allein im Waadtländer Ort Roche werden die Schäden auf Dutzende Millionen Franken geschätzt.

Nach Angaben von Versicherungsexperten werden sie aber kaum an die Schäden der Überschwemmungen von 2005 heranreichen. Damals hatten die Unwetter Kosten von über 2,5 Mrd. Franken verursacht.

Am meisten geregnet hatte es am Mittwoch und Donnerstag in Zürich, wo innerhalb von 24 Stunden fast so viel Wasser vom Himmel kam wie sonst im gesamten August. Auch hier gehen die Schäden in die Millionen. Hart getroffen wurden auch das Mittelland und die Nordwestschweiz.

In der Ost- und der Zentralschweiz hatte sich die Lage nach den heftigen Regenfällen in der Nacht bereits am Donnerstagmorgen wieder etwas entspannt. Die Pegelstände waren am Sinken, Evakuierte kehrten in ihre Häuser zurück.

Schutzmassnahmen in Bern greifen

Am Donnerstag trat der Thunersee über die Ufer und setzte Uferwege und Promenaden unter Wasser.

Die Stadt Bern schien allerdings das Schlimmste hinter sich zu haben: Das Schwemmholz konnte rechtzeitig ausgebaggert und so eine erneute Überschwemmung des Matte-Quartiers verhindert werden.

Wassermenge grösser als 2005

Andernorts ging es am Donnerstag erst richtig los. Am Morgen trat der Bielersee über die Ufer, und im Mittelland verliessen die Flüsse ihr Bett. In der Region Olten waren am Donnerstagmorgen mindestens 200 Haushalte ohne Strom, die Polizei sprach von einer «katastrophalen» Situation.

Mehrere Quartiere waren überschwemmt, ein Gebäude eingestürzt. Verletzt wurde niemand. Auch in Aarau und Döttingen trat die Aare über die Ufer. Ein Einkaufszentrum musste geschlossen werden. Dutzende Personen wurden evakuiert.

Vor allem entlang des Aarelaufs nahm die Wassermenge zu, so bei Hagneck, im Rhein bei Basel und in der Saane bei Freiburg. Nach den Angaben des Bundesamtes für Umwelt lag die Abflussmenge der Aare zwischen Bielersee und Rheinmündung sogar über jener vom 2005.

Auch im Raum Kaiserstuhl/Basel übertrafen die Werte jene von 2005, kamen jedoch nicht an jene des Elementarschadenjahres 1999 heran.

Basel verschont

Auch die Birs führte Hochwasser. Schäden an Transformatoren schnitten zeitweise fast 7000 Haushalte im Leimen- und Laufental vom Stromnetz ab. Strassen- und Fussgängerbrücken mussten gesperrt werden. In Basel dagegen blieben die befürchteten Überschwemmungen vorerst aus.

Im Kanton Jura, wo am Morgen chaotische Verhältnisse geherrscht hatten, war die Lage im Lauf des Donnerstags wieder unter Kontrolle.

In der Region Delsberg war am Morgen zeitweise der Strom ausgefallen. Zufahrtsstrassen wurden überschwemmt, rund 20 Personen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Roche verwüstet

Stark betroffen vom Dauerregen waren auch der Kanton Freiburg und das Waadtländer Weinbaugebiet Chablais. Dort hat einmal mehr der aus den Waadtländer Alpen in die Rhoneebene herunterstürzende Bach Eau Froide grosse Schäden verursacht.

Der Bach verliess oberhalb von Roche sein Bett, schoss durch die Hauptgasse des Dorfes und hinterliess eine Spur der Verwüstung. 50 Personen aus dem Ort sowie aus zwei nahe gelegenen Campingplätzen mussten die Nacht im Gemeindesaal verbringen.

Verkehr unterbrochen

Vielerorts hatten am Donnerstag die Pendler die Auswirkungen des Unwetters zu spüren bekommen: Zahlreiche Bahnverbindungen waren unterbrochen, darunter die Linien Bern-Freiburg und die Verbindung Laufen-Delsberg.

Auch im Strassenverkehr kam es vielerorts zu Behinderungen, einige Strassen blieben den ganzen Tag gesperrt.

Das Chaos danach

Obwohl es auch am Donnerstag noch verbreitet regnete und die Pegel hier und dort weiter stiegen, konnten an den meisten Orten die Aufräumarbeiten in Angriff genommen werden. Daran beteiligte sich neben tausenden Angehörigen von Feuerwehr und Zivilschutz auch die Armee.

Nach Angaben der Bundesbehörden haben die seit dem Hochwasser 2005 getroffenen Massnahmen Wirkung gezeigt. Schutzbauten hätten noch grössere Schäden verhindert, und auch die Alarmierung habe besser geklappt.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizerischen Bundesbahnen empfehlen Bahnreisenden, sich über die aktuelle Lage zu informieren und eine längere Reisezeit einzurechnen. Wie lange die Behinderungen andauern werden, lasse sich nicht sagen.

Aktuelle Informationen gibt es im Internet unter www.sbb.ch/166.

Zudem richtete die SBB eine Gratis-Hotline ein. Sie ist unter der Nummer 0800 99 66 33 zu erreichen.

Nach den neusten Hochwassern hat die Glückskette ihr Konto für Spenden geöffnet.

Das gesammelte Geld ist für Einzelpersonen, Kleinbetriebe oder finanzschwache Gemeinden in Härtefällen vorgesehen, etwa für dringende Aufräum- und Instandstellungsarbeiten.

Die Glückskette ist kein Hilfswerk, sondern das humanitäre Sammelsystem der Schweizer Medien, angeführt von der SRG SSR idée suisse.

Die Glückskette wurde 1946 gegründet und erhielt 1983 die Rechtsform einer Stiftung.

Von den Unwettern wurden auch Gebiete im angrenzenden Ausland betroffen.

In Norditalien gab es die stärksten Regenfälle in Ligurien, der Lombardei und in Florenz, wo das Uffizien-Museum geschlossen werden musste.

In Frankreich herrschte in den Departementen Doubs, Haut Rhin und in der Umgebung von Belfort Hochwasseralarm.

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