Unwetterschäden übersteigen 100-Millionen-Grenze
Schäden von über 100 Mio. Franken: Dies die vorläufige Bilanz der heftigen Gewitter, die am Mittwoch und Donnerstag über die Schweiz gezogen sind. 45 Millionen vermeldet allein der Kanton Bern.
Überflutete Strassen und Keller, Erdrutsche, umgestürzte Bäume und zerstörte Dächer – Räumungsteams und Schadeninspektoren arbeiten auf Hochtouren.
In den Schadensgebieten waren die Aufräumarbeiten am Freitag im vollen Gange. Sie werden noch Tage und Wochen andauern.
Am meisten betroffen vom Unwetter vom Donnerstag sind die Kantone Bern, Freiburg und Schwyz. Todesopfer gab es keine zu beklagen, jedoch wurde eine Person verletzt. Erst am 8. Juni waren in Huttwil im Kanton Bern drei Personen in einem Unwetter umgekommen.
Hagel verheerend
Die Schweizer Hagelversicherung schätzt die durch sie gedeckten Schäden landesweit auf 15 Mio. Franken. Allein im Kanton Bern richtete die Gewitterfront vom Donnerstag Gebäudeschäden von 45 Mio. Franken an. Laut der Gebäudeversicherung wurden rund 3000 Gebäude beschädigt.
Die Schweizerische Mobiliar spricht ihrerseits von 50 Mio. Franken Schaden landesweit. 1800 Meldungen gingen bei ihr ein. Es geht dabei ebenfalls um Gebäudeschäden sowie Hausrat und Betriebsunterbrüche.
Armee im Einsatz
Allein im Seeländer Ort Lyss wurden 100 Gebäude beschädigt. Dort waren rund 70 Angehörige von Feuerwehren und Zivilschutz im Einsatz. In der Nacht auf Freitag hatte die Armee mit schwerem Gerät beim Leerpumpen von Einstellhallen geholfen.
Im Kanton Bern waren 30 Experten im Einsatz, um in den verschiedenen Gebieten die Schäden zu erheben.
Schlimmstes Gewitter seit fünf Jahren
Aus dem Kanton Freiburg wurden rund 1000 Gebäudeschäden mit einem Volumen von mindestens fünf Mio. Franken bestätigt. Gemäss dem Direktor der kantonalen Gebäudeversicherung, Pierre Ecoffey, ging das stärkste Gewitter seit fünf Jahren über dem Freiburgischen nieder.
Da es auch am Freitagmorgen heftig regnete, könnte es weitere Schäden geben.
Blessuren bei Fahrern der Tour de Suisse
Betroffen war aber auch das Tessin, wo in der Region Bellinzona und Lugano Hagelkörner mit Durchmessern zwischen drei und sechs Zentimetern gefallen waren.
Unter den eisigen «Geschossen», die vom Himmel fielen, litten auch die Radprofis der Tour de Suisse, die am Mittwoch unmittelbar nach dem Etappenstart in Giubiasco vom Unwetter überrascht wurden.
Glücklich waren diejenigen Fahrer, die sich in den Schutz eines Unterstandes retten konnten. Einige jedoch erlitten durch die Hagelkörner in der Grösse von Tennisbällen schwere Blutergüsse. Das Rennen wurde gestoppt und im trockenen Oberwallis neu gestartet.
Bau von Notbrücke
Für den Kanton Schwyz bezifferte der Schweizerische Versicherungsverband allein das Schadenvolumen in der Region Einsiedeln auf «20 Millionen Franken, Tendenz steigend».
Die Schadensbehebung an Gebäuden und Infrastruktur dürfte auch dort noch Wochen dauern. Am Freitag trafen 30 Durchdiener des Kastastrophenhilfe-Bereitschaftsverbands der Schweizer Armee mit schwerem Gerät ein. Sie sollten am Abend die Notbrücke Tiefenau errichten.
Der Privatverkehr von Einsiedeln ins Ybrig wurde weiterhin über Willerzell umgeleitet. In Unteriberg musste das Trinkwasser aus Sicherheitsgründen weiterhin abgekocht werden.
Rekordgewitter
Laut dem Wetterdienst MeteoSchweiz erreichten die «Superzellen-Gewitter» vom Mittwoch und Donnerstag punkto Ausbreitung und Intensität rekordverdächtige Werte. Der Spitzenniederschlag wurde am Mittwochabend in Alpthal im Kanton Schwyz mit einem Stundenwert von 72,5 Litern Wasser pro Quadratmeter gemessen.
Aber auch die Niederschlagswerte vom Donnerstag im Mittelland waren aussergewöhnlich. In Tänikon (Thurgau) etwa wurde ein Zehnminutenwert von 18,9 Litern erreicht. In Aarberg im Berner Seeland fielen in einer Viertelstunde 15 Liter Regen pro Quadratmeter.
Mit der Kaltfront vom Freitag neigt sich die Gewitterphase laut MeteoSchweiz dem Ende zu. Seit Jahren habe der Juni nicht mehr mit einer derart extremen Gewitterhäufigkeit überrascht.
swissinfo und Agenturen
Nicht nur in der Schweiz, auch andernorts in Europa ist das Wetter ein Thema:
In der Slowakei haben in der Nacht auf Freitag schwere Stürme massive Schäden angerichtet. Im ganzen Land wurden Bäume entwurzelt und Dächer von den Häusern gerissen.
In Frankfurt mussten nach heftigen Unwettern rund 250 Flüge gestrichen werden. Hunderte von Passagieren verbrachten die Nacht auf dem Flughafen.
Der Südosten Europas leidet dagegen unter einer starken Hitzewelle. In Rumänien starben bei Temperaturen von über 35 Grad 19 Menschen. In Bulgarien und Griechenland wurden die Menschen aufgerufen, sich vor Austrocknung und Hitzschlägen zu schützen.
Auch auf die Türkei rollt von Nordafrika her eine Hitzewelle zu, die dem Land am über das Wochenende mit 40 Grad die heissesten Juni-Tage seit 30 Jahren bescheren soll.
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