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Nüssli AG: Variable Swissness von China bis Indiana

Keystone

Swissness als eine Option unter vielen: Schweizer Unternehmen, die global operieren, berufen sich je nach Land oder Branche unterschiedlich auf ihre Schweizer Herkunft. Heinrich Nüssli von der Eventbaufirma Nüssli AG sagt, weshalb.

Ob als “pflegeintensive Bedenkenträger”, als “Unterart von made in Germany”, kleinkariert, detailversessen oder zuverlässig, der Schweizer Bauspezialist wird je nach Land, Kontinent oder Branche sehr unterschiedlich wahrgenommen.

Zwar dominieren meist die Klischees, aber überall in variablen Kombinationen. Heinrich Nüssli, Unternehmer, Ingenieur und Ökonom, hat im Lauf der Zeit und überall auf der Welt immer wieder andere persönliche Erfahrungen gemacht.

Es erstaunt, wie sehr das Schweizbild in der Welt Abweichungen unterworfen ist. Hier Nüsslis sehr persönlicher und auf seine Branche bezogener Swissness-Feedback.

swissinfo: “Nüssli” klingt kaum englisch-international, eher ist es ein Zungenbrecher. Vermögen Ihre Kunden diesen schwierigen Namen überhaupt auszusprechen?

Heinrich Nüssli: Die Swissness beginnt bei unserer Firma jeweils mit der Erläuterung des Firmennamens. “Newsly or Njously does mean small nut”. So kommen wir auf die Schweiz oder unsere Swissness zu sprechen.

swissinfo: Wie sehen Nicht-Angelsachsen Ihre Swissness? Zum Beispiel Südamerikaner.

H.N.: Wie wenig die Swissness in Südamerika bekannt ist, zeigt sich in Brasilien. Der Durchschnitts-Brasilianer beispielsweise lobt Nestlé mit Stolz als höchst erfolgreichen brasilianischen Konzern.

Und jemand, der deutsch spricht, kann nur Deutscher sein. Aus eigener Erfahrung in Südamerika weiss ich, dass Swissness zumindest in meiner Branche dort keine Bedeutung hat.

Hingegen ist Technik oder Engineering “made in Germany” sehr angesehen. Deshalb segeln wir von Nüssli dort normalerweise unter deutscher Flagge.

swissinfo: Wie steht es mit dem Begriff im Orient?

H.N.: Im Mittleren Osten wird die Welt viel gelassener betrachtet. Arabische Entscheidungsträger haben wenig Probleme mit der Herkunft.

Uns Schweizer beurteilen sie oft als pflegeintensive Bedenkenträger. Trotzdem werden wir geschätzt und oft auch mit der Verantwortung für die Projekte belohnt.

Swissness bedeutet dort für uns, als Dienstleister hinter den Kulissen zu wirken, damit die Scheichs auf der internationalen Bühne den Applaus erhalten.

swissinfo: Vom Mittleren Osten zum Mittleren Westen. Wie sieht es in den USA mit der Swissness aus?

H.N.: Im Kernland der USA, also im Mittleren Westen, ist die Schweiz dem Durchschnittsamerikaner unbekannt.

Uns Schweizer stört im Mittleren Westen oft der dort gepflegte Nationalismus. So singt die halbe Million Zuschauer beim jährlichen Rennen von Indianapolis stehend, ohne Kopfbedeckung, mit der Hand auf der Brust, drei Hymnen.

In dieser Umgebung hat Swissness nur wenig Bedeutung, und wir als Nüssli-KMU geben uns möglichst amerikanisch.

swissinfo: Was denken sich die Chinesen?

H.N.: Unsere chinesischen Zulieferer betrachten uns Schweizer sehr kritisch. Einerseits schätzen sie unsere Kompetenz und Qualität.

Andererseits fühlen sie sich uns eindeutig überlegen. Denn in Schanghai zum Beispiel werden Bauprozesse sechs Mal schneller abgewickelt als bei uns.

Swissness ist darum willkommen als Knowhow-Lieferant, lnvestor oder Kunde. Weniger im Baubereich selber. Bei unserem Grossprojekt in Schanghai segelt Nüssli deshalb unter deutscher Flagge.

swissinfo: Und die Japaner?

H.N.: Ganz anders! Die Japaner mögen die Schweizer. Denn wir stehen für ähnliche Werte ein wie sie: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit.

Mit der Swissness geniessen wir somit grosse Sympathien.

swissinfo: Zurück nach Europa. Wie sieht es da mit dem Swissness-Verständnis aus?

H.N.: In Spanien zum Beispiel haben wir es oft mit hochkompetenten Frauen als Auftraggeberinnen zu tun. Diese fühlen sich durch unsere allemanisch-helvetischen Projekt-Ingenieure oft missverstanden – vor allem im kulturellen Bereich.

Und trotzdem vertrauen sie uns, weil wir seit langem zuverlässig sind. Swissness in Spanien: Ja, aber mit Fingerspitzengefühl.

In Deutschland, wo 2006 das innovative Public Viewing erfunden wurde, geniessen wir Schweizer viel Wohlwollen. Doch werden wir als wenig innovativ wahrgenommen. Schweizer sind präzise, gut situiert und langweilig.

Das Botschafter-Paar Borer-Fielding hat glücklicherweise eine Bresche in dieses Klischee geschlagen. Die Berliner trauern den beiden jetzt noch nach.

Swissness ist deshalb in Deutschland wohlgelitten.

swissinfo-Interview: Alexander Künzle

Mitte dieser Woche publizierte das Institut für Marketing und Handel der Uni St. Gallen eine Studie zur “Swissness Worldwide”.

Die bekannten Einschätzungen aus dem Ausland bleiben dabei gegenüber früher sehr konsistent.

Doch Nachbarländer wie Frankreich und Italien beurteilen die Schweiz im Vergleich am wenigsten gut.

Die negativen Beurteilungen gehen vorwiegend auf politische Positionen, eventuell auf den Finanzplatz, zurück.

Schweizer Produkte und Dienstleistungen geniessen einen exzellenten Ruf, sind aber weniger als innovativ oder trendy bewertet.

Die für die Schweiz so wichtige Pharmabranche wird mit der Schweiz kaum in einen Bezug gebracht. Dasselbe gilt für Mode und IT.

Die “Marke Schweiz” wird stark vom Verhalten der Schweizer Unternehmen beeinflusst.

Euro 2008:

Für die laufende EM hat die Nüssli AG in der Schweiz die 16 UBS-Fanzonen konzipiert und gebaut.

Projekte:

Schanghai Weltausstellung Expo 2010; Papstwiese beim Besuch in Bern 2006; Fussball-WM in Berlin 2006; Sportanlagen für Olympische Winterspiele Turin 2006; Alinghi-Basis in Valencia 2005; Olympische Spiele Athen 2004

Geschichte:

1941 gründete Heinrich Nüssli die Zimmerei Nüssli in Hüttwilen in der Ostschweiz

1958 Beginn der Gerüstbau-Tätigkeiten

1989 Nüssli GmbH in Deutschland

1998 Fusion der Firmen in der Schweiz zur Nüssli (Schweiz) AG

2003 Joint-Venture in Spanien

2007 Niederlassungen in Turin, in den USA und Österreich

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