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Hausbau: Neue Wege in der Holznutzung

Rundholz als Baumaterial für Holzhäuser in der Blockhausart. swissinfo.ch

Der Wald als Rohstoff-Lieferant befindet sich seit langem in der Zwickmühle zwischen Heimatschutz-Mystifizierung und Zwang zu rationeller Nutzung.

Auch die Holzbranche steckt in Strukturnöten. Für den Holzhausbau wird oft Importholz verwendet. Und ausländische Massivholz-Hausbauer reizt der Standort Schweiz.

Während die Tropenwälder kahl geschlagen werden, befindet sich der Schweizer Wald flächenmässig wieder auf dem Vormarsch. Doch mit der Bewirtschaftung und Nutzung des Holzes geht es in der Schweiz bergab.

Dabei ist Holz eine einheimische und darüber hinaus auch ökologisch einwandfreie, weil erneuerbare Ressource. Als Baumaterial aber hat es ein veraltetes Image und wirkt wenig attraktiv. Zu sehr erinnert es in der Schweiz an das alpine und rurale Chalet-Klischee.

Festgefahrene Strukturen

Ähnlich wie bei der Landwirtschaft führten zerstückelte Besitzerschaft, Gegensätze zwischen öffentlichem und ökologischem Interesse und unrentable Bewirtschaftung zu festgefahrenen Strukturen in der Waldwirtschaft und Holzverarbeitungsbranche.

Dabei bestünden Chancen für eine wirtschaftlich zu betreibende Holzindustrie in der Schweiz, falls ein Strukturwandel eintrete, heisst es im Galileo-Waldexpertenbericht, der für den Kanton Bern erstellt wurde.

“Die Holzpreise in der Schweiz liegen, wie der Galileo-Bericht bestätigt, unter dem europäischen Niveau”, sagt Klaus Dieter Winkler, Geschäftsführer des Bauunternehmens Exclusive Log Homes GmbH, das Häuser aus Massiv- sprich Rundholz herstellt.

Teuer ist nicht der Preis im Wald, sondern der Transport

Der deutsche Unternehmer plant, produziert und vertreibt Häuser aus Massivholz (Blockbauweise) in Europa und interessiert sich für einen waldnahen Produktionsstandort im Kanton Bern.

Winkler hat der Berner Volkswirtschaftsdirektion Businesspläne für eine ‘Massiv Holzbau-Gesellschaft’ vorgelegt. “Im Kanton Bern liegen die grössten Waldvorkommen der Schweiz”, sagt der Bauingenieur und hofft, für Produktion und Montage interessierte Schweizer Partner zu finden.

Doch so einfach geht das nicht in der Schweiz. “Die Rundholz-Preise im Wald selbst sind schon günstig”, bestätigt Markus Lädrach vom Holzwerkstoff-Produzent und Sägewerk Olwo in Worb. “Aber der Aufwand, das Holz bis ins Werk zu transportieren, ist der teuerste in ganz Europa.”

“Dies ist jedoch immer noch preiswerter als der Transport von finnischem Holz nach Zentraleuropa”, sagt Winkler.

Lädrach sieht für geeignete Teile des Waldes in erster Linie den Rohstoff-Lieferanten. Die Politik hingegen versuche, das öffentliche Interesse in allen Wäldern wahrzunehmen und unterstütze dies mit hohen Subventionen.

Und Naturschützer sehen den Wald von vielen Gefahren bedroht und weisen auf die Fehler der Vergangenheit hin.

Liberalisierung des Waldgesetzes

Winkler betritt das historisch gewachsene Dickicht des Schweizer Waldes zu einem bewegten Zeitpunkt. Viele Akteure aus dem Wald- und Holzbusiness warten ungeduldig auf die geplante Liberalisierung des Waldgesetzes, das mehr Markt postuliert (“Waldprogramm Schweiz”).

Seit Januar befindet sich die neue Waldpolitik des Bundes in der Vernehmlassung. Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) soll diesen Herbst dem Bundesrat die Bilanz des Konsultationsverfahrens (Vernehmlassungsbotschaft) unterbreiten.

Die Denkrichtung vorgegeben hat unter anderem der Galileo-Bericht.

Öko-Argumente als zweischneidiger Zweihänder

Die Erwartungen an den Wald sind riesig: Die Gesellschaft erwartet vom Wald die Erhaltung von Umwelt, Artenvielfalt und sauberem Wasser, wie das BUWAL schreibt. Die Holzverwerter und -kunden erwarten gutes und billiges Holz. Die Naturschützer wiederum erwarten einen “naturnahen Waldbau”.

Und obendrauf erwartet der Investor aus Deutschland “Schweizer Holz-Qualität”, die er fürs Marketing in den EU-Märkten einsetzen kann.

Alle machen sich dabei Umweltargumente zu eigen. So hat der WWF Bern zwar nichts gegen eine intensivere Waldnutzung. Dennoch meint WWF-Bern-Geschäftsführerin Erika Loser: “Schon vor 100 Jahren beging man Fehler und forcierte im für Laubwald geeigneten Mittelland den Anbau von Nadelholz, was die Anfälligkeit auf Schädlinge förderte.”

Es wäre ihr deshalb lieber, “wenn sich die vielen kleinen Waldbesitzer nach betrieblichen Kriterien zusammenschlössen, um die Holznutzung zu rationalisieren”.

Im Klartext: Lieber mehr Effizienz im Betrieblichen statt biologisch anfällige Monokulturen. Loser hofft, dass im neuen Waldgesetz der “naturnahe Waldbau” als Norm beibehalten wird.

Auch die Holzhaus-Bauer schwärmen von den ökologischen Vorteilen des Holzes: In Sachen Energieverbrauch, Feuchtigkeit, Luftqualität, gesunde Bauweise und Preis sei Holz unschlagbar. Dabei wird gerne verschwiegen, dass sie die Fichte aus dem 3500 km entfernten finnischen Waldgürtel hierher transportieren.

Zuverlässig und präzis: Swiss Made

Winklers Exclusive Log Homes setzt vom Marketing her auf Schweizer Qualitätsholz und Qualitätsproduktion, die beim Export automatisch mit einem Zuverlässigkeits- und Präzisionsbonus versehen sind.

Doch braucht er sichere Aussichten auf genügend Holz für seine Massivhäuser mit Schweizer Siegel. Er ist überzeugt, damit auf den EU-Märkten zusätzliche Absatzchancen zu haben.

“Der Absatz ist die Grundvoraussetzung für Winklers Idee”, sagt Heinz Balsiger, Kantonsoberförster und Vorsteher des Berner Amtes für Wald. “Wenn seine Ideen dann kostenmässig Chancen hätten, wäre dies äusserst positiv für die Schweizer Waldwirtschaft.”

“Gemäss Waldprogramm Schweiz sollen auf Bundesebene die Mittel künftig auf die Waldfunktion Schutz vor Naturgefahren und Biodiversität konzentriert werden”, sagt Balsiger im weiteren.

Auswirkungen auf das Waldbild

“Im Normalwald sind für eigenwirtschaftliche Waldbewirtschaftung grosse Anstrengungen erforderlich, die wohl auch Auswirkungen auf das Waldbild haben werden”, sagt Balsiger.

Als ausländischer Investor mit Geschmack am Standort Schweiz wird sich Winkler wohl noch mit den übergeordneten Interessen der helvetischen Waldpolitik anfreunden müssen, bevor er seine Renditeplanung genau aufstellen kann.

Sicher ist jedoch, dass hochwertiges Holz im Kanton Bern deutlich günstiger ist als vergleichbares aus Skandinavien.

Falls es funktioniert, verspricht der Holzhaus-Unternehmer sich und seinen Schweizer Partnern neue Arbeitsplätze in der Holzbranche und eine produktive Wertschöpfungskette vom Baum im Wald bis zum fertigen Haus und neuen Chancen für den Export.

swissinfo, Alexander Künzle

In der Schweiz werden jährlich rund 4500 Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut. Der Anteil der Holzhäuser ist nicht bekannt.
In Deutschland wurden 2003 über 164’000 Fertighäuser gebaut, davon 23’000 in überwiegender Holzbauweise.
In der Schweiz gibt es mindestens vier Holzhaus-Produzenten mit ausländischen Baumarken, die teils nur finnisches Nadelholz benutzen.

Die neuen waldpolitischen Vorschläge des Bundes befinden sich seit Januar 2004 im Konsultationsverfahren.

Das BUWAL soll diesen Herbst dem Bundesrat die Botschaft zu dieser Vernehmlassung unterbreiten.

Experten glauben, dass ohne einen radikalen Systemwechsel eine wirtschaftliche Holzproduktion in der Schweiz nicht möglich ist.

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