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Die 20-jährige Ton-Spur der Young Gods

Ungewohntes Bild: Young God Franz Treichler mit Streichern der Sinfonietta Lausanne. Keystone

Die Young Gods, eine der international einflussreichsten Schweizer Rockbands, haben am Montreux Jazz Festival ihren 20. Geburtstag gefeiert.

swissinfo sprach mit Franz Treichler, dem Sänger und Kopf der Gruppe, über Vergangenheit und Gegenwart der Band.

Letztes Jahr war es der Gitarrist Carlos Santana, der in Montreux mit Auftritten gleich an drei Abenden gefeiert und geehrt worden war. Diese Ehre kam am 39. Montreux Jazz Festival, das Samstag Nacht zu Ende ging, den Young Gods zu. Die “Jungen Götter” aus Genf bestehen seit 1985.

Die Young Gods in der aktuellen Besetzung, das sind der Tastenmann Al Comet, mit bürgerlichem Namen Alain Monod, sowie der Schlagzeuger Bernard Trontin.

Ewiger Stimm-Vulkan

Kopf und gleichzeitig einziges verbliebenes Gründungsmitglied ist der Sänger Franz Treichler, ein veritabler stimmlicher Vulkan, der seit zwei Dekaden unentwegt tiefe Brachial-Laute ausstösst.

Ihr Jubiläum begehen die Westschweizer Musiker mit einem dreiteiligen Programm. Für das “Amazonia Ambient Project”, das am ehesten mit den Begriffen “Ethno-Techno” umschrieben werden kann, haben sie den Anthropologen Jeremy Narby auf die Bühne geholt. Wobei die Bühne in diesem Fall das Festival-Schiff auf dem Genfersee war.

Beim zweiten Auftritt stand die Vorstellung des neuesten Materials im Vordergrund, während der dritte Abend ganz im Zeichen des Rückblicks auf die 20-jährige Karriere stand. Das Besondere: Die Klassiker wurden auch als solche gegeben, nämlich von der Lausanner Sinfonietta.

swissinfo: Nach 20 Jahren Young Gods sind Sie dieses Jahr erstmals in Montreux. Was bedeuten Ihnen die Auftritte an diesem Festival?

Franz Treichler: Es ist sehr ehrenvoll, unsere 20 Jahre hier zu feiern. Wir haben eine Carte blanche erhalten, und das ist ein schönes Geschenk. Das ist eine einzigartige Gelegenheit, dem Publikum unsere verschiedenen Seiten zu zeigen.

swissinfo: Welche Vorstellungen hatten Sie 1985 bei der Gründung der Young Gods im Kopf?

F. T.: Damals war es in meinem Kopf sehr lärmig! Das ist es auch heute noch, aber ich kann den Lärm heute etwas besser kanalisieren. Ich konnte mir schwerlich vorstellen, dass ich mit mehr als 40 Jahren immer noch auf der Bühne stehe.

In den letzten fünf bis sechs Jahren haben wir aber auch verschiedene andere Sachen gemacht: Mit anderen Künstlern zusammen gearbeitet, Projekte in Richtung Ambient (musikalische Umsetzung von meist ruhigen Stimmungen) sowie Ton-Installationen.

Am liebsten sind wir aber immer noch die lauten, brachialen und psychadelischen Young Gods!

swissinfo: Beim ersten Konzert gings um euer neues Repertoire?

F.T.: Ja. Die Stücke sind eher kurz und direkt, mit viel Gitarre. Diese sind aber etwas ‘informatisiert’ und verfremdet, aber doch sehr rockig.

swissinfo: Sie waren ursprünglich Gitarrist, haben aber bei den Young Gods 20 Jahre hauptsächlich mit Samplings gearbeitet. Wieso jetzt die “Rückkehr”?

F.T.: Unsere Musik basiert weiterhin auf Samplings. Aus der Lust am Experimentieren haben wir aber Gitarren eingebaut, quasi als neue Herausforderung.

Sampling gehört heute zum musikalischen Brauchtum, alle arbeiten damit, ob im Hip Hop, Rhythm ‘n Blues oder Metal.

swissinfo: Andere Neuerung in Montreux ist das Zusammentreffen mit einem klassischen Orchester. Wie haben Sie die Falle umgangen, nicht zu pompös zu sein?

F.T.: Die Arrangements stammen von Frédéric Rody, einem Freiburger. Wir behielten, was uns gefiel, und kippten, was zu übertrieben war. Die Tonalität einer 30-köpfigen Sinfonietta ist aber nicht diejenige eines grossen Synphonie-Orchesters.

swissinfo: The Edge, Gitarrist von U2, zählt die Young Gods zu den wichtigsten Einflüssen der zeitgenössischen Musik. U2 treten in Riesenstadien auf. Bedauern Sie, dass die Young Gods nie ein Massenphänomen sein werden?

F.T.: Nein, nein. Ich arbeite gerne im Hintergrund. Godard sagte einmal auf die Frage, ob er es nicht Leid sei, am Rande zu arbeiten: ‘Der Rand definiert die Seite’. Ich finde das genial! (Lacht).

swissinfo, Bernard Léchot in Montreux
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Das diesjährige Montreux Jazz Festival, der traditionelle Anlass am Genfersee, ging Samstag Nacht zu Ende.
Die Organisatoren verzeichneten total 220’000 Eintritte.
Beim Ticketverkauf (Mehrtages-Pässe) musste Festival-Chef Claude Nobs einen Rückgang von 100’000 auf 80’000 hinnehmen.
Die Folge dürfte ein Defizit von rund 300’000 Franken sein.

Die Young Gods gibt es seit 1985. Gründungsmitglieder waren Franz Treichler (Gesang), Cesare Pizzi (Sampling) und Frank Bagnoud (Schlagzeug).

Ihr Markenzeichen: Harter Rock ohne Gitarre, dafür mit Sampling.

Ab Mitte der 1990er-Jahre fand die Band zu mehr introspektiven Klängen.

Die heutigen Bandmitglieder sind neben Franz Treichler Alain Monod und Bernard Trontin.

Die Young Gods feierten ihr 20-jähriges Jubiläum mit drei Auftritten in Montreux.

Ein Album mit den bekanntesten Stücken ist für September angesagt.

Das reguläre achte Album soll Anfang 2006 erscheinen.

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