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“Klimawandel ist nur bedingt versicherbar”

Zerstörtes Haus nach einem Tornado in Orissa, östliches Indien (April 2009). Keystone

Mit Versicherungen liesse sich die Klimaproblematik, nicht aber der Emissions-Ausstoss etwas entschärfen. Das sagt Swiss-Re-Vertreter Andreas Spiegel, der zur Schweizer Delegation am Klimagipfel von Kopenhagen gehören wird.

Im Dezember wird sich die Schweiz an der Weltklimakonferenz in Kopenhagen für ein verbindliches und umfassendes Abkommen einsetzen. Zwar mag die Schweiz als weltpolitisches Leichtgewicht gelten. Doch sie kann im Norden auf die Unterstützung eines sehr wichtigen Wirtschaftszweiges rechnen: Diejenige der Schweizer (Rück-)Versicherungsbranche.

Mit in der Schweizer Delegation am Klimagipfel sind auch Vertreter des Rückversicherers Swiss Re. Rückversicherungen sind deshalb bedeutend und auch exponiert, weil sie als Versicherungen der Versicherungen fungieren.

Mehr als die Erstversicherer spürt deshalb ein Rückversicherer die Folgen des Klimawandels. Andreas Spiegel, Klimaverantwortlicher bei Swiss Re, erklärt die Mechanismen.

swissinfo.ch: Was genau hat eine Rückversicherungs-Gesellschaft mit dem Klimawandel zu tun?

Andreas Spiegel: Wir versichern unsere Kunden auch gegen Wetterrisiken, und zwar auf globaler Basis: Wirbelstürme, Hurrikane, Fluten, Dürren oder Stürme in Europa.

Unsere Kundschaft setzt sich weltweit aus Erstversicherern, also normalen Versicherungsgesellschaften, und grossen Unternehmen zusammen.

Die Klimaveränderung und die künftigen Klimatrends haben direkte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir die Risiken berechnen, die unseren Versicherungs-Prämien zu Grunde liegen, also auf einen Teil unseres Kerngeschäfts.

swissinfo.ch: Welche klimawandelbedingten Schäden sind versicherbar und welche nicht?

A.S.: Grundsätzlich kann nicht unterschieden werden, welche Wetterrisiken sich nur auf Grund der Klimaveränderung ändern und welche gleich bleiben werden. Wir wissen aber, dass unsere Risiken, die wir versichern, künftig zunehmen werden.

Zum Beispiel wird es zu intensiveren Hurrikanen und Wirbelstürmen auch im Nordatlantik kommen. Oder zu mehr Windschäden in Europa sowie Sturmfluten und Trockenheit in anderen Gebieten. Wir wissen dies aus eigener Forschung und aus jener in Zusammenarbeit mit Universitäten.

Die Versicherbarkeit hängt damit zusammen, dass die Risiko-Prämien zunehmen, wenn der Klima-Trend steigt. Irgend einmal erreichen diese Prämien dann ein Niveau, wo das Ganze zur gesellschaftlich-politischen Frage wird – wollen oder können die Kunden diese Prämien dann noch bezahlen?

swissinfo.ch: Die Höhe der Prämien errechnet sich also nicht nur aus der Folge der fortgeschriebenen Schadensstatistiken?

A.S.: Einerseits berechnen wir die Prämien für die Zukunft aus der Schadensentwicklung in der Vergangenheit. Anderseits fliessen auch wissenschaftliche Ergebnisse und Trends mit ein. Damit lassen sich Risiken neu einordnen und künftige Trends zu berücksichtigen.

swissinfo.ch: Wie haben sich die Schäden in der Vergangenheit entwickelt?

A.S.: Exponentiell, das heisst sehr stark nach oben. Aber nicht nur auf Grund des Klimawandels, sondern weil vermehrt hohe Werte an den falschen Orten gebaut wurden.

Zum Beispiel wird in Florida an der Küste gebaut, obschon man weiss, dass dort oft Hurrikane und Wirbelstürme vorkommen. In Kombination mit den Klimazyklen und –trends steigen die versicherten Schäden dort stark.

swissinfo.ch: Schutzmassnahmen gegen Klimaschäden vermindern also die Prämienteuerung?

A.S.: Ja, das bewirkt, dass man mit solchen Risiken noch länger umgehen kann. Gleichzeitig ist klar, dass Anpassung allein nicht genügt. Das Grundproblem, die Emissionen selbst, muss man angehen. Um die Eindämmung der Emissionen kommt man nicht herum.

swissinfo.ch: Was erwarten Sie als Rückversicherer von der Klimakonferenz in Kopenhagen?

A.S.: Wir erwarten klare Zielsetzungen bezüglich der Emissionsreduktionen. Wir hoffen, dass Ziele angenommen werden, die im Einklang mit den neuesten Erkenntnissen stehen.

Zudem wünschen wir uns klare Signale in Bezug auf Anpassung. Ein Teil der Klimaveränderung ist ja bereits Wirklichkeit, lässt sich also nicht mehr vermeiden.

Das heisst, die Weltgesellschaft wird sich anpassen und sich besser schützen müssen, ob sie will oder nicht. Man kann das mit baulichen Massnahmen tun, oder eben auch über Versicherungen.

swissinfo.ch: Das Land Schweiz ist klein, die Bedeutung der Versicherungsbranche aber gross. Was erwartet die Rückversicherung von der Schweizer Delegation in Kopenhagen?

A.S.: Wir haben das Glück, offizielles Mitglied der Schweizer Delegation zu sein. Wir können uns also in den Verhandlungen direkt einbringen. Wir unterstützen deshalb den Bundesrat in seinen Bestrebungen um ein Emissionsziel.

Interview: Alexander Künzle, swissinfo.ch

An der UNO-Klimakonferenz von Kopenhagen vom 7. bis 18. Dezember versuchen rund 200 Länder, sich auf ein globales Klimaabkommen zu einigen, als Nachfolge oder Verlängerung des Kyoto-Protokolls, das Ende 2012 ausläuft.

Ziel: Verhindern, dass das Weltklima sich um 2 Grad Celsius erhöht (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit).

Die zwischenstaatliche Expertengruppe über die Klimaentwicklung ist der Meinung, dass eine Treibhausgas-Reduktion der Industriestaaten von 25% bis 40% bis 2020 im Vergleich zu 1990 nötig ist.

Das Gremium fordert die reichen Länder auf, bis 2050 80% bis 95% der Treibhausgase einzuschränken. Die Entwicklungsländer sollen dies bis 2050 um 50% tun.

Die Schweiz wird sich in Kopenhagen für ein verbindliches und umfassendes Abkommen einsetzen.

Der Bundesrat hat diesen Freitag das entsprechende Verhandlungs-Mandat verabschiedet.

Die Schweiz wird am ministeriellen Segment der Konferenz vom 16. bis zum 18. Dezember durch Bundesrat Moritz Leuenberger in Kopenhagen vertreten.

Leiter der technischen Verhandlungsdelegation, die vom 6. bis zum 18. Dezember vor Ort weilt, ist Botschafter Thomas Kolly, Chef der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt (BAFU).

Gemäss dem vom Bundesrat verabschiedeten Mandat soll das auszuhandelnde verbindliche Abkommen sowohl Industrie- als auch Schwellenländer in die Pflicht nehmen.

Die Schweiz selber will ihren Treibhausgasausstoss bis 2020 analog zur EU um 20% im Vergleich zu 1990 senken.

Sie wird ihren Ausstoss laut UVEK in diesem Zeitraum gar um 30% senken, wenn sich andere Industrieländer zu vergleichbaren Zielen verpflichten und auch die Schwellenländer den Zuwachs ihrer Treibhausgase vermindern.

Für die Zeit bis 2050 unterstützt der Bundesrat das Zwei-Grad-Ziel.

Er setzt sich dafür ein, dass der Treibhausgasausstoss in dieser Zeit um mindestens die Hälfte reduziert wird.

Zudem soll das neue Klimaabkommen nach dem Willen der Schweiz die Flug- und Schiffahrtsemissionen regeln und auch die Landwirtschaft einbeziehen.

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