Harsche Reaktionen nach Polanskis Festnahme

Der weltberühmte Filmemacher Roman Polanski ist am Samstag bei seiner Einreise in die Schweiz wegen eines Begehrens der US-Behörden im Zusammenhang mit einem Haftbefehl aus dem Jahr 1978 in provisorische Auslieferungshaft genommen worden. Die Festnahme sorgte international für Wirbel.
Die Verleihung des Preises für sein Lebenswerk sei deshalb auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Er soll ihm bei der nächstmöglichen Gelegenheit übergeben werden, hiess es.
Der französisch-polnische Filmemacher hätte am Sonntagabend am diesjährigen Zürcher Filmfestival das «Goldene Auge» für sein Regie-Lebenswerk erhalten sollen.
Die Festivalleitung zeigte sich über die Festnahme bestürzt und betroffen. Sie kündigte an, anstelle der Preisverleihung eine Würdigung von Polanskis Schaffen durchzuführen.
Die Retrospektive «Tribute to Roman Polanski» mit ausgewählten Polanski-Werken soll dennoch programmgemäss durchgeführt werden. Gezeigt wird auch das Holocaust-Drama «The Pianist», für das er 2003 einen Oscar erhielt.
Geharnischte Reaktionen
Der Verband der Schweizer Filmer und Filmerinnen hat mit scharfen Worten gegen die Verhaftung von Roman Polanski protestiert.
Die Festnahme sei nicht nur ein juristischer Skandal, der dem Ansehen der Schweiz weltweit immensen Schaden zufügen werde, sondern auch eine Ohrfeige ins Gesicht aller Kulturschaffenden in der Schweiz, teilte der Verband mit.
Der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski will die US-Behörden um Gnade für Polanski bitten. Er erwäge ein Ersuchen, damit US-Präsident Obama die Möglichkeit überprüfe, von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen, hiess es.
Die französische Regierung äusserte sich irritiert über die Festnahme ihres Staatsbürgers. Kulturminister Frédéric Mitterrand erklärte, er habe «mit Verblüffung» von dem Vorkommnis erfahren.
Aussenminister Bernard Kouchner will eine rasche und günstige Bereinigung der Affäre. Dies habe er der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am Sonntag erklärt, gab das französische Aussenministerium in Paris bekannt.
Gegen den 76-jährigen Filmregisseur ist seit den 1970er-Jahren ein Verfahren hängig wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen. Die damaligen Vorwürfe einer 13-Jährigen wurden nie schlüssig geklärt.
«Die Verhaftung war rechtsstaatlich der einzig mögliche Weg», betonte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Sonntag. Sie unterstrich vor den Medien, dass seitens der USA kein Druck auf die Schweiz ausgeübt worden sei.
Polanski werde seit 2005 von Interpol ausgeschrieben und mit den USA bestehe wie mit anderen Ländern auch ein Vertrag, der die Schweiz verpflichte, Personen festzunehmen, gegen die ein Haftbefehl vorliege.
swissinfo.ch und Agenturen

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