Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Hilfe für Jordaniens Wassernot: Ein Tropfen auf den heissen Stein?

A person with head covering opens a water tap comprises of a short red hose coming out of a tiled wall.
Viele Menschen im Nahen Osten leiden an Wassermangel. Jake Lyell / Alamy Stock Photo

Kein Thema ist für das jordanische Königshaus so zentral wie die Wasserversorgung der eigenen Bevölkerung. Während das Land im Zug der Klimakrise weiter austrocknet, sieht sich die Monarchie mit fast unlösbaren Herausforderungen konfrontiert. Zur Hilfe eilt auch die Schweiz. Aber kann ein Land, das keine Wasserknappheit kennt, einem Wüstenstaat helfen?

Ein Junge winkt energisch. Am Strassenrand, irgendwo zwischen der jordanischen Hauptstadt Amman und dem südlich gelegenen Dorf Zubarieya, hält er einen Schlauch in die Höhe.

Eigentlich möchte er die Autos zum Anhalten bewegen, sodass er sie waschen kann. Er bleibt erfolglos, und so spritzt Wasser in hohem Bogen durch die trockene Luft, ehe es auf dem warmen Boden des Wüstenstaats aufklatscht.

“Vielen Jordanierinnen und Jordaniern ist nicht wirklich bewusst, wie stark das Land von Wasserarmut betroffen ist”, sagt Alaa Alqaisi, nachdem wir am Jungen vorbeigefahren sind. Seit zwei Jahren arbeitet der Wasserspezialist für die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).

“Die Sensibilisierung der Bevölkerung ist daher ein wichtiger Teil unserer Arbeit”, sagt er. Und so kommt es, dass Alqaisi an diesem Januarmorgen im Auto sitzt, um ein Projekt der Deza im kleinen Dorf Zubarieya zu besichtigen, wo die Bedeutung jedes einzelnen Wassertropfens für das ganze Königreich deutlich wird.

Denn die Realität ist besorgniserregend: Der Nahe Osten leidet an grossem Wassermangel. “Beispiellos” sei die Situation sogar, wie die Weltbank in einer kürzlich publizierten StudieExterner Link verlauten liess.

Besonders angespannt ist die Lage in Jordanien; das Königreich ist eines der wasserärmsten Länder der Welt. Sinkende Niederschlagsmengen, ausgepumpte Grundwasserquellen, heftige Dürren: Das Land trocknet immer mehr aus, unter anderem in direkter Folge der KlimakriseExterner Link.

Externer Inhalt

Hinzu kommt, dass sich die Bevölkerungszahl Jordaniens in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf 11,5 Millionen Menschen verdoppelt hat, viele davon haben einen Fluchthintergrund. Es ist also nicht nur immer weniger Wasser vorhanden; es wird auch immer mehr gebraucht.

Und je länger der Krieg in Gaza dauert, desto wahrscheinlicher wird der Fall, dass Jordanien und Israel ihre Beziehungen kappen, was das drängende Wasserproblem weiter eskalieren könnte.

Die Schweiz beobachtet die Entwicklungen genau, sieht sie Jordanien doch als wichtigen Knotenpunkt für die humanitäre Hilfe und Diplomatie in der ganzen Region.

Sparsamer Umgang, wo es nur geht

In Zubarieya wird die Schweizer Delegation bereits erwartet. Vertreterinnen und Vertreter der NGO Mercy Corps Jordan, Projektpartnerin der Deza, sind da, ebenso Abu Osama, der Vertreter der Gemeinde. Sein kariertes Hemd steckt in der Hose, hinter ihm steht eine Pumpstation, links von ihm mehrere grössere Solarpanels.

Man sei inzwischen energetisch autark, berichtet der ältere Herr, um dann fortzufahren: “Wir haben in den vergangenen Monaten vieles gemacht, unter anderem die Pumpstation renoviert. Nun läuft die Wasserversorgung besser.”

Das ist wichtig, denn aus der Grundwasserquelle, welche die Gemeinde als erste selbst betreut, wird das lebenswichtige Gut hochgepumpt und dann in die anliegenden Haushalte und Bauernhöfe verteilt.

Grauhaariger Mann im weissen Hemd arbeitet auf Tomatenfeld
Mahmoud Habahbeh (77), Teilnehmer am Programm von Mercy Corps, erhielt einen Zuschuss zur Verbesserung seiner Anbautechniken, einschliesslich der Instandsetzung seiner Wasserpumpe. Hier arbeitet er auf seinem Tomatenfeld mit dem neuen Bewässerungssystem. Ezra Millstein / Mercy Corps

Dies muss möglichst reibungslos geschehen; denn auf dem Weg zum Endverbrauch gehen oft rund 50% der kostbaren Ressource verloren, so Zaid Hatokay, Programmdirektor von Mercy Corps. “Die Pumpsysteme in Jordanien sind häufig zu wenig effizient. Dies haben wir hier verbessert,” sagt er.

Zudem wird Wasser regelmässig gestohlen, beispielsweise, indem Leitungen aufgebrochen und angezapft werden. So umringt ein hoher Drahtzaun die Anlage in Zubarieya, auch ein Sicherheitsbeamter ist dort, hat sogar einen eigenen Schlafraum.

Das Deza-ProjektExterner Link läuft noch bis Ende März, die Finanzierung von rund 1,8 Millionen Franken teilt sich die Schweiz mit Australien zu gleichen Teilen. In der nächsten Phase geht es darum, das Projekt mit Hilfe von lokalen Unternehmen weiterzuführen.

Langfristig zielt das Projekt darauf ab, “alternative Governance-Strukturen für den Umgang mit Wasser in ländlichen Gebieten fördern, in denen der Zugang zu Wasser aus dem nationalen öffentlichen Netz schwierig ist”, wie die Schweizer Botschaft in Amman auf Anfrage mitteilt.

Schild mit Anschriften
Projektbeschrieb und Sponsoren auf einem Schild vor dem Zaun, der um die Pumpstation gezogen wurde. Pascal Studer

Wenn die Geografie Abhängigkeiten schafft

Wasserknappheit bleibt zudem eine naturgegebene Tatsache, die das Land vor Herausforderungen stellt. Das weiss auch Maysoon Zoubi. Sie ist seit Jahrzehnten im jordanischen Wassersektor tätig, derzeit als Expertin für Wasserdiplomatie beim Ingenieurbüro Arab Dar.

“Jordanien ist, was wir im Fachjargon ein Downstream-Country” nennen”, führt Zoubi aus. Das bedeutet: Die wichtigsten Flüsse, die durch den Wüstenstaat fliessen, entspringen in Nachbarstaaten, sogenannten “Upstream-Countries”.

Diese wiederum können steuern, ob der Strom gestaut und somit dem “Downstream-Country” vorenthalten wird, oder abfliesst, womit das Wasser im Nachbarstaat ankommt. Kurz: Die Geografie verteilt in Wasserfragen die Verhandlungsmacht zwischen Staaten ungleich.

Und das spürt Jordanien. So musste man sich in der Vergangenheit beispielsweise vom nördlichen Nachbarn Syrien, dort entspringt der wichtige Fluss Yarmuk, gängeln lassen.

Zoubi erklärt, dass die beiden Staaten bereits 1987 ein Abkommen ausgehandelt habenExterner Link, welches unter anderem die Rahmenbedingungen eines Staudamms festgelegt hatte, der 2011 in Betrieb ging.

80% der Baukosten trug der Arabische Fonds für ökonomische und soziale Entwicklung (AFESD), den restlichen Betrag teilten sich Jordanien und die Vereinigten Arabische Emirate (VAE) auf.

Die weiteren Kosten in Zusammenhang mit dem Al-Wehda-Damm, und hier wird der syrische Hebel gegenüber dem Königshaus deutlich, musste Jordanien tragen – “von der Planung bis zum Unterhalt”, wie Zoubi ausführt. Immerhin handelte man aus, dass Syrien jährlich 208 Millionen Kubikmeter Wasser nach Jordanien abfliessen lässt.

Mann im blauen Hemd
Mercy-Corps-Programmteilnehmer Ahmad Al Habahbeh (54) neben dem Grauwassersystem in seinem Haus. Ezra Millstein / Mercy Corps

Krieg in Gaza als Zäsur

Während Jordanien auch mit Saudi-Arabien eine Grundwasserquelle teilt, die auf beiden Seiten intensiv genutzt wirdExterner Link, erscheint die Beziehung mit Israel im Licht des Kriegs in Gaza besonders fragil.

Wasser kann zwar ein Verstärker von zwischenstaatlichen Problemen sein, ist aber selten der Auslöser. Dennoch steht in diesem für König Abdullah II. so wichtigem Politikum gerade alles auf dem Spiel: “Die Wasserfrage ist heute der Mittelpunkt der geopolitischen Spannungen zwischen Jordanien und Israel”, sagt Zoubi.

Tatsache ist nämlich, dass sich Jordanien und Israel vor dem 7. Oktober 2023 durchaus angenähert haben; trotz der seit Jahrzehnten steigenden Spannungen in der Westbank, wo Israel seine völkerrechtswidrigen Siedlungsbauten stetig vorantreibt. Und auch trotz des Widerspruchs der jordanischen Bevölkerung, welche zu einem Grossteil palästinensische Wurzeln hat und eine tiefe Abneigung gegen Israel hegt.

Allen voran haben die einstigen Kriegsgegner:innen in diesem anspruchsvollen Kontext 1994 einen Friedensvertrag unterzeichnet, der bis heute hält und auch Regeln bezüglich der Wassernutzung rund um den Grenzfluss Jordan enthält – die wichtigste Wasserquelle für Israel und Jordanien.

Auch zwei Wasserabkommen wurden ausgehandelt. So kauft Jordanien seit Jahren israelisches Wasser, bis zu 100 Millionen Kubikmeter sind es jährlich. Und im vergangenen Oktober hätte eigentlich ein Vertrag ratifiziert werden sollen, der den Tausch von jordanischem Strom mit israelischem Wasser vorsah.

Jordanien wichtiger Partner für die Schweiz

Tempi passati. Denn im Schatten des Kriegs in Gaza stehen die Zeichen alles andere als auf Annäherung. “Noch nie seit Abschluss des Friedensvertrags hat Jordanien die israelische Regierung derart kritisiert”, sagt Zoubi.

Mehr

Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Luigi Jorio

Was tun Sie, um weniger Wasser zu verbrauchen?

In mehreren Regionen der Welt wird das Wasser immer knapper. Auch bei Ihnen? Was unternehmen Sie, um weniger zu verbrauchen?

83 Kommentare
Diskussion anzeigen

So hatte etwa der jordanische Aussenminister Ayman Safadi im vergangenen November betont, es sei derzeit “unmöglich, normale Beziehungen mit Israel” zu führenExterner Link.

Seinen Botschafter hatte er als Reaktion auf die Eskalation in Gaza schon früh aus Israel abgezogen. Dort reagierte die Regierung wiederum scharf, und droht nun gar, den Wasserhahn abzudrehen.Externer Link

So düster dieses Szenario ist, so hoffnungsvoll stimmen andere. In Zeiten von zunehmenden Spannungen in der Region gibt es auch Bemühungen, in der Wasserpolitik enger zusammenzurücken und gleichzeitig für nachhaltige Entwicklung und Frieden zu sorgen.

So ist in der Region die “Blue Peace Initiative” entstanden. An der Initiative beteiligt sind neben Jordanien und Syrien unter anderem auch Irak, Iran, Türkei und der Libanon.

Die Schweiz übernimmt eine tragende Rolle in der grenzüberschreitenden Wasserkooperation, indem sie den Dialog zwischen politischen Entscheidungsträger:innen ermöglicht und weitere unterstützende Massnahmen ergreift.

Und auch in Jordanien könnte sich die Situation bald verbessern. Bereits in drei Jahren soll es möglich sein, grosse Wassermengen aus dem Roten Meer zu entsalzen und diese in die 450 Kilometer entfernte Hauptstadt Amman und ihre umliegenden Regionen zu pumpen – ein Projekt, das teuer und deshalb nicht unumstritten ist.

Doch auch wenn der Gemeindevertreter Abu Osama in Zubarieya berichtet, wie wichtig die Fortschritte für sein Dorf sind, weiss Zaid Hatokay von Mercy Corps: “Der Schlüssel für ein wassersicheres Jordanien ist die Entsalzung von Meerwasser.”

Editiert von Sabrina Weiss

Bleiben Sie am Laufenden betreffend der Schweizer Aussenpolitik und wo die Schweiz sich international engagiert. Abonnieren Sie unseren Newsletter dazu hier:

Externer Inhalt
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig… Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Unser Newsletter zur Aussenpolitik

Die Schweiz in einer Welt, die sich bewegt. Beobachten Sie mit uns die Schweizer Aussenpolitik und ihre Entwicklungen. Wir liefern die perfekte Packung Vertiefung dazu.

Wöchentlich

Unsere SRG Datenschutzerklärung bietet zusätzliche Informationen zur Datenbearbeitung.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft