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Seilziehen um Departementsreform

Offizielles Bild der Schweizer Landesregierung mit den 7 Ministern und der Bundeskanzlerin (rechts). Keystone

Der Bundesrat geht am Mittwoch in Klausur, um über eine Neuordnung der sieben Eidgenössischen Departemente nachzudenken. Die letzte Reform der Bundesverwaltung liegt bereits 10 Jahre zurück.

Die anstehende Diskussion wird sich auf die Bereiche Bildung und Sicherheit konzentrieren. Es gibt Vorschläge, für beide Bereiche eigene Departemente zu schaffen.

Die Schweizer Regierung ist in mehrerer Hinsicht ein Sonderfall in Europa. Sie besteht nur aus sieben Mitgliedern (Bundesräte). Diese sind gleichwertig; es gibt keinen Premierminister. Dieses Modell galt lange Zeit als äusserst effizient.

In den 1990er-Jahren kamen allerdings Zweifel auf, ob die Schweizer Regierung in dieser Organisationsform in der Lage ist, innovativ zu sein und die Herausforderungen der Zeit zu meistern. Ein grosses Problem besteht in den vielen Zuständigkeitsbereichen der einzelnen Bundesräte.

So muss sich beispielsweise der Innenminister um das Gesundheitswesen, Ausbildungsfragen, Kultur und Sozialversicherungen kümmern. Der Chef des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) ist für vier strategische Kernbereiche verantwortlich. In anderen Ländern gibt es für jeden dieser Bereiche einen eigenen Minister.

Reform gescheitert

In den letzten Jahrzehnten sind vom Parlament wiederholt Anstösse gekommen, die Regierungsstruktur grundlegend zu reformieren. Bisher sind diese aber alle gescheitert.

«Das politische Gleichgewicht hat praktisch alle Reformen verhindert», sagt Frédéric Varone, Politologe an der Universität Genf. «Alle Regierungsparteien hatten Angst, Einfluss zu verlieren.»

Diverse Regierungsmodelle, darunter solche mit Präsidialsystem, wurden bereits in der Diskussionsphase ad acta gelegt. Der Vorschlag eines zweistufigen Systems, in dem die Bundesräte die strategischen Entscheide treffen, während Staatsekretäre die jeweiligen Verwaltungseinheiten führen, wurde 1995 in einer Volksabstimmung bachab geschickt.

Auch der Vorschlag, die Zahl der Bundesräte zu erhöhen und dem Bundespräsidenten mehr Kompetenzen einzuräumen, ist bisher nie umgesetzt worden. Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz hat sich vor kurzem erneut für diesen Vorschlag eingesetzt.

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Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

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Neuorganisation der Verwaltung

Während sich auf der Ebene der Staatsführung praktisch nichts geändert hat, wurden auf Verwaltungsebene einige kleinere Reformen durchgeführt. 1997 trat das neue Regierungs- und Verwaltungsorganisations-Gesetz in Kraft, das dem Bundesrat die Kompetenz einräumt, den Staatsapparat zu reformieren.

Ein Jahr später hat die Landesregierung die bisher letzte Reform der Eidgenössischen Departemente vorgenommen. Dem Departement für Verkehr und Energie wurde der Bereich Umwelt zugeschlagen. Ins Verteidigungsdepartement wurde der Sport integriert.

Jetzt – fast 10 Jahre später – ist im Bundesrat wieder Reformwillen spürbar. Der Impuls zu einer Neugliederung der Departemente kam einmal mehr vom Parlament.

«Eigentlich hatte das Parlament mit dem Gesetz von 1997 die Zügel aus der Hand gelassen, doch in jüngster Zeit ist es wieder aktiv geworden», bemerkt Varone.

In den beiden Parlamentskammern Nationalrat und Ständerat wurden in den letzten Jahren Motionen angenommen, welche die Schaffung eines Bildungsdepartements vorschlugen.

Zudem wird diskutiert, ob Militär, Bundespolizei und Grenzschutz in ein Sicherheitsdepartement zusammengefasst werden sollen. Auch die Neuorganisation der Entwicklungszusammenarbeit wird diskutiert.

Die politische Dimension

Gefragt ist namentlich eine effizientere und logischere Gruppierung einiger Verwaltungsbereiche. «Man kann solche Veränderungen aber nicht von ihrer politischen Dimension trennen», sagt Professor Varone.

«Wenn die Arbeitslosenversicherung vom Volkswirtschaftsdepartement ins Innendepartement wandert, um ein Ministerium für Bildung und Innovation zu schaffen, steht eben eine ganz bestimmte politische Vision dahinter.»

UVEK-Vorsteher Moritz Leuenberger wurde im letzten Jahr als damaliger Bundespräsident beauftragt, die Diskussion der Departementsreform vorzubereiten. Er gab aber gleich zu verstehen, dass auch der Status quo beibehalten werden könnte.

Gegen diese Option hatten sich umgehend Innenminister Pascal Couchepin und Justizdirektor Christoph Blocher ausgesprochen.

Politologe Varone warnt davor, eine neue Struktur der Departemente überzubewerten: «Letztlich geht es darum, einige Ämter umzugruppieren. Dies garantiert nicht unbedingt eine bessere politische Führung des Landes.»

swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienschen: Gerhard Lob)

Die Diskussion über eine Neuverteilung der Eidgenössischen Departemente ist entstanden, weil im Parlament der Vorschlag aufkam, ein einziges Bildungsministerium zu schaffen und so die Verzettelung auf diverse Departemente zu beenden. Dazu kam die Idee, ein Sicherheitsdepartement einzurichten. Diese Idee gefällt vor allem Bundesrat Samuel Schmid.

Bundesrat Christoph Blocher als Vorsteher des Polizei- und Justizdepartements hat schon im März – und damit sehr frühzeitig – seine Reformideen mitgeteilt: Neben einem Bildungsminister will Blocher am liebsten ein Superministerium für Finanzen und Wirtschaft schaffen (diesem würde auch Post, Swisscom und Bahn unterstehen). Das Aussendepartement soll seiner Meinung nach hingegen auf ein Minimum zurückgestutzt werden.

Der amtierende Innenminister Pascal Couchepin würde gerne Bildungsminister werden. Doch auch Volkswirtschafts-Direktorin Doris Leuthard scheint Ambitionen auf dieses Amt zu hegen.

Über die Absichten von Finanzminister Hans-Rudolf Merz ist nichts bekannt. Bei den beiden sozialdemokratischen Bundesräten Moritz Leuenberger (Energie, Transport, Umwelt) und Micheline Calmy-Rey (Ausland) kann man davon ausgehen, dass sie vor allem die Angriffe Blochers auf Teile ihrer jeweiligen Departemente abwehren werden. Die Schaffung eines Sicherheitsdepartements, das Militär und Polizei unter einem Dach vereint, wird ihnen ein Dorn im Auge sein.

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