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Das Übel an den Wurzeln packen

Risiko auf lange Sicht: Auf sauren Böden ist der Wald weniger verankert, ein Sturm kann die Bäume leichter knicken. Keystone

"Nutzen sie die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes", wirbt die Schweizerische Stiftung für Gesundheitsförderung anlässlich des Internationalen Tag des Waldes (21.03.). Doch wie gesund ist der Wald? Bodenversauerung und Kronenverlichtung bereiten Fachleuten Kopfzerbrechen.

Wer sich beim Waldspaziergang nicht nur entspannt, sondern zwischen durch einen Blick hinauf zu den Wipfeln wagt, sieht unter Umständen ein grosses Stück Himmel. Fast jede dritte Baumkrone weist eine Verlichtung von 25 Prozent auf, wie eine Studie (siehe Link) gezeigt hat. Um den Ursachen der Kronenverlichtung auf die Spur zu kommen, wird an der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL intensiv geforscht. Sie richtet ihr Augenmerk nicht nur in die Höhe, sondern auch nach unten, zu den Böden und Wurzeln.

Wurzelschäden wegen Versauerung wären fatal

Waldforscher des Bundes betonen seit längerem, dass dem Langzeitrisiko durch verschmutzte Luft und verschmutzte Böden besondere Beachtung zu schenken sei. Vermutet wird, dass es Zusammenhänge gibt zwischen der Bodenversauerung und den Wurzelsystemen. Ein laufendes Forschungsprojekt der WSL soll in dieser Frage Klarheit schaffen

“Wenn Wurzelschäden wegen Bodenversauerung festzustellen wären, dann wäre das sicher ein Alarmzeichen”, sagt Peter Brang, der das Projekt betreut. Ob die Erkenntnisse der Studie helfen werden, die Ursachen der Kronenverlichtung zu erklären, bezweifelt er. “Ich erwarte einen Zusammenhang zwischen Kronenverlichtung und Bodenversauerung erst, wenn die Bodenversauerung sehr weit fortgeschritten ist. Und davon sind wir noch weit entfernt.”

Der Orkan Lothar hat dem WSL-Forschungsprojekt von Peter Brang den Weg geebnet: durch den Sturm wurden viele Wurzelteller freigelegt. An 80 Standorten im Mittelland und in den Voralpen wurden insgesamt rund 380 Fichten, Tannen und Buchen untersucht, die auf Böden gewachsen sind, wo eine recht starke Versauerung vermutet wird und wo die Bäume in der Lage sein sollten, ein grosses Wurzelsystem auszubilden. Erd- und Wurzelproben sowie Messungen werden nun im Labor analysiert, erste Interpretationen der Untersuchungen sind Ende Jahr zu erwarten.

Lothar hatte Erfolg auf saurem Boden

Auch das private Institut für angewandte Pflanzenbiologie in Schönenbuch BL hat keinen Zusammenhang festgestellt zwischen Bodenversauerung und Kronenverlichtung. Hingegen zeigen neuste Forschungsergebnisse des Instituts auf mehr als 100 langfristig untersuchten Waldflächen, dass saure Böden einen Einfluss haben auf die Stabilität der Bäume. “Wir haben festgestellt, dass der Windwurf durch den Sturm Lothar auf denjenigen Flächen stärker war, wo der Boden schon stark versauert ist.” Sabine Braun, Assistentin des Institutleiters, führt dies unter anderem auf ein Ungleichgewicht der Nährstoffe zurück, ausgelöst durch zu grosse Mengen an Stickstoff im Boden.

Stickstoff gelangt vor allem aus Landwirtschaft und Autoverkehr via Luft und Regen in die Böden, beschleunigt das natürliche Auswaschen der Nährstoffe und führt zur Versauerung.

Greenpeace warnt vor Langzeitschäden

Christoph Wiedmer, Waldexperte von Greenpeace, vermutetet ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Bodenversauerung und Wurzelschäden. Gerade die kleinen Wurzelteller, wie sie Lothar an den Tag gebracht habe, wiesen darauf hin. “Dem Wald geht es immer schlechter”, sagt er und fordert Massnahmen zur Gesundung des Waldes, wie zum Beispiel eine ökologische Steuerreform, Verteuerung der Energiequellen oder Förderungen des öffentlichen Verkehrs.

Landesweite Waldreservate

Anlässlich des Internationalen Tag des Waldes erhält der Schweizer Wald von Bund und Kantonen eine Förderung der speziellen Art. In den nächsten Jahren sollen 10 Prozent der Waldfläche als Reservate gesichert werden. Die Hälfte davon als Naturwald, die andere Hälfte als Sonderwald.

In den Sonderwaldreservaten sollen laut Buwal seltene, bedrohte und empfindliche Arten gezielt gefördert werden. In den Naturwaldreservaten dagegen soll sich der Wald ohne Eingriffe natürlich entwickeln.

Dem Volk sollen die Waldreservate grundsätzlich offen stehen. Damit sind dem Genuss des Waldes als Ort der Entspannung zumindest formell keine Schranken gesetzt, so dass die Schweizerische Stiftung für Gesundheitsförderung auch weiterhin zum Waldspaziergang auffordern kann.

Kathrin Boss Brawand

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