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Das meint Roger de Weck, wenn er von der Kraft der Demokratie spricht

Roger de Weck bei einem öffentlichen Auftritt
"Die Kraft der Demokratie": Roger de Wecks neues Buch ist auch eine starke Botschaft an die Politikerinnen und Politiker in Europa Keystone / Peter Schneider

Roger de Wecks neuestes Buch fällt auf, wenngleich kein Bild den Buchdeckel dominiert. Dafür sieht man grün. "Die Kraft der Demokratie" heisst es. Der Untertitel lautet: "Eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre". Öko-Grün leuchten die Worte "Demokratie" und "eine Antwort". Genau das ist auch das Programm des Buches des vielleicht gewichtigste Intellektuelle der Schweizer Gegenwart.

Demokratie in der Defensive

Gerade in der postmodernen Öffentlichkeit Europas ist es seit einiger Zeit üblich, auf die Schwächen der Demokratie hinzuweisen. Publizist De Weck nennt die Tendenz im Buch Externer Linkbildhaft “Im Bann der Reaktionäre, im Sog der Marktwirtschaft”.

Buchvernissage abgesagt

Die offizielle Vorstellung des Buches von Roger de Weck wäre für morgen Dienstag in Zürich geplant gewesen. 

Wie praktisch alle öffentlichen Anlässe wurde auch die Buchvernissage aufgrund der Massnahmen gegen die Weiterverbreitung des Coronavirus abgesagt.

Politkulturell spricht man seit gut zehn Jahren von einem Trend zur Autokratie. Dieser trifft nicht nur undemokratische, sondern vielmehr auch demokratische Staaten. Gemeint ist, dass der neoliberale Diskurs seit drei Dekaden die Politik beeinflusst. Dessen Stossrichtung: Nicht mehr das Forum der Demokratie, vielmehr der Markt der Wirtschaft rechtfertigt politisches Handeln.

Nationalismus und (Öko-)Diktaturen als Bedrohungen

De Weck ist Publizist, kein Politologe, wie man nach den 80 einleitenden Seiten noch vermuten könnte. Er inspiziert als belesener Zeitgeistkritiker das weite Arsenal der Vorwürfe an der liberalen Demokratie.

Klar gerichtet ist das Buch gegen den virulent gewordenen Nationalismus. Denn dieser orientiert sich letztlich an der Privilegierung Einheimischer, nicht an der Gleichheit der Individuen.

Der Autor wendet sich aber auch gegen die Kritik der Unzulänglichkeit von Demokratien, die Bewältigung der ökologischen Herausforderungen nur schleppend anzupacken.

Diese 130 Seiten des Buches muss man sorgfältig lesen, denn sie sind ausgesprochen gehaltvoll und bisweilen subtil in der Kritik an Öko-Diktaturen und populistischen Machthabern.

Das Programm zur Stärkung der Demokratie

Die eigentliche Stärke des Buches kommt in den anschliessenden 50 Seiten. Da skizziert Roger de Weck zwölf Vorschläge für eine innovative Demokratie – sie sind sein eigentliches Programm. Er plädiert für:

● einen mächtigen Rat der Umweltweisen;

● ein Initiativrecht der Umweltminister;

● ein aufschiebendes Veto eines Rats der Generationengerechtigkeit;

● eine neue Umweltkammer nebst der Volksvertretung, dem Parlament;

● ein Stimmrecht als Stimme der Jugendlichen;

● einen europäischen Gerichtshof für Rechte der Natur;

● eine ökologische Fussabdruckbank;

● eine demokratiefreundliche OECD;

● einen Transparenzhof auf Bundes- und Nationenebene;

● eine europäische Digitalplattform-Behörde;

● direkte Demokratie sowie

● guten Journalismus.

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Eine flüssig geschriebene Streitschrift

Das neueste Demokratie-Buch ist die Streitschrift eines zeitgenössischen Progressiven. Bisweilen wird man von der Informationsdichte und dem Ideenreichtum fast erschlagen. Der Autor bemerkt am Ende aufrichtig, dass die zwölf Neuerungen in ihrer Summe wohl zu viel des Guten wären. Er sieht sie denn auch mehr mögliche Vorschläge für eine Erneuerung der Demokratie. Diese sei kräftiger als man häufig meine, müsse aber wieder schöpferisch werden.

Zwei Diskussionsstränge sind de Weck besonders wichtig: einmal die Demokratie auf die Höhe der Herausforderungen durch den Klimawandel und die Digitalisierung zu führen, sodann die nächste Generation für die Demokratie zu gewinnen.

Kein Buch nur für Schweizer, sondern für Europäer

Trotz seiner Schweizer Herkunft richtet sich das Buch Roger de Wecks nicht ausschliesslich an ein schweizerisches Publikum. Aus diesem Grund hat es als Ausblick auch ein europäisches Nachwort.

Geschrieben wurde das Werk, das bei Suhrkamp erscheint, mit Verve vom vielleicht gewichtigsten Intellektuellen der Schweizer Gegenwart. Einem, der sich oft jenseits der gewohnten Diskurse seine Gedanken zur Zukunft der Demokratie macht – und dabei voll auf die Kraft der Beteiligung aufgeklärter Menschen an und für deren eigene(n) Sache setzt.

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